Bundesrat zur AMG-Novelle

Ethikkommissionen sollen bei Studien das letzte Wort haben 

Stuttgart - 25.04.2016, 17:30 Uhr

Müssen die Entscheidungen von Ethikkommissionen immer den Ausschlag geben? (Foto: sudok1 / Fotolia)

Müssen die Entscheidungen von Ethikkommissionen immer den Ausschlag geben? (Foto: sudok1 / Fotolia)


Darf eine klinische Studie durchgeführt werden, die von einer Ethikkommission abgelehnt wurde? Der Bundesrat spricht sich gegen umstrittene Änderungen aus, die von der Bundesregierung vorgeschlagen wurden. Außerdem will er die Möglichkeiten zur Verfolgung von Arzneimittelfälschungen ausbauen.

Aufgrund der aktuellen Pläne der Bundesregierung für die anstehende vierte AMG-Novelle sahen die Ethikkommissionen ihre Unabhängigkeit in Gefahr. Die Bundesärztekammer wie auch Gesundheitspolitiker protestierten dagegen, dass die Möglichkeit geschaffen wird, dass BfArM oder Paul-Ehrlich-Institut ein ablehnendes Ethik-Votum in manchen Fällen überstimmen können. Auch für den Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) sei eine Studie ohne Genehmigung einer Ethikkommission „für ein Pharma-Unternehmen völlig unbrauchbar“, wie ein Sprecher gegenüber DAZ.online sagte. Ein Gesetz käme für den Verband nicht in Frage, das dies nicht zwingend vorsieht.

Bei seiner Sitzung am vergangenen Freitag hat sich nun der Bundesrat gegen die geplanten Änderungen ausgesprochen. „Soweit die zuständige Ethik-Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, darf kein zustimmender Bewertungsbericht ergehen“, so die Position der Länderkammer. Dies würde ansonsten auch der Deklaration von Helsinki widersprechen. Sie sieht vor: „Das Studienprotokoll ist vor Studienbeginn zur Erwägung, Stellungnahme, Beratung und Zustimmung der zuständigen Forschungs-Ethikkommission vorzulegen.“

Länder- oder Bundessache?

Die Bundesregierung hatte angegeben, dass nach der neuen EU-Verordnung nur ein Votum abgegeben werden darf und es zu einer verbotenen „Mischverwaltung“ käme, wenn die von den Ländern geregelten Ethikkommissionen eine klinische Studie verhindern können, die von den Bundesoberbehörden befürwortet werden. Dies sieht der Bundesrat deutlich anders – und verweist an anderer Stelle auch auf das Grundgesetz: „Die Länder führen nach Artikel 83 Grundgesetz das Arzneimittelgesetz als eigene Angelegenheit aus“, so die Stellungnahme.

Die Errichtung und Registrierung von Ethikkommissionen sei daher ihre Aufgabe, so dass das Ländergremium auch zwingend mitsprechen will, bevor möglicherweise eine Bundesethikkommission eingerichtet wird. Diese war von der Großen Koalition für den Fall vorgesehen worden, dass die bisherigen Kommissionen überfordert sind – und die Bundesrepublik ihren EU-Verpflichtungen zur Prüfung von Anträgen nicht nachkommen kann.

Qualität und Biostatistik-Expertise

Auch anderen Plänen der Regierung widerspricht der Bundesrat: Wenn zukünftig in einigen Fällen gruppennützige Forschung beispielsweise bei Demenzerkrankten erlaubt wird, die zuvor zugestimmt haben, sollen Ethikkommissionen und nicht die Bundesoberbehörden die Voraussetzungen prüfen. Die Länderkammer will außerdem eine Verpflichtung einführen, dass Ethikkommissionen ein Qualitätssicherungssystem verwenden – und anders als bisher auch einen Biostatistiker unter sich haben müssen.

Joerg Hasford, Vorsitzender des Arbeitskreises Medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland, zeigt sich von den Vorschlägen des Bundesrats gegenüber DAZ.online positiv überrascht. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt er. Die Ethikkommissionen hatten sich zuvor in einem Brief an alle Landesgesundheitsminister gegen die Änderungen der Bundesregierung ausgesprochen.

Wie schon zuvor bekanntgeworden, plädiert die Länderkammer für eine bessere Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen: Die Bundesregierung solle „zeitnah eine gesetzliche Regelung zur Ausweitung der arzneimittelrechtlichen Straftatbestände und Strafbewehrung“ auf den Weg bringen, so die Kammer. Keine Änderungen plant sie für eine weitere Änderung, die Apotheker freuen dürfte: Die AMG-Novelle sieht vor, dass es bei Verordnungen eines direkten Arzt-Patienten-Kontakts bedarf.

Update vom 27.04.2016: Korrektur des Statements des vfa.


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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