Patientendaten

Gefährlicher Schatz

München - 30.03.2016, 08:30 Uhr

Je fitter, desto besser: Auch für die Krankenkasse? (Foto: Sergey Nivens / Fotolia)

Je fitter, desto besser: Auch für die Krankenkasse? (Foto: Sergey Nivens / Fotolia)


Krankenversicherungen versuchen, über neue Technologien an Patientendaten zu gelangen. Über „Big Data“ könnten sie Risiken besser abbilden. Dagegen regt sich zunehmend Widerstand. Es wird Zeit für gesetzliche Regelungen.  

Die Generali Deutschland AG bietet schon ab 1. Juli „Vitality“-Versicherungsprodukte mit Telematik-Schnittstelle an. Kunden können die neue Option bei ihrer Risikolebensversicherung oder ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung wählen. Private Krankenversicherungen folgen später.  

„In jedermanns Interesse“ 

Wie Generali berichtet, ermitteln Kunden gleich zu Beginn ihre individuellen Gesundheits- und Fitnesslevels. Anschließend definieren sie Ziele, die sie mit „Vitality“ erreichen wollen, und geben der Versicherung per App Rückmeldung. Haben Kunden Erfolg, steigen sie über ein Bonussystem im Status der Versicherung. Wer sich bewegt, Vorsorgeuntersuchungen wahrnimmt und auf gesunde Ernährung achtet, erhält Punkte. Dafür gibt es letztlich Rabatte oder Gutscheine für unterschiedliche Dienstleistungen.

„Ein Programm wie Vitality ist in jedermanns Interesse“, sagt Giovanni Liverani, Vorstandsvorsitzender der Generali Deutschland Holding AG. „Es motiviert die Menschen, gesünder zu leben. Und sie leben nun einmal besser, wenn sie weniger Fett essen, Sport machen und nicht rauchen. Dann sinken auch die allgemeinen Gesundheitskosten.“ 

Vorteile und Nachteile abwägen

Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht hier einen generellen Trend: „Immer mehr Krankenkassen zeigen Interesse am Einsatz derartiger Anwendungen.“ Usern rät sie, bei Gesundheits- oder Fitness-Apps „nicht unbedacht mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und die kurzfristigen finanziellen Vorteile, welche die Datenoffenbarung vielleicht mit sich bringt, gegen die langfristigen Gefahren abzuwägen.“ Prognosen könnten, unabhängig davon, ob sie zutreffen oder nicht, dazu genutzt werden, um Risikozuschläge zu berechnen. Neben privaten Krankenversicherungen ist auch bei gesetzlichen Krankenkassen ein wachsendes Interesse an Patientendaten zu beobachten. 

Daten statt Lifestyle 

Zwar bewertet Jens Baas, Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse (TK), „Vitality“ gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ als „Kardinalfehler“. Er sei „strikt dagegen, Tarife mit gesundheitsbewusstem Verhalten zu verknüpfen“. Die Strategie würde vielleicht kurzfristig mehr Kunden anziehen, aber langfristig zu mehr Misstrauen führen.

Trotzdem hat die TK Strategien in der Schublade, um an wertvolle Daten zu kommen. Baas hofft auf elektronische Patientenakten mit allen relevanten Informationen – von Diagnosen über Medikationen bis hin zu Daten diverser Fitnesstracker. Als Dienstleister bringt er Krankenkassen ins Gespräch. Sein Hintergedanke: Aus „Big Data“ lassen sich wertvolle Zusatzinformationen gewinnen, etwa Prognosen zum gesundheitlichen Risiko. „Oder: Wir wissen, dass der Versicherte eine Depression hat, und stellen auf einmal fest, dass seine Bewegungsmuster auffällig werden. Dann können wir ihm vorschlagen, zum Arzt zu gehen“, so Baas weiter. Schöne neue Welt? 

Versicherte schützen

Datenschützer und Politiker sind alarmiert. „Die Mitglieder gesetzlicher Kassen sind durch Gesetz vor der unbedachten Preisgabe sensibler Daten und den damit verbundenen unabsehbaren Folgen geschützt. Der Gesetzgeber sollte erwägen, diesen Schutz auch den Versicherten privater Kassen zu gewähren“, fordert Andrea Voßhoff. Als Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit warnt sie schon lange vor möglichen Gefahren. Ihre Botschaft kommt bei Regierungsvertretern langsam an. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schreibt im „Donaukurier“ von einem „schmalen Grat“ zwischen Chancen und Risiken.

Er will prüfen, ob sich die Verwendung bestimmter Gesundheitsdaten auf Grundlage des neuen EU-Datenschutzrechts einschränken lässt. Maas: „Niemand darf faktisch dazu gezwungen werden, so intime Daten wie die Herzfrequenz, die Geschwindigkeit beim Joggen oder die Häufigkeit des Trainings im Fitnessstudio zu veröffentlichen.“


Michael van den Heuvel, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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