Interview

Scheidender Merck-Chef sieht Healthcare-Geschäft gut aufgestellt

Darmstadt - 01.04.2016, 10:55 Uhr

Karl-Ludwig Kley bei der Präsentation des neuen Markenauftritts des Pharmaunternehmens - der übrigens durchaus geteilte Reaktionen auslöste. (Foto: Unternehmen)

Karl-Ludwig Kley bei der Präsentation des neuen Markenauftritts des Pharmaunternehmens - der übrigens durchaus geteilte Reaktionen auslöste. (Foto: Unternehmen)


Ende April tritt Karl-Ludwig Kley (64) als Chef des Darmstädter Pharma- und Chemiekonzerns Merck KGaA ab. Er hat dem Dax-Konzern zu neuem Glanz verholfen, doch im Rückblick auf seine neunjährige Amtszeit räumt er gegenüber dem Handelsblatt auch Versäumnisse ein.

Die Bilanz von Karl-Ludwig Kley (64) als Chef der Merck KGaA kann sich sehen lassen: In seiner rund neunjährigen Amtszeit hat er das Unternehmen auf die Bereiche Pharma, Spezialchemie und Life Science fokussiert und nach eigenen Worten aus einem „etwas altmodischen Pharma- und Chemiekonzern von einst ein modernes Wissenschafts- und Technologieunternehmen gemacht.“ Der Umsatz hat sich von sieben auf 13 Milliarden Euro fast verdoppelt. Der Aktienkurs stieg seit 2007 von zirka 40 Euro auf knapp 80 Euro.

Im Interview mit dem Handelsblatt begründete Kley den durch ihn geleiteten radikalen Umbau des Konzerns damit, dass Merck in vielen Bereichen zu klein gewesen sei, sowohl in der Spezialchemie als auch im Pharmabereich. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Merck „hat einfach keine eigenen Medikamente mehr zur Marktreife gebracht“, so Kley. „Wir standen finanziell zwar nicht schlecht da, aber die Zukunftsfähigkeit der Firma sah lange nicht so rosarot aus wie die damalige Gegenwart.“

Keine weiteren Zukäufe

Wenngleich der Umsatz und der Börsenwert des Konzerns stark zugelegt haben, gibt es bislang noch keine neuen Arzneimittel von Merck. Kley räumte ein, in der ersten Phase des Umbaus die Chance in der Arzneimittelentwicklung nicht genutzt zu haben. „Dafür übernehme ich auch die Verantwortung.“ Er sei sich aber sicher, dass sich das bald ändern werde. Das Healthcare-Geschäft von Merck werde heute wesentlich professioneller geführt. Zudem zeige das wichtigste Pipelineprojekt, das Krebsmedikament Avelumab, in den klinischen Studien sehr vielversprechende Ergebnisse.

Weiteren Zukäufen in der Pharmasparte erteilte Kley eine Absage. Vielmehr gehe es jetzt darum, die interne Arzneimittelentwicklung weiter voranzutreiben und zu optimieren. Mit Blick auf die milliardenschweren Zukäufe in der Branche fügte er hinzu, dass Geschäftsmodelle ohne eigene Forschung, die nur auf Übernahmen und anschließenden Preiserhöhungen setzten, nicht das seien, was er unter verantwortungsvoller Unternehmensführung verstehe. Anstatt in andere Unternehmen investiert Merck nach Kleys Worten derzeit bis 2020 eine Milliarde Euro am Standort Darmstadt.

Kritik am Gesundheitssystem

Kritik übte Kley in dem Handelsblatt-Gespräch am deutschen Gesundheitssystem. Dies sei „viel zu komplex und unbeweglich geworden“. Er würde sich wünschen, dass alle Beteiligten, Politik, Ärzte, Kassen und auch die Pharmaindustrie, aus ihren Schützengräben herauskommen. Kley: „Wir müssen eine Debatte führen, wie wir weiter Innovationen ermöglichen und da, wo keine sind, effizienter werden, um die Qualität der Versorgung insgesamt zu verbessern. Es darf nicht allein um Kostenaspekte gehen, sondern auch darum, Ärzten wieder Zeit zu geben, sich intensiv mit den Patienten auseinanderzusetzen. Nur auf die Kosten zu blicken ist so, als würden Sie beim Dreisprung nach dem ersten Satz abbrechen.“

Kleys´ Karriere

Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann bei Siemens sowie Stationen bei Bayer und im Lufthansa-Vorstand wechselte Karl-Ludwig Kley (64) im April 2007 an die Spitze des Dax-Unternehmen Merck KGaA. Mit milliardenschweren Zukäufen und der Konzentration auf drei Geschäftsfelder brachte der Jurist den schwächelnden Pharma- und Chemiekonzern wieder auf Kurs. Ende April 2016 wird er von Stefan Oschmann als Vorsitzender der Geschäftsleitung und CEO von Merck abgelöst. Kley kandidiert als Nachfolger von Werner Wenning für den Aufsichtsratsvorsitz des Energieversorgers Eon.


ts / DAZ.online
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