Verspätete Rezeptvorlage

Apotheke zahlt für Poststreik

Stuttgart - 30.03.2016, 12:45 Uhr

Während des Poststreiks blieben viele Briefe liegen und wurden verspätet zugestellt. (Foto: bierwirm / Fotolia)

Während des Poststreiks blieben viele Briefe liegen und wurden verspätet zugestellt. (Foto: bierwirm / Fotolia)


Während des Poststreiks 2015 wurden Millionen von Briefen verzögert zugestellt. Auch auf dem Postweg versandte Rezepte trafen erst nach Ablauf der Gültigkeit in der Apotheke ein. Im folgenden Fall war der Dumme am Ende die Apotheke: Sie wurde trotz Vermerk über die besonderen Umstände retaxiert.

Laut § 4 Abs. 6 des Arzneiversorgungsvertrags mit den Ersatzkassen (vdek) dürfen verordnete Arzneimittel „nur abgegeben werden, wenn die Verordnung innerhalb von einem Monat nach Ausstellung der Verordnung in der Apotheke vorgelegt wird". Wird trotz verspäteter Vorlage beliefert, führt das zur Retaxation. Dass Rechenzentren hier offensichtlich auch unter besonderen Umständen keine Ausnahme machen, zeigt der folgende Retaxfall, über den das Deutsche Apothekenportal (DAP) berichtet.

Abgabe nach telefonischer Rücksprache

Als im Sommer 2015 die Post streikte, mussten zahlreiche Postkunden auf ihre Sendungen warten. So auch eine Apotheke auf ein Rezept über eine Dreier-Packung Ultibro® Breezhaler. Da die Postsendung ausblieb, der Patient das Mittel aber brauchte, wurde das Arzneimittel nach telefonischer Rücksprache mit der Arztpraxis abgegeben.

Nach §4 der Arzneimittelverschreibungsverordnung ein legitimes Vorgehen. Der Paragraf besagt nämlich: „Erlaubt die Anwendung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels keinen Aufschub, kann die verschreibende Person den Apotheker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten. […] Die verschreibende Person hat dem Apotheker die Verschreibung in schriftlicher oder elektronischer Form unverzüglich nachzureichen.“

Leider traf aufgrund des Poststreiks das Rezept erst in der Apotheke ein, als die Frist „ein Monat nach Ausstellung“ für die Vorlage schon abgelaufen war. Die Apotheke reichte das Rezept trotzdem ein – mit folgendem Vermerk: „Rezepteingang Apotheke 17.07.15. Verspäteter Rezepteingang wegen Poststreik!“.

Foto: DAP

Retax trotz der besonderen Umstände

Die Erstattung wurde von der Krankenkasse verweigert, mit der Begründung: „Die Verordnung wurde nicht innerhalb eines Monats nach Ausstellung beliefert (§ 4 Abs. 6 AVV)“.

Zwar regelt der vdek-Vertrag in § 4 Abs. 6 nicht, wie in der Retaxbegründung beanstandet, die Belieferungs- oder Abgabefrist, sondern die Vorlagefrist. Aber eben die Vorlage erfolgte in diesem Fall zu spät. Dies war ja auch auf der Verordnung vermerkt worden. Der Retax war daher grundsätzlich vertragsgemäß.

Da aber die verspätete Vorlage nicht von der Apotheke verschuldet, sondern durch höhere Gewalt – den Poststreik – verursacht war und die Umstände auch bundesweit bekannt waren, ist das DAP der Auffassung, dass Krankenkassen von derartigen Retaxationen absehen sollten. Auch wenn sie, wie in diesem Fall, vertraglich begründbar sind. Nach Ansicht des DAP sollte der Krankenkasse die von der Apotheke abgegebene Erklärung ausreichen.

Der zuständige Apothekerverband hat für sein Verbandsmitglied Einspruch erhoben. Für die Apotheke bleibe zu hoffen, dass dem stattgeben wird.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Neues vom Retaxxer

von Andreas P. Schenkel am 02.04.2016 um 12:16 Uhr

Bisher konnte stets mit einer stichhaltigen Begründung über die Nichteinhaltung der einmonatigen Vorlege-Frist eine Retaxation verhindert werden, wenn die Begründung plausible äußere Umstände als Grund anführte, die außerhalb des Wirk- und Machtbereichs der Apotheke lagen. Dieses neue Verhalten der Krankenkasse jedoch ist eine dreiste Überschreitung jeglicher Anstandsgrenzen, wieder einmal. Ich glaub', es hackt!

Alleine die Tatsache, dass fachfremde Investitions-Gesellschaften nun die GKV-Ausgründungen der Retaxationsunternehmen aufkaufen, um Rendite zu erzielen, zeigt uns allen, dass es den Retaxxern nicht mehr darum geht, dass korrekt abgerechnet wird. Es geht nur noch um ungerechtfertigte Bereicherung im möglichst großen Maßstab. Hic sunt Heuschrecken!

Und umm die Gierschlunde künftig in's Leere laufen zu lassen: In solchen Fälle künftig immer den Zeitpunkt der "fernmündliche[n] Unterrichtung" durch "die verschreibende Person" als Vorlagedatum angeben und aufdrucken, denn die Abgabe startet ja aufgrund des Telefonats mit dem verordnenden Arzt. Die verspätete Bedruckung des verzögert zugegangenen Rezepts ist nur noch ein winziger Teilaspekt des Abgabevorgangs, der wesentliche Teil, also die Versorgung des Patienten, ist ja schon am Tag des Telefonats "gelaufen", mithin ist dies der Tag der "mündlichen Vorab-Vorlage" nach § 4 AMVV.

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