Österreich

Schutz der ärztlichen Hausapotheken bedroht die Apotheke auf dem Land

Remagen - 24.03.2016, 08:20 Uhr

Mag. pharm. Max Wellan kritisiert Schnellschuss des österreichischen Gesundheitsressorts. (Foto: as / DAZ.online)

Mag. pharm. Max Wellan kritisiert Schnellschuss des österreichischen Gesundheitsressorts. (Foto: as / DAZ.online)


Das österreichische Gesundheitsministerium bereitet derzeit eine gesetzliche Neuregelung zum Schutz der ärztlichen Hausapotheken vor. Damit will man auch die medizinische Versorgung auf dem Land absichern, denn ohne eigenes Dispensierrecht ist das Landarzt-Sein für viele Mediziner offenbar nicht attraktiv genug. Das Vorhaben benachtteiligt aber Apotheken auf dem Land. Nun gibt es Streit. 

Nach verschiedenen Pressemeldungen hatte das österreichische Gesundheitsressort geplant, die Neuregelung für die Hausapotheken, die schon seit einigen Jahren auf der Agenda steht, im Zusammenhang mit der Revision der Primärversorgung im Sommer 2016 auf den Weg zu bringen. Nun soll es aber nach dem Willen der Regierungskoalition doch schneller gehen. Mitte März hat sie hierzu einen Initiativantrag präsentiert, der den Apothekern überhaupt nicht schmeckt.

Sechs Kilometer Abstand

In Österreich dürfen Ärzte unter bestimmten Bedingungen Hausapotheken führen. Hiermit soll die Arzneimittelversorgung auch in ländlichen Gebieten sichergestellt werden. Nach Angaben der österreichischen Ärztekammer haben derzeit rund 840 der etwa 1500 niedergelassenen Landärzte eine solche Bewilligung.

Sie wird nur erteilt, wenn es innerhalb von sechs Kilometern Entfernung von der Praxis keine Apotheke gibt. Die Ärzte dürfen Arzneimittel nur an Patienten abgeben, die sie auch selbst behandeln. Umgekehrt ist die Neugründung einer Apotheke in einer Gemeinde, in der es bereits eine ärztliche Hausapotheke gibt, nur möglich, wenn in dieser Gemeinde mindestens zwei Ärzte für Allgemeinmedizin (mit Krankenkassenvertrag) vorhanden sind.

Hausapotheke gegen Ärztemangel?

Nach dem neuen Vorschlag sollen nun niedergelassene Allgemeinmediziner in ländlichen Gegenden auch innerhalb der bisherigen Grenze von sechs Kilometer zur nächsten öffentlichen Apotheke eine Hausapotheke führen dürfen. Außerdem soll es Erleichterungen für den Fortbestand bereits vorhandener Hausapotheken geben.

Der politisch gewünschte Schutz der ärztlichen Hausapotheken hat aber noch einen anderen Grund. Es geht nicht nur um die Arzneimittel - sondern insgesamt um die medizinische Versorgung. Ohne Hausapotheke als zusätzliche Einnahmequelle wollen viele Mediziner nicht mehr gern auf dem Land praktizieren. Immer mehr Bürgermeister sollen in letzter Zeit geklagt haben, dass dort frei werdende Praxen ohne die Möglichkeit, selbst zu dispensieren, nicht mehr nachbesetzt werden können.  

Kritik an „Schnellschuss“

Die österreichische Apothekerkammer übt harsche Kritik an der geplanten Neuregelung. Die Kammer habe selbst einen konstruktiven Vorschlag eingebracht, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auf dem Land flächendeckend sicherzustellen, heißt es in einer Pressemitteilung. „Unser Modell ermöglicht den Patienten die optimale Gesundheitsversorgung durch Arzt und Apotheke. Dies ist und war immer unser oberstes Ziel. Mit dem heutigen Schnellschuss wird dies bedauerlicherweise blockiert“, kommentiert Max Wellan, Präsident der Österreichischen Apothekerkammer.

Rückschritt in der Versorgung 

Der Initiativantrag sichere nicht nur bestehende, sondern ermögliche darüber hinaus die Bewilligung zusätzlicher ärztlicher Hausapotheken. Damit gefährde die Initiative bestehende Apotheken auf dem Land, die einen wertvollen Bestandteil der Nahversorgung darstellen. In größeren und wachsenden Gemeinden verhindere er die Neueröffnung von öffentlichen Apotheken und Filialapotheken, sodass die Bevölkerung in diesen Orten auf das umfangreiche Angebot und die vielfältigen Serviceleistungen einer Apotheke verzichten müsse. Für Wellan bedeutet der Initiativantrag deshalb einen Rückschritt in der Patientenversorgung.

Dispensierrecht für alle Ärzte gefordert

Die Österreichische Ärztekammer beurteilt den Antrag verständlicherweise ganz anders. „Wir sehen das als ersten wichtigen Schritt zur Verbesserung der Medikamenten-Versorgung der Landbevölkerung sowie der Arbeitsbedingungen der Landärzte, ließ die Kammer in einer Presseaussendung wissen. Nun gelte es abzuwarten, in welchem Ausmaß sich die gestern eingebrachten Korrekturen tatsächlich positiv auf den akuten Landärzte-Mangel auswirkten.

Der Verteilungskampf in der Arzneimittelversorgung durch die Apotheken und die Landärzte tobt in Österreich schön länger. Im Jahr 2014 hatte die Ärztekammer sogar das Dispensierrecht für alle Ärzte gefordert und hierfür die Schweiz als Vorbild hergenommen.  


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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