Existenzgründung mit Gendiagnostik

Apotheker Seibt weiß, was kommt

26.04.2016, 15:00 Uhr


Bei Dr. Seibt Genomics in Bonn können Menschen ermitteln lassen, wie sie ein Arzneimittel verstoffwechseln und so ihre Therapie optimieren. Mittels prädiktiver Gendiagnostik ermittelt das Team von Dr. Benjamin Seibt zudem das Risiko für bestimmte Erkrankheiten. Gestartet ist das Unternehmen vor ein paar Wochen. Im DAZ.online-Interview verrät Seibt, wie aus einem zufälligen Gespräch ein echtes Start-up wurde.  

DAZ.online: Anfang 2016 ist Ihr Unternehmen gestartet, spezialisiert auf Gendiagnostik und Pharmakogenomik – ein neues Feld in der Diagnostik. Sie haben Pharmazie studiert und hätten auch eine Apotheke eröffnen können. Warum haben Sie diesen Weg nicht gewählt?

Dr. Benjamin Seibt: Mich haben die wissenschaftlichen Schwerpunkte schon während meines Studiums stark interessiert. Dann kam ein wenig der Zufall ins Spiel: Bevor ich für meinen Postdoc nach Australien gegangen bin, habe ich eine Weltreise gemacht und in San Francisco einen älteren Mann getroffen. Im Gespräch sagte er mir, dass er zu gern wissen würde, ob er einmal Alzheimer bekommt oder nicht. Er habe ein schönes Haus am Starnberger See und lebe dort mit seiner Frau. Reisen sei seine Leidenschaft, aber seine Frau reise nicht gerne. Wenn er nun wüsste, ob er gesund bleibe oder nicht, könnte er seinen Lebensabend entsprechend ausrichten. Das war ein Denkanstoß für mich. Ich wusste, dass es Möglichkeiten gibt, das Alzheimer-Risiko zu analysieren, genau wie das Risiko für andere Krankheiten. Daraus habe ich in Australien eine Idee entwickelt. Da war ich schnell in der Gendiagnostik und Pharmakogenomik angelangt - und das ist auch jetzt unser Schwerpunkt. 

DAZ.online: Haben Sie den älteren Herren noch einmal getroffen? 

Seibt: Wir stehen nach wie vor in Kontakt. Ich habe ihn auch zur Eröffnungsfeier unserer Firma eingeladen, aber er war zu dem Zeitpunkt in Namibia. Sonst wäre er vorbei gekommen.  

DAZ.online: Skizzieren Sie kurz den Weg von der ersten Idee bis zum heutigen Tag.

Seibt: 2013 hatte ich die Idee, 2014 habe ich dann mit meiner Kollegin, der Biologin Frau PD Dr. Anke Schiedel, den Businessplan geschrieben. Wir haben dann die Rechtsanwältin Frau Dr. Bettina Mecking ins Gründungsteam geholt - wegen des seinerzeit noch jungen Gendiagnostikgesetzes brauchten wir einfach juristischen Beistand. Wir wollten das Unternehmen ja grundsolide gründen - wissenschaftlich, ethisch und auch rechtlich. Von Australien aus habe ich dann mit meinen beiden Kolleginnen im Juli 2014 die Firma Dr. Seibt Genomics gegründet und später in Bonn vor Ort aufgebaut.  

DAZ.online: Warum ausgerechnet Bonn? 

Seibt: Weil Frau PD Dr. Schiedel und ich gemeinsam in Bonn geforscht haben. Die Räumlichkeiten hier in der Beta Klinik waren schnell gefunden. Die nächste Herausforderung war der Umbau. Wir mussten umfangreiche Umbauarbeiten vornehmen, um ein vollwertiges modernes Labor aufzubauen.  

DAZ.online: Nun sind Sie am Start, acht Mitarbeiter zählen bereits zu Ihrem Team. Was sind die Ziele? Wie viele Genchecks und pharmakogenomische Analysen müssen Sie durchführen, damit sich der Betrieb rentiert? 

Seibt: Unser Ziel ist es, die Lebensqualität der Patienten durch die Pharmakogenomik in der Arzneimitteltherapie zu verbessern und durch die Gendiagnostik Sicherheit und Prävention zu ermöglichen. Die ganz konkreten Geschäftszahlen kann ich nicht nennen. Unsere Preise haben wir fair nach GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) aufgeschlüsselt. Es ist uns extrem wichtig, dass alles transparent und fair ist.  

DAZ.online: Einige Mitbewerber, auch in den USA, gibt es allerdings schon. 

