SteuerStrafrecht

Tatort Offizin

Berlin - 22.03.2016, 19:00 Uhr

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Umsatzsteuerbetreug bekämpfen - auch in der Apotheke. (Foto: dpa)

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Umsatzsteuerbetreug bekämpfen - auch in der Apotheke. (Foto: dpa)


Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit aller Härte gegen Betrug bei Abrechnungen vorgehen. Öffentliche Apotheken hat er ebenfalls im Visier. Sein Plan: moderne Technik sowie unangemeldete Kontrollen in der Offizin. 

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat Entwürfe eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen sowie einer technischen Verordnung veröffentlicht. Wolfgang Schäuble verpflichtet die Wirtschaft, technische Sicherheitseinrichtungen bei elektronischen Aufzeichnungssystemen einzusetzen. Dazu gehören auch digitale Kassen in öffentlichen Apotheken.

Wie das BMF berichtet, handele es sich um ein „technologieoffenes“ Konzept, so dass verschiedene Lösungen den gleichen Zweck erfüllen könnten. Um verpflichtende Standards zu schaffen, ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) jetzt gefordert. Experten werden in den nächsten Monaten technische Anforderungen spezifizieren und danach IT-Lösungen zertifizieren. 

(Grafik: BMF)

Inhaber zur Kasse gebeten

Welche Kosten durch die neuen Vorgaben auf Apothekenleiter zukommen, lässt sich schwer sagen. Das BMF rechnet mit 106 Millionen Euro pro Jahr für die Wirtschaft. Dieser Betrag setzt sich aus 75.000 Euro für Zertifizierungen, 105 Millionen Euro für Wartungsarbeiten und 343.000 Euro für die Mitwirkung bei einer Kassen-Nachschau zusammen.

Hinzu kommen einmalige Investitionen von 470 Millionen Euro (Neugeräte: 405 Millionen Euro, Umrüstungsarbeiten: 22,5 Millionen Euro, Sicherheitsmodule: 17 Millionen, Personalkosten: 26 Millionen). IT-Experten schätzen, dass 411.000 Geräte ausgetauscht und 1,7 Millionen Geräte umgerüstet werden müssten. Das tatsächliche Ausmaß wird sich erst noch zeigen. 

Ungebetener Besuch

Mit Technik ist es aber nicht getan. „Ergänzend zu den bereits vorhandenen Instrumenten der Steuerkontrolle soll als neues Instrument eine Kassen-Nachschau eingeführt werden“, heißt es im Entwurf. Das BMF räumt Amtsträgern dabei weitgehende Befugnisse ein. Sie dürfen „während der üblichen Geschäftszeiten des Steuerpflichtigen (...) Grundstücke und Räume von Steuerpflichtigen betreten, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, um vor Ort die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen sowie der Kassenbuchführung zu prüfen.“

Gemeint sind gewerblich genutzte Immobilien, während Privaträume gegen den Willen von Inhabern nur zur Verhütung dringender Gefahren zugänglich sind. „Die von der Kassen-Nachschau betroffenen Steuerpflichtigen haben dem damit betrauten Amtsträger auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher sowie die für die Kassenführung erheblichen sonstigen Organisationsunterlagen über die der Kassen-Nachschau unterliegenden Sachverhalte und Zeiträume vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.“ Schäuble selbst hofft auf ein „höheres Entdeckungsrisiko“.

Bei Beanstandungen sei es möglich, „ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung überzugehen“, schreiben BMF-Juristen. Steuerfahnder haben sogar die Option, verdeckt zu ermitteln. „Eine Beobachtung der Kassen und ihrer Handhabung in Geschäftsräumen, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, ist ohne Pflicht zur Vorlage eines Ausweises zulässig“, heißt es im Dokument. „Dies gilt zum Beispiel auch für Testkäufe.“


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8 Kommentare

Überwachungsstaat

von Sven Larisch am 22.03.2016 um 19:27 Uhr

Herzlichen Willkommen im Schäuble- Diffamierungs- und Überwachungsstaat. Jeder betrügt- scheint ja wohl die Aussage des Finanzministers zu sein.
Oder : wenn man betrügt dann bitte im großen Stil um sich schnell verdrücken zu können oder schon nach halber Haftzeit entlassen wird.
Würde mich auch interessieren wie ein Finanzbeamter die Bedienung der Kasse während der Geschäftszeit prüfen will, wenn ich ihm sage." Aus Diskretionsgründen und Gründen der Vertraulichkeit zwischen Apotheker und Patient möchte ich sie bitten außer Hör- und Sichtweite zu bleiben!" Und Testkäufe- gerne - Geld gibt's aber keines zurück- Medikamente sind vom Umtausch ausgeschlossen!
Viel Spaß und der Apotheker soll es zahlen? Herrlich!

