AOK Rheinland/Hamburg

AVWL gibt bei Standard- und Spezialnahrung nicht nach

Berlin - 15.04.2016, 16:00 Uhr

Die AOK Rheinland Hamburg findet die bisheringe Vergütung der Apotheken für Spezialnahrung zu hoch. (Foto: AOK Rheinland-Hamburg)

Die AOK Rheinland Hamburg findet die bisheringe Vergütung der Apotheken für Spezialnahrung zu hoch. (Foto: AOK Rheinland-Hamburg)


Der neue Vertrag der AOK Rheinland/Hamburg zur Versorgung mit Standard- und Spezialnahrung, dem jeder Anbieter zu den Bedingungen der Kasse beitreten kann, sorgt auch bei den Apotheken in Westfalen-Lippe für Ärger. Der Apothekerverband hat jetzt juristische Schritte gegen die Kasse angekündigt. 

Seit 1. April hat die AOK Rheinland/Hamburg einen Hilfsmittelliefervertrag nach § 127 Abs. 2 SGB V zur Versorgung mit Standard- und Spezialnahrung. Ihm können alle Leistungserbringer, zum Beispiel Apotheken und Sanitätshäuser, beitreten. Der neue Vertrag löst aus Sicht der Kasse die vorher geltenden Regelungen in den Arzneilieferverträgen ab. Der wesentliche Unterschied des neuen Vertrags zu den bisherigen Regelungen ist die Vergütung. Sie soll nun 17 Prozent unter dem Lauer-EK liegen. Die zuvor herangezogenen Bestimmungen in den Arzneilieferverträgen Hamburgs und NRWs erklärte die AOK für nichtig – mit der Folge, dass sie sich nicht verpflichtet sah, den Vertrag zu kündigen. Vielmehr sollten die Vertragspartner einer Änderung des Vertrags zustimmen – und die Regelung zu Standard- und Spezialnahrung streichen.

Sozialgerichte eingeschaltet

Der Hamburger Apothekerverein hat gegen dieses Vorgehen bereits aufbegehrt – er geht davon aus, dass für Apotheken die Regelung zur Versorgung mit Standard- und Spezialnahrung im Arzneiliefervertrag weitergilt und hat bereits ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gegen die Kasse eingeleitet. Vor dem Sozialgericht dauern solche „Eilverfahren“ allerdings etwas länger, als man es im Zivilrecht gewohnt ist.

Nun folgt der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL). Hier hatte man zunächst abwarten wollen, wie die Kasse auf Genehmigungsanträge  der Apotheken reagiert, die eine Vergütung nach dem Arzneiliefervertrag NRW vorsehen. Nun gab es die ersten Rückmeldungen von Apotheken: Die Kasse verweigerte die Genehmigung.

Schwintek: Unhaltbare Rechtauffassung der AOK

AVWL-Geschäftsführer und Jurist Dr. Sebastian Schwintek hält die dahinterstehende Rechtsauffassung der AOK Rheinland/Hamburg für „unhaltbar“. Seit vielen Jahren würden die entsprechenden Bestimmungen des Arzneiliefervertrags, der für ganz NRW und alle Primärkassen gilt, problemlos praktiziert. Und gekündigt wurde er seitens der AOK ebenfalls nicht. Schwintek ist überzeugt, dass ein Beitrittsvertrag wie der hier streitige den Arzneiliefervertrag nicht verdrängen könne. 

Der Verband will die AOK Rheinland/Hamburg nun mit einer einstweiligen Anordnung des zuständigen Sozialgerichts verpflichten, die entsprechenden Genehmigungsanträge zu bewilligen und zu den aus seiner Sicht noch geltenden Konditionen abzurechnen. Das Verhalten der rheinischen AOK habe bei Patienten und Angehörigen für erhebliche Irritationen und Verunsicherung gesorgt, beklagt der AVWL. Denn die bekannten Versorgungswege mit Spezialnahrung für Schwerstkranke über die Apotheke seien faktisch abgeschnitten.

Ministerium soll einschreiten

Der Apothekerverband hat angekündigt, auch das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium als zuständige Landesversicherungsaufsicht einzuschalten. Schließlich ignoriere die AOK Rheinland/Hamburg nicht zum ersten Mal bestehende Verträge und geltendes Recht, um den Apotheken neue Vertragsbedingungen zu diktieren, so der für Vertragsfragen zuständige stellvertretende AVWL-Vorsitzende Thomas Rochell. So habe sie schon 2014 das  Beitrittsrecht des AVWL zu einem Vertrag des Hamburger Apothekervereins ignoriert und erst über den Rechtsweg eingelenkt.

AOK: Keine Versichertenbeschwerden

Die AOK Rheinland/Hamburg ist hingegen überzeugt: „Die reibungslose und qualitativ hochwertige Versorgung unserer Versicherten ist nach wie vor uneingeschränkt sichergestellt.“ Es bestehe absolute Liefersicherheit bei gleicher Qualität. Lediglich der Lieferant ändere sich für die Versicherten. Jeder Betroffene habe ein persönliches Schreiben erhalten, in dem über den aktuellen Sachverhalt informiert wurde. Über eine kostenfreie Hotline würden überdies Fragen beantwortet individuell beraten. Zwischenfälle oder Beschwerden seitens der Versicherten habe es bisher nicht gegeben.

Wirtschaftlichkeit muss sein

Die AOK räumt ein, dass der Vertrag eine niedrigere Vergütung vorsieht. Als gesetzliche Krankenversicherung mit rund 2,9 Millionen Versicherten im Rheinland und in Hamburg sei sie aber zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet. „Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass unsere Versicherten die qualitativ höchste Leistung zum besten Preis erhalten. Genau dieses Prinzip greift auch in diesem Fall: gleiche Leistung, zum besten Preis“, heißt es in einem Statement der Kasse. Und weiter: „Natürlich können wir verstehen, dass auf der anderen Seite jemand, der bisher einen hohen Preis erzielen konnte, nun enttäuscht ist, weil er möglicherweise durch einen anderen unterboten wurde“. Doch es gehe schließlich um Versichertengelder. 

Schließlich verweist die Kasse darauf, dass der Apothekerverband Nordrhein dem neuen Vertrag beigetreten sei und die neuen Konditionen in der Lauertaxe hinterlegt habe. Auch in Hamburg seien schon mehrere Apotheken dem neuen Vertrag beigetreten. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Wehret den Anfängen

von Barbara Buschow am 15.04.2016 um 18:53 Uhr

„Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass unsere Versicherten die qualitativ höchste Leistung zum besten Preis erhalten..."
Was kommt als nächstes? 0 € ist auch ein guter Preis!

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