Geld-zurück-Garantie

Roche will neues Preismodell auf Kadcyla und Avastin ausweiten

Basel - 08.04.2016, 15:30 Uhr


Der Schweizer Pharmakonzern bietet nun auch den britischen Gesundheitsbehörden ein flexibles Vergütungssystem für seine Krebsmittel Kadcyla und Avastin an. Die Bezahlung soll an den Erfolg für die Patienten gekoppelt sein. Ein Modell für andere Unternehmen und Länder? 

Der Baseler Pharmariese Roche zeigt sich weiter experimentierfreudig bei der Vermarktung seiner Arzneimittel. Im Fall des Brustkrebsmittels Kadcyla und des gegen verschiedene Tumorentitäten eingesetzten Avastin erwägt der Konzern, in Großbritannien die Vergütung an den Erfolg der Behandlung zu knüpfen. Dies berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Berufung auf den britischen Roche-Landeschef Richard Erwin. Möglich sei eine Art „Geld-zurück-Garantie“, falls bei den Patienten trotz Behandlung mit Roche-Medikamenten keine Besserung eintreten sollte, so Erwin. Zudem sei auch denkbar, dass Roche auf einen Teil der Behandlungskosten verzichte, wenn es notwendig sei, die Krebsmedikamente über lange Zeit einzunehmen.

Hintergrund ist ein Streit über hohe Preise für Krebsmittel. Die britische Gesundheitsbehörde NICE hatte im Herbst 2015 entschieden, zahlreiche Krebsmittel vorerst nicht mehr zu vergüten, darunter die beiden Roche-Arzneien. Eine Behandlung mit Avastin kann einige Zehntausend Euro kosten. Bereits in den vergangenen Jahren hatte die NICE Avastin mehrmals zurückgewiesen.

Weltweite Erprobung

Um die von dem britischen Bann betroffenen Arzneien doch noch auf der Insel vermarkten zu können, will der Konzern mit dem erfolgsabhängigen Bezahlmodell nun einlenken. Eine ähnliche Strategie verfolgt das Unternehmen bereits in anderen Ländern. Eine Sprecherin erklärte gegenüber DAZ online: „Roche erprobt weltweit innovative Preis- und Zugangsmodelle, die individuell auf das jeweilige Gesundheitssystem abgestimmt sind. Ziel ist es, allen Patienten, die unsere Medikamente benötigen, Zugang zu gewähren.“

Nach Informationen der Schweizer „Handelszeitung“ übernimmt Roche in Deutschland seit 2007 einen Teil der Behandlungskosten, wenn Patienten eine hohe Dosis Avastin erhalten. In Italien habe der Konzern bereits vor Jahren einen „Pay-for-Performance-Vertrag“ mit der Arzneimittelbehörde geschlossen. In Fällen, in denen das Roche-Medikament nicht hilft, gebe es eine komplette Rückerstattung. Auch in Frankreich hätten die Basler erste Versuche in diese Richtung gestartet.

Das Konzept von personalisierten Erstattungsmodellen in Europa sieht nach Angaben von Roche eine Preisdifferenzierung nach Indikation, Kombination oder nach Ansprechen vor. „Im ersten Fall richtet sich der Preis eines Arzneimittels nach seinem Nutzen in verschiedenen Indikationen, im zweiten Fall nach dem Nutzen einer Kombinationstherapie. Im dritten Fall orientiert sich der Erstattungsbetrag am Ansprechen des Patienten innerhalb einer bestimmten Frist“, so die Konzernsprecherin. 

Ähnliches Modell bei Novartis in den USA

Auch Novartis hat sich mit zwei US-Krankenkassen in den USA auf ein Pay-for-Performance -Preismodell für seinen Hoffnungsträger, das Herzmittel Entresto, geeinigt. Hier soll die Vergütung für den Pharmakonzern ebenfalls an den Behandlungserfolg gekoppelt werden. Novartis möchte nach eigener Aussage mit dem neuen Preismodell, einerseits Herzkranken einen Zugang zu innovativen Medikamenten zu gewähren und andererseits die Kosten für die Patienten vermindern.

Bei Entresto handelt es sich wohl um eine der wichtigsten Markteinführungen von Novartis im vergangenen Jahr. Analysten schätzen das Umsatzpotenzial des Herzmedikaments auf bis zu 5 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Bislang vermochte der Konzern die hohen Erwartungen mit Entresto jedoch noch nicht erfüllen. Wegen der zunächst fehlenden Rückerstattung des Kaufpreises durch die Krankenkassen verlief der Verkaufsstart in den USA zäh. Dies könnte sich nun ändern.

BAH: Vertragswettbewerb fördern

Diese für die Pharmabranche ungewöhnliche Art der Vergütung von Arzneimitteln bringt Bewegung in die Branche. So erklärte Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), auf Anfrage: „Der BAH begrüßt grundsätzlich Möglichkeiten, den Vertragswettbewerb um eine optimale Patientenversorgung zu fördern. Eine Möglichkeit hierzu stellen Pay-for-Performance-Verträge dar.“

Zurückhaltender äußerte sich der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie: „Pay for Performance ist nur erfolgreich, wenn als Ergebnisindikator zu messen ist, was als Ziel intendiert ist, nämlich eine bessere Versorgungsqualität beim Patienten. Da zur Messung von Versorgungsqualität noch kein wissenschaftlicher Konsens besteht, sehen wir nicht, dass es auf das Gesundheitssystem in Deutschland zu übertragen ist.“ Allerdings räumte eine BPI-Sprecherin ein, dass es jedem Unternehmen unbenommen bliebe, freiwillig entsprechende individuelle Vereinbarungen einzugehen.

GKV Spitzenverband: Individuelle Lösungen möglich

Nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes gibt es in Deutschland für einzelne gesetzliche Krankenkassen durchaus die Möglichkeit, in Verträgen mit Pharmaherstellern eine Erstattung in Abhängigkeit vom Therapieerfolg zu vereinbaren.

Bei Rabattverträgen mit Pay-for-Performance-Klausel liegt die Herausforderung nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes in der Definition des Behandlungserfolges und dessen Überprüfung. Damit verbunden sei ein notwendiges Verfahren zur Übermittlung und Analyse von Patientendaten zwischen der Kasse und dem Hersteller. Unter Umständen müssten auch Daten von Ärzten und Apothekern eingebunden werden.

Weitaus enger als für Einzelkassen seien im Übrigen die gesetzlichen und rahmenvertraglichen Kriterien bei den Verhandlungen über Erstattungsbeträgen. Hier spielten der Zusatznutzen, die Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel und die tatsächlichen Abgabepreise in anderen europäischen Ländern die entscheidende Rolle. Gerade letzteres Kriterium werde aber durch vertrauliche Rabattvereinbarungen wie die Pay for Performance-Vereinbarung von Roche ad absurdum geführt. Dem GKV-Spitzenverband seien die tatsächlichen Abgabepreise dann nicht mehr bekannt. Zudem habe der Hersteller keinen Anreiz, entsprechende Angaben zu liefern.


Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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