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Alle!

von Bernd Küsgens am 22.03.2016 um 18:56 Uhr

Ist doch klar, alle Deutschen sind Verbrecher, außer
Schäuble, Borjans et alteres

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Big Brother

von Bauer am 22.03.2016 um 18:26 Uhr

Na dann, viel Vergnügen bei den Kontrollen.

Hoffentlich dürfen wir auch mal in die maßlos enttäuschten Gesichter schauen, wenn's nach der Kassenkontrolle heißt: "Außer Späßen nix gewesen".

Ich gebe aber zu, dass es die eine oder andere Branche geben könnte, wo noch oder erst recht was zu holen ist. Ich denke da an BMW - Bäcker, Metzger, Wirte...

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AW: Was glauben ...

von Bernd Jas am 23.03.2016 um 9:42 Uhr

... Sie eigentlich wofür Sie eine EDV-Anlage haben?
Weil die wissen, dass da IMMER was zu finden ist, auch wenn der Betroffene glaubt alles Richtig gemacht zu haben und ehrlich ist.
Wobei wir wieder bei dem "Spielchen" Schein und Sein, Glauben und Wissen sind.
Da hilft nur eine alte Registrierkasse (so mit Kurbel an der Seite) und ein ordentlich von Hand geführtes Kassenbuch.
Dann können die nur glauben, dass bei Ihnen was nicht stimmt, und Sie wissen, dass Sie alles richtig gemacht haben und ehrlich sind.
Willkommen in der ach so genialen, digitalen Welt, die immer wieder für Überraschungen sogen wird, nicht nur bei der Finanzprüfung. Ich freu´ mich schon auf den D2-Data-Matrix-Code auf unseren Brettern, die die Welt ... von unseren Köpfen fern hält.

Politiker für die oberen 1%

von Karl Friedrich Müller am 22.03.2016 um 16:32 Uhr

es stand in der SZ und den Nachdenkseiten...
dass eine Familie in Bayern dabei erwischt wurde, 440 Mio € !!! hinterzogen zu haben. Die durften in die Schweiz ausreisen und haben nun die schweizer Staatsangehörigkeit.
Wo ist die Verhältnismäßigkeit?
Ungerechtigkeit, wo man hinblickt. Bevorzugung der Reichen und Stinkreichen. Dem Mittelstand, der den Staat finanziert ,aber zu Kriminellen machen.
Und dann sich über die Wahlergebnisse wundern.

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Kontrolle

von Frank Ebert am 22.03.2016 um 16:17 Uhr

Die Verbrecher sitzen ganz wo anders, Herr Minister 100000 DM

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Bei DocMo....

von gabriela aures am 22.03.2016 um 16:07 Uhr

fressen und saufen sie und uns unterstellen sie grundsäzlich mal Steuerhinterziehung im großen Stil, was in überraschenden Durchsuchungen gipfelt.

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Kassennachschau

von Peter Bauer am 22.03.2016 um 14:15 Uhr

Was ist los ,wenn zum Zeitpunkt der Akutprüfung weniger Bargeld in der Kasse wäre,als sich aus der Buchhaltung ergibt,weil der Apothekenleiter sich z.B. sein Mittagessen mit Geld aus der Kasse holt,aber erst am Abend Kasse gemacht wird und der Betrag dann erst in die Buchhaltung mit einfließt?Lohnt sich ein solcher Aufwand wirklich? Ich lasse einen Beamten zwei Stunden lang rumsuchen in der Kassenbuchhaltung für dass er dann eine wahrscheinlich äußerst,wenn überhaupt; geringe Differenz feststellt.Angeblich sind zuwenig Steuerprüfer für betriebliche Steuerprüfungen vorhanden und dann soll Personal für solche wirkliche Pillepalle zur Verfügung gestellt werden.Bei mir ist übrigens vor ein paar Jahren ebenfalls schon eine unangemeldete Steuerprüferin in der Apotheke gestanden um sich meinen Schneeräumtraktor anzuschauen und auf die Frage was Sie jetzt eigentlich zu sehen gehofft hatte,meinte Sie ,dass es ja möglich gewesen wäre ,dass ich damit Rally fahre.Mit 22PS??????Das war Ihr dann selbst etwas peinlich.

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