Pro Familia Bilanz

Uneinheitliche Abgabepraxis bei der „Pille danach“

Darmstadt - 03.03.2016, 16:00 Uhr

Beratung in der Apotheke: Vor einem Jahr wurden Notfallkontrazeptiva aus der Verschreibungspflicht entlassen. (Foto: HRA / Montage DAZ)

Beratung in der Apotheke: Vor einem Jahr wurden Notfallkontrazeptiva aus der Verschreibungspflicht entlassen. (Foto: HRA / Montage DAZ)


Ein Jahr ist die „Pille danach“ jetzt ohne Rezept in der Apotheke zu haben. In ihrer Bilanz beschreibt Pro famila die Zusammenarbeit als kooperativ. Der Widerstand der Frauenärzte sei nach wie vor ein Problem.

Seit Freigabe der „Pille danach“ aus der Rezeptpflicht spielen die Apotheker eine wichtige Rolle in der Beratung. Grundsätzlich habe sie die Standesvertretung der Apotheker in der Diskussion um den OTC-Switch „kooperativ aber nicht offensiv“ erlebt, berichtet Dr. Ines Thonke, Gynäkologin beim pro Famila Bundesverband auf einer Veranstaltung in Darmstadt.

Das Problem sei aber damals wie heute der Widerstand aus den Berufsverbänden der Frauenärzte. Thonke sieht die gemeinsame Aufgabe von Apothekern und Gynäkologen darin, die Frauen schnell und gut über die Möglichkeiten der Notfallkontrazeption zu informieren und einen bezahlbaren und barrierearmem Zugang zu den entsprechenden Präparaten zu schaffen. Pro Familie setzt sich seit Jahren für einen leichten Zugang zu Verhütungsmitteln für alle Frauen ein und hatte das Ende der Rezeptpflicht für die „Pille danach“ schon lange gefordert. 

Uneinigkeit bei der Altersgrenze,...

Problematisch ist in Thonkes Augen, dass der Beratungs- und Abgabeprozess in den Apotheken sehr uneinheitlich zu sein scheint. Das sei aus Rückmeldungen von Frauen bekannt, aber auch aus einer nicht repräsentativen Umfrage, die pro familia im Bundesgebiet unter 25 Apothekern durchgeführt hab.

So gaben beispielweise neun der befragten Apotheker an, die „Pille danach“ tendenziell ab einem Alter von 16 Jahren abzugeben, sieben händigten sie bereits ab 14 aus und bei sechs Apothekern war unter 18 Jahren nichts zu bekommen. Die BAK-Leitlinie ist der Auffassung, dass die Abgabe an Minderjährige im Ermessen des Apothekers liegt. Jugendlichen sollte - auch bei Abgabe - grundsätzlich zum anschließenden Arztbesuch geraten werden. Von einer Abgabe unter 14-Jährige ohne Zustimmung des Erziehungsberechtigten rät die BAK ab. Zugelassen sind sowohl Levonorgestrel als auch Ulipristal für allem Frauen im gebärfähigen Alter. 

...der Abgabe an Dritte und der Dokumentation

Auch bei der Abgabe an Männer waren sich die Befragten uneins. So gaben 14 der 25 Befragten an, die „Pille danach“ nur an Frauen abzugeben, drei entscheiden von Fall zu Fall und sechs berichteten sie abzugeben.

Apotheker Dr. Christian Ude aus Darmstadt sieht bei der Abgabe an Dritte – egal welchen Geschlechts – keine Probleme. Eine Frau müsse nicht mit der Anwenderin identisch sein, daher gebe es keinen Grund die Präparate nicht an Männer auszuhändigen. Voraussetzung für die Abgabe sei allerdings, dass der oder die Dritte über alle für notwendigen Informationen verfügt, berichtet Ude. 

Er hält es generell für sehr wichtig, dass es innerhalb einer Apotheke klare Vorgaben für die Beratung gibt. Und zwar nicht nur für die Abgabe, sondern auch zum Umgang mit bestimmten Situationen, z.B. Verdacht auf Vergewaltigung. 

Große Verunsicherung, das zeigte die nachfolgende Diskussion, gibt es offensichtlich auch bei der Dokumentation. Ein anwesender Apotheker berichtet, er verwende in seiner Apotheke einen Fragebogen aus der Schweiz, ließe sich diesen abzeichnen und von der Patientin einen Ausweis vorlegen. Andere dokumentieren gar nicht.

Der BAK-Fragebogen sieht eine Beratungsdoku vor. Ihn verwendet etwas über die Hälfte der Befragten in der pro-Familia-Umfrage Allerdings ist dort nur vorgesehen, dass der Apotheker die Durchführung abzeichnet, nicht der Kunde den Erhalt.  

Eine gesetzliche Dokumentationspflicht gibt es aber nicht. Die „Pille danach“ sei ein normales OTC, so Ude. Er warnte die Apotheker sogar davor, der „Pille danach“ einen Sonderstatus zwischen Rx und OTC - als eine Art „gefährliches OTC“ - zu geben. Damit laufe man Gefahr, dass ein paar, wenige Präparate diesen Status bekämen und apothekenpflichtig blieben. Der „harmlose“ Rest könne dann überall verkauft werden. 

Die Dramatisierung muss aufhören

Weitere Punkte, bei denen Thonke Klärungsbedarf sieht, sind die Vorratshaltung und die Mehrfacheinnahme in einem Zyklus. Man sei seitens pro familia aber schon auf die Apothekerschaft zugegangen. Man habe die Standesvertretung gebeten, die Unklarheiten und Unsicherheiten unter den Apothekern bei der „Pille danach“ anzugehen .

Thonke wünscht sich vor allem ein Ende der Dramatisierung der „Pille danach“ und mehr positive Öffentlichkeitsarbeit. In Deutschland sei die Einnahme der „Pille danach“ den Frauen eher peinlich, berichtet Thonke. Ihnen würden immer noch vereinzelt sowohl von Apothekern als auch von Ärzten, Vorhaltungen gemacht. In anderen Ländern sei das Thema viel positiver besetzt, erzählt sie. So ist beispielsweise der Tenor in England: „Toll, dass du so verantwortungsvoll bist und dich um Notfallkontrazeption kümmerst.“  


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