Immunantwort

Uralte Viren-Reste bekämpfen Infektionen

Salt Lake City - 04.03.2016, 07:30 Uhr

Etwa acht Prozent der menschlichen DNA bestehen den Forschern zufolge aus Überresten von Viren, die einst unsere Vorfahren infizierten und ihr Erbgut in deren Genom einschleusten. (Foto: abhijith3747 / Fotolia)

Etwa acht Prozent der menschlichen DNA bestehen den Forschern zufolge aus Überresten von Viren, die einst unsere Vorfahren infizierten und ihr Erbgut in deren Genom einschleusten. (Foto: abhijith3747 / Fotolia)


Schätzungsweise acht Prozent des menschlichen Genoms stammen von Viren. Die teils uralten DNA-Schnipsel waren an der Entwicklung des Immunsystems beteiligt - und helfen kurioserweise bei der Abwehr von Viren.

Überreste von uraltem Viren-Erbgut im menschlichen Genom helfen Menschen vermutlich bei der Bekämpfung von Infektionen durch Viren und andere Erreger. Die Millionen Jahre alten DNA-Bruchstücke regulieren die Aktivität von Genen mit, die an zentralen Prozessen der Immunantwort beteiligt sind, wie US-Forscher im Fachblatt "Science" berichten. Demnach haben die Erbgut-Schnipsel im Lauf der Evolution die Entwicklung des Immunsystems mitgesteuert und vorangetrieben.

Etwa acht Prozent der menschlichen DNA bestehen den Forschern zufolge aus Überresten von Viren, die einst unsere Vorfahren infizierten und ihr Erbgut in deren Genom einschleusten. Bestimmte Viren - die Retroviren - können sich nur auf diesem Weg vermehren. Infizieren sie Zellen der Keimbahn, werden sie zu endogenen Retroviren, die von Generation zu Generation weitervererbt und so Teil des Erbguts werden.

Virale Überreste im Check

Endogene Retroviren bilden in der Regel keine Virus-Partikel mehr; ihr Erbgut mutiert im Lauf der Evolution oft stark und ist heute meist nur noch in Teilen erhalten. Ihre biologische Bedeutung für die Genregulation sei bisher nur schlecht untersucht, schreiben die Forscher um Edward Chuong von der University of Utah School of Medicine in Salt Lake City. Sie zeigten jetzt mit ihrer Untersuchung, dass die viralen Überreste bei der angeboren Immunreaktion des Menschen und anderer Säugetiere eine wesentliche Rolle zu spielen scheinen.

Die Forscher identifizierten zunächst in Gen-Datenbanken virale Überreste, die durch Interferone aktiviert werden. Diese Signalstoffe werden freigesetzt, wenn Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren in den Körper eindringen. Sie vermitteln die Aktivierung verschiedener Gene, die die Bekämpfung der Eindringlinge steuern. Die Wissenschaftler fanden solche viralen Überreste vor allem in der Nähe von Genen, die an der Immunantwort beteiligt sind. "Das war das erste Zeichen für uns, dass einige dieser Elemente in der Tat vielleicht an der Aktivierung der Immun-Gene beteiligt sind", erläutert Studienleiter Cédric Feschotte in einer Pressemitteilung seiner Universität.

Eines der endogenen Retroviren, das vor etwa 45 bis 60 Millionen Jahren einen Primaten-Vorfahren des Menschen infizierte, nahmen die Forscher genauer unter die Lupe. Entfernten sie verschiedene Varianten dieses MER41-Retrovirus aus menschlichen Zellen, blieb die Aktivierung zahlreicher Immun-Gene nach einer Interferon-Stimulation aus oder fiel zumindest deutlich schwächer aus.

An einem Beispiel zeigten sie weiter, dass die Immunantwort von Zellen auch nach einer viralen Infektion deutlich reduziert war, wenn das endogene Retrovirus zuvor entfernt worden war. „Die Interferon-Antwort ist wie ein Alarmsystem der Zelle. Wir haben herausgefunden, dass einige der wichtigsten Schalter in diesem System von alten Viren abstammen“, erläutert Erstautor Chuong. Mitautor Nels Elde ergänzt: „Viele Viren gelangten in unser Genom, um sich selbst zu replizieren. Der Evolutionsprozess hat den Spieß zu unseren Gunsten umgedreht.“

Die Reste der viralen DNA sind zum Teil beweglich, das heißt, sie können Kopien bilden, die dann an anderer Stelle im Erbgut des Wirts eingebaut werden. Dies würde erklären, warum an vielen Genen identische oder sehr ähnliche Regulatoren zu finden sind, kommentiert Vincent Lynch von der University of Chicago (US-Staat Illinois) die Studie. Es seien detailliertere Untersuchungen nötig, um die exakten Mechanismen zu entschlüsseln, über den die beweglichen Elemente Gen-Netzwerke regulieren. Die Arbeit des Teams um Chuong weise dabei den Weg.


Anja Garms, dpa Wissenschaftsredaktion
redaktion@daz.online


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