BfArM im Dialog zu den besonderen Therapierichtungen

Mit Sorge in die Zukunft

Bonn - 28.04.2016, 17:00 Uhr

Im BfArM-Dialog ging es um EU-Vorgaben, life-cycle-management sowie Pyrrolizidinalkaloide als Verunreinigungen für pharmazeutische Unternehmer der besonderen Therapierichtungen. (Foto: BfArM)

Im BfArM-Dialog ging es um EU-Vorgaben, life-cycle-management sowie Pyrrolizidinalkaloide als Verunreinigungen für pharmazeutische Unternehmer der besonderen Therapierichtungen. (Foto: BfArM)


Nach 2002 und 2009 widmete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine weitere Dialogveranstaltung in Bonn den Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen. Das schien auch mal wieder nötig zu sein, denn hier und da drückt der Schuh offenbar ganz ordentlich.

Die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen haben im deutschen Arzneimittelmarkt eine lange Tradition. Nach Angaben des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) finden sich aktuell (Januar 2016) 7664 Präparate aus dieser Gruppe nach einem abgeschlossenen Zulassungsverfahren (rund 3600) oder Registrierungsprozess (ca. 3700 Homöopathika und 246 traditionelle pflanzliche Arzneimittel) im Verkehr. Sie haben für die therapeutische Praxis auch heute noch eine große Bedeutung.

Bei einer Podiumsdiskussion, die von dem zuständigen Abteilungsleiter im BfArM Werner Knöss moderiert wurde, warf die komplette „Leitungsebene“ der für diese Präparate zuständigen Fachkommissionen C, D und E beim BfArM sowie von zwei weiteren Expertenausschüssen einen Blick in die Zukunft. Die Perspektiven für die Phytopharmaka, Homöopathika und Antroposophika fielen sehr „gemischt“ aus. 

Nicht als Artenschutzreservat begreifen

Die Vorsitzenden der Kommissionen D (Homöopathie) und E (Phytopharmaka), Michael Elies aus Laubach und Hartwig W. Bauer aus München, verfolgen die Entwicklung mit einer gewissen Sorge. Während Elies, Facharzt für Allgemeinmedizin, bedauert, dass die Arzneimittel kaum mehr bei ernsthafteren Erkrankungen eingesetzt werden und immer mehr Richtung Selbstmedikation „rutschen“, sprach Bauer sogar von einem Tal, in dem sich die Phytotherapie derzeit befinde und aus dem man nun versuchen müsse, heraus zu kommen. 

Der Internist Thomas Breitkreuz, der der Kommission C (Anthroposophie) vorsitzt, gab sich etwas optimistischer. Für ihn sind die komplementären Verfahren kein Vergangenheits- sondern vielmehr ein Zukunftsthema. „Wir wollen uns nicht als Artenschutzreservat begreifen“, betonte er. „Wir wollen aktiv mitgestalten.“ 

Bleibt die Forschung auf der Strecke?

Auch die Situation an den Hochschulen bezüglich der Besonderen Therapierichtungen sehen die Experten zwiespältig. Matthias Melzig von der Freien Universität Berlin und Rolf Daniels aus Tübingen leiten die Ausschüsse für Analytik beziehungsweise für Herstellungsregeln der  Deutschen Homöopathischen Arzneibuch (HAB)-Kommission.

Melzig berichtete zwar von einem großen Andrang von Interessenten, die auf dem Gebiet forschen wollen, auch aus Medizinerkreisen. Dennoch befürchtet er, dass gerade die Kompetenz für die qualitativ hochwertige Herstellung der Arzneimittel auf die Dauer verloren gehen könnte. Um die allerorten knappen Ressourcen zu bündeln, appellierte Daniels an die Firmen: „Gehen Sie bei Fragestellungen, die sie alleine nicht lösen können, mehr auf die Hochschulen zu.“

Mehr als 90 Prozent der Präparate haben weniger als 500.000 Euro Jahresumsatz

Dass es bei der Arzneimittelgruppe keineswegs um Blockbuster geht, machte Nicole Armbrüster vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) in einem Referat deutlich. Nach Zahlen von Insight Health seien im Jahr 2015 lediglich 14 Phytopharmaka, zwei Homöopathika und ein Anthroposophikum auf einen Jahresumsatz von mehr als 10 Millionen Euro gekommen. Lediglich 95 Phytos, 57 Homöopathika und 9 anthrosposophische Arzneimittel hätten Umsätze zwischen einer und 10 Millionen Euro erzielt. Die weitaus größte Masse der Präparate (mehr als 90 Prozent) erwirtschafte weniger als 500.000 Euro Jahresumsatz.

Das rechnet sich nicht

Am praktischen Beispiel eines Hustensaftes mit 146.000 Euro Jahresumsatz zeigte Armbrüster auf, warum die Wirtschaftlichkeit eines Produktes in seiner Lebenszeit heute massgeblich von den Ausgaben für die Pflege einer Zulassung oder Registrierung (Maintenance) abhängt. Rund die Hälfte des Umsatzes fließen nach ihrem Rechenbeispiel in Herstellungs-und Gemeinkosten und mehr als die andere Hälfte in Ausgaben für den Erhalt der Marktgenehmigung sowie in Änderungen an dem Arzneimittel. Diese veranschlagte sie unter anderem wegen des hohen bürokratischen Aufwandes mit allein 31.000 Euro. Übrig bleibe ein Minus von 7000 Euro. „Das Arzneimittel wird also in diesem Jahr rote Zahlen schreiben“, resümierte Armbrüster.

Sie richtete deshalb den dringenden Appell an die Behörden, zur prüfen, ob weitere Anforderungen die Wirksamkeit und Sicherheit der Präparate wirklich so steigern könnten, dass der Mehraufwand dafür auch gerechtfertigt sei.   


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Unwirksame Methoden

von Dr Martin Winkler am 30.04.2016 um 17:31 Uhr

Mir ist eh schleierhaft, warum an diese Präparate nicht die gleichen Anforderungen wie an Medikamente gestellt werden. Es dürfte doch klar sein, dass sie in Studien nie und nimmer eine Wirksamkeit beweisen würden. Wie es überhaupt möglich ist, dass Sie weiter auf dem Markt sind, ist mir ein Rätsel.

Besondere Therapieeinrichtungen scheinen in etwa den Stellenwert der Katholischen Kirche zu haben. Man muss an sie glauben...

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