Seibt: Gerade die Pharmakogenomik ist nicht im Markt verbreitet. In den USA gibt es ein großes Unternehmen, die haben aber zwischenzeitlich die Ergebnisse der Genanalysen online veröffentlicht. So etwas geht gar nicht. Datenschutz ist für uns das Wichtigste, denn die eigenen Gen-Daten sind wertvoller als die Nummern Ihrer Kreditkarte. 

DAZ.online: Warum sollten Menschen eine Gen-Analyse machen lassen? 

Seibt: Wir wissen, dass nicht jedes Arzneimittel bei jedem Menschen gleich wirkt. Ärzte und Apotheker wissen, wie wichtig es ist, diese Unterschiede zu kennen. Mit der Pharmkogenomik können wir ermitteln, ob jemand ein rapid, slow oder poor Metabolizer ist. Dazu analysieren wir die DNA, die wir aus einer Speichelprobe entnehmen, in unserem Labor. Wir schauen auf verschiedene Enzyme, die einen erheblichen Grad an Polymorphismen aufweisen. Dabei handelt es sich um genetische Unterschiede, die in der Bevölkerung verbreitet sind. Das sind nicht unbedingt Krankheiten, sondern eben Unterschiede. Wenn man diese aber in Bezug auf die Metabolisierung bestimmter Wirkstoffe betrachtet, wird es interessant. Wir können dann sagen, ob und wie schnell ein bestimmter Wirkstoff durch diesen Menschen verstoffwechselt wird. Diese Erkenntnis kann eine individualisierte, verbesserte Therapie ermöglichen. Es ist zum Beispiel bei einer Brustkrebspatientin wichtig zu wissen, ob Sie das Prodrug Tamoxifen über das Enzym CYP2D6 in seine aktive Form überführen kann. 

DAZ.online: Dr. Schmitt, Sie sind Biologe und für die Analyse und Auswertung der genetischen Daten bei Dr. Seibt Genomics zuständig. Was machen Sie mit diesen Ergebnissen?  

Schmitt: Ein Test dauert meist zwei bis drei Wochen. Im Idealfall wird der Test vor Beginn etwa einer Krebstherapie gemacht, dann kann direkt mit der richtigen Therapie begonnen werden. Der Arzt, der die Beratung des Patienten durchführt, bekommt das entsprechende Ergebnis von uns. Aus unserer Empfehlung kann er den richtigen Wirkstoff und die optimale Dosierung ablesen. Der Patient erhält so die bestmögliche Therapie. Wir beziehen uns bei unseren Empfehlungen immer auf die aktuellen wissenschaftlichen Studien. 

DAZ.online: Was macht Ihr Unternehmen im Bereich der Gendiagnostik? 

Seibt: Wir analysieren ebenfalls die DNA des Menschen und schauen, wie hoch das Risiko für bestimmte Krankheiten ist. Das können einfache Erkrankungen, wie eine Lactose- oder Fructoseintoleranz sein. Wer ein erhöhtes Thromboserisiko hat, kann bei einem längeren Flug gezielt vorbeugen. Zur Sicherheit und Prävention können wir aber auch das Risiko ermitteln, an erblichen Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs zu erkranken. Unsere Ärzte geben Empfehlungen und beraten Sie ausführlich. Wir kümmern uns um unsere Patienten. 

DAZ.online: Werden diese Checks irgendwann zu diagnostischen Standard gehören, so wie Blutdruck- oder Fiebermessungen?  

Schmitt: Das denken und hoffen wir! Und ehrlich gesagt: Das muss es auch, weil es eine deutliche Optimierung für die Therapie darstellt. Manche Wirkstoffe haben starke Nebenwirkungen oder helfen gar nicht. Zusätzlich können damit auch Kosten durch Fehlbehandlungen und daraus resultierende Folgekosten eingespart werden.   

DAZ.online: Sollten dann nicht irgendwann alle Ärzte und Apotheker diese Analysen anbieten? 

Seibt: Ja! Die Folge der Analysen ist ja, dass es den Patienten besser geht und eine Kostenersparnis ergibt sich dadurch meist auch. Mit den privaten Krankenkassen haben wir schon Kontakt aufgenommen. Die gesetzlichen überlegen dies generell. Hier ist es derzeit wohl meist eine Einzelfallentscheidung. 

DAZ.online: Was kostet mich denn der Gencheck?

Seibt: Die Preise beginnen, gemäß GOÄ, bei 88 Euro für einen einfachen Test auf Laktoseintoleranz. Generell richten sich die Preise nach der Komplexität des Checks.


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