3D-Pharmakotherapie 

Pillen aus dem Drucker

31.03.2016, 10:30 Uhr

Schöne, neue 3D-Welt: Apotheker sollen maßgeschneiderte Arzneimittel drucken können. (Foto: Veniamin Bibikov / Fotolia)

Schöne, neue 3D-Welt: Apotheker sollen maßgeschneiderte Arzneimittel drucken können. (Foto: Veniamin Bibikov / Fotolia)


„One size fits all“ war gestern. Mit dreidimensionalen Druckverfahren gelingt es Apothekern vielleicht schon bald, Dosis und Galenik individuell anzupassen. Auch die Forschung profitiert von 3D-Techniken. Ein Überblick. 

In der Chirurgie haben 3D-Drucker ihre Feuertaufe längst überstanden. Ärzte und Ingenieure stellen per Bildgebung digitale Modelle eines Implantats her, das sie über dreidimensionale Druckverfahren Schicht für Schicht aufbauen. Wie „ABC News“ berichtet, gelang es australischen Chirurgen kürzlich, den ersten künstlich hergestellten Wirbel einzusetzen.

Neben Implantaten befassen sich Forscher mit künstlichen Geweben. Komplexe biologische Strukturen entstehen aus Polysacchariden und Proteinen im Bioprinter. Selbst lebende Strukturen scheinen zum Greifen nahe. Bislang stand die Pharmakotherapie jedoch kaum im Fokus. Das könnte sich bald ändern, wie mehrere Projekte zeigen. 

Dosierung nach Maß

Um Therapien zu optimieren, kommt der Arzneistoffmenge eine zentrale Rolle zu. Heute sind die Möglichkeiten, individuell zu verordnen, bei festen Arzneiformen stark eingeschränkt. Es bleibt beim Teilen von Tabletten oder bei patientenindividuellen, aufwendigen Rezepturen. Eine Vision: Ärzte oder Apotheker ermitteln die ideale Dosierung für jeden Patienten. Sie berücksichtigen dessen Geschlecht, Körpergewicht, Alter, Nierenfunktion sowie individuelle genetische Merkmale.

Alle Daten gehen an 3D-Drucker in der Apotheke, und bald darauf entsteht ein maßgeschneidertes Präparat. Das Konzept ist in greifbare Nähe gerückt. Mitte 2015 hatte die Food and Drug Administration grünes Licht für das erste per 3D-Druck hergestellte Arzneimittel erteilt. Spritam®, ein Levetiracetam-haltiges Antiepileptikum, wird über die ZipDose-Technologie aufgebaut. Printer tragen mehrere Schichten wirkstoffhaltiger Pulvermischungen auf und verkleben diese. Beim Prozess entstehen poröse, leicht lösliche Tabletten mit individueller Wirkstoffmenge. Wie der Hersteller Aprecia Pharmaceuticals berichtet, lassen sich per ZipDose bis zu 1.000 Milligramm einer aktiven Substanz pro Tablette verarbeiten. 

(Foto: Aprecia Pharmaceuticals)

Mit dem ZipDose-Verfahren 3D-gedruckte Tabletten.

Galenik per Mausklick

Neben der Wirkstoffart und -menge kommen galenische Eigenschaften zum Tragen. Bislang war das Spektrum je nach Präparat mehr oder minder überschaubar. Über 3D-Verfahren könnten Ärzte, Apotheker und Patienten künftig gemeinsam die richtige Darreichungsform wählen – beispielsweise Sublingual- oder Brausetabletten. Retardierte Formulierungen lassen sich ebenfalls produzieren. Um die Freisetzung zeitlich zu steuern, eignen sich Bindemittel, die die Geräte auf wirkstoffhaltige Schichten drucken. Neben Pulvermischungen haben sich wirkstoffhaltige Tinten bewährt, wie die University of Central Lancashire (UCLan) berichtet. Per 3D-Druck entstehen beispielsweise individuelle, Theophyllin-haltige Arzneimittel. 

Die Forschung optimieren

Dreidimensionale Systeme eignen sich nicht nur für innovative Präparate, sondern auch für die Grundlagenforschung. Hier spielen Bioprinter ihre Stärken aus, um Oberflächen mit menschlichen Zellen zu beschichten. Organ-on-a-chip-Systeme simulieren Stoffwechselvorgänge unter realen, reproduzierbaren Bedingungen. Mit Lung-on-a-chip-Modellen testen Forscher nicht nur pulmonale Arzneistoffe, sondern untersuchen Entzündungen oder Infektionen. Heart-on-a-chip-Systeme arbeiten mit Herzmuskelzellen, Kidney-on-a-chip-Systeme mit Nephronen, und Artery-on-a-chip-Systeme mit kleinen Blutgefäßen. 


Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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