Studie

Ein neuronaler Regelkreis lässt Ältere im Stich

Brisbane - 21.04.2016, 07:53 Uhr

Aktive Nervenzelle: Im Alter verfalle, parallel zum Verlust der Verhaltensflexibilität, ein bestimmter neuronaler Pfad, kurz PF-to-CIN genannt, was zu Fehlern bei der Aktivierung von Neuronen des Striatums führe. (Foto: adimas / Fotolia)

Aktive Nervenzelle: Im Alter verfalle, parallel zum Verlust der Verhaltensflexibilität, ein bestimmter neuronaler Pfad, kurz PF-to-CIN genannt, was zu Fehlern bei der Aktivierung von Neuronen des Striatums führe. (Foto: adimas / Fotolia)


„Einem alten Hund kann man keine neuen Tricks beibringen.“ Dieses Sprichwort bestätigen Studien – und viele Senioren sagen selbst: Neues zu lernen fällt mir schwerer als früher. Das berichten sie auch ihrem Apotheker, etwa wenn sie wegen des Rabattvertrags ihrer Krankenkasse ein anders aussehendes Arzneimittel erhalten. Eine Ursache für den Verlust der Lernfähigkeit haben Forscher jetzt ausfindig gemacht.

Weisheiten zur nachlassenden Lernfähigkeit im Alter gibt es tatächlich viele: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ oder auch: „Ein alter Bär lernt nicht tanzen“. Australische Forscher haben dem Phänomen nun bei Mäusen nachgespürt. Der funktionale Verfall eines bestimmten neuronalen Regelkreises im Gehirn mit einer Schlüsselrolle bei zielgerichtetem Lernen ist demnach eine Ursache dafür, dass neue Verhaltensweisen im Alter schwerer fallen.

Lebewesen entwickeln zielgerichtete Handlungen, um ihre Grundbedürfnisse zu stillen. Wenn sich Umweltbedingungen ändern, kann es nötig sein, diese Strategien anzupassen – also die bisher günstigen Handlungen abzuwandeln oder ganz neue zu erlernen. Die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auszuwählen, hängt von einer Striatum genannten Hirnregion ab. Sie liegt in der Basis jeder Großhirnhälfte seitlich des Thalamus und ist für Planung und Entscheidungsfindung bedeutsam.

Verfall eines bestimmten neuronalen Pfads

Unklar sei bislang gewesen, ob die altersbedingte Minderung der Striatum-Funktion zielgerichtetes Lernen von vornherein erschwert oder ob es verhindert, dass Erlerntes angesichts neuer Umweltanforderungen aktualisiert wird, erläutern die Forscher im Fachjournal „Neuron“. Um dies zu untersuchen, setzte das Team um Miriam Matamales und Jesus Bertran-Gonzalez von der University of Queensland in Brisbane Mäuse in jungem oder fortgeschrittenem Alter in eine Kammer und trainierte sie darauf, mit ihrem Schnäuzchen zwei Hebel zu drücken: einen für normale und einen für gesüßte Getreidepellets.

Dann wurden die Tiere in eine zweite Box gesetzt, in der sie eine Stunde lang unbegrenzten Zugang zu den Pellets hatten – allerdings nur zu einer Sorte. Direkt danach wurden die Mäuse wieder in ihre ursprüngliche Kammer verfrachtet, wo sie wie gehabt zwischen beiden Geschmacksrichtungen wählen konnten. Sowohl die jungen als auch die alten Mäuse waren der eine Stunde verfügbaren Pellets überdrüssig und drückten lieber den Hebel für die andere Sorte.

Nun begannen die Forscher den eigentlichen Test: Sie vertauschten die Futtertypen der beiden Hebel. Junge Mäuse kapierten das schnell und wählten rasch wieder korrekt die gewünschte der beiden Möglichkeiten. Die Senioren aber kamen durcheinander und drückten verwirrt beide Hebel gleich häufig.

Parallel zum Verlust der Verhaltensflexibilität verfalle ein bestimmter neuronaler Pfad, kurz PF-to-CIN genannt, was zu Fehlern bei der Aktivierung von Neuronen des Striatums führe, schreiben die Forscher. Wurde dieser Pfad bei jungen Mäusen mit einem Wirkstoff unterbrochen, entwickelten sie die für ältere Artgenossen typischen Anpassungsdefizite. Durch die fehlerhafte Aktivierung überlagert sich demnach neu und einst Erlerntes bei alten Mäusen. In der Folge schaffen es die Tiere nicht, in Reaktion auf eine veränderte Umwelt die am besten passende Handlung zu wählen – sie agieren verwirrt.

Es geht schon, nur vielleicht langsamer

Untersuchungen zur Flexibilität habe es zuvor bereits für Navigation und räumliches Erinnerungsvermögen gegeben, erklärt Bertran-Gonzalez. Mit der Studie werde ein ähnliches Problem nun für zielgerichtete Aktionen gezeigt, bei denen die nachteiligen Folgen für das alltägliche Leben und auch die Überlebensfähigkeit weit größer seien. „Das Flexibilitätsproblem könnte ein erster Schritt sein, der zu einer deutlichen Motivationsverminderung führt und, in einigen Fällen, die Saat legt für kognitive Probleme und Demenz.“ Weitere Analysen dazu sollen nun folgen.

So düster die Ergebnisse klingen, Studien haben in der Vergangenheit auch gezeigt: Das Gehirn ist kein unveränderlicher Bau, an dem unablässig der Zahn der Zeit nagt. Auch bei Erwachsenen werden neue Nervenzellen gebildet und dies auch im Areal für Lernen und Gedächtnisbildung. Ältere mögen zum Beispiel etwas länger brauchen, jonglieren zu lernen, zu schaffen ist das aber sehr wohl. Zudem hat der Lebenswandel großen Einfluss auf den Erhalt geistiger Beweglichkeit.


Annett Stein, dpa Wissenschaftsredaktion
redaktion@daz.online


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