Kossendeys Gegengewicht

Wie Phoenix aus der Asche

Stuttgart - 02.03.2016, 17:45 Uhr

ABDA-Chef im großen Interview: Chance für die Apotheker verpasst, findet Kossendey-Koch. (Foto: Yuriy Mazur / Fotolia)

ABDA-Chef im großen Interview: Chance für die Apotheker verpasst, findet Kossendey-Koch. (Foto: Yuriy Mazur / Fotolia)


Er hätte den Apothekern in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung den Rücken stärken können - doch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat die Chance verpasst, findet Ann-Kathrin Kossendey-Koch. Statt klarer Worte gab es altmodische Geschlechter-Argumente. Und seltsame Hinweise auf Platzprobleme in der Beratung. Kein Scherz. 

Auferstanden aus Ruinen macht die ABDA Schlagzeilen - in der seriösen Tagespresse. Friedemann Schmidt goes Süddeutsche Zeitung. Was für eine gute Chance, uns Apotheker klar zu positionieren. Kann man machen, muss man aber nicht. Immerhin spricht unser Häuptling an, dass es uns Apothekern an Nachwuchs mangelt. Die jungen Pharmazeuten wollen laut seiner Aussage nicht als Einzelkämpfer eine Apotheke führen.  

Vor noch nicht all zu langer Zeit hieß es noch aus unserer Chefetage, dass das Führen einer Apotheke erstrebenswert sei, da man dann doch so frei sei! „I´ve been looking for freedom“ - ich bin in keiner Branche so gegängelt worden wie in der unsrigen. Die Kassen begrenzen die Abgabe der Arzneimittel durch Rabattverträge, der Kaufmann in uns wird durch die Arzneimittelpreisverordnung und jetzt ganz neu durch das Antikorruptionsgesetz ausgebremst, die Apothekenbetriebsordnung pfuscht mir in mein Sortiment, die Revision schreibt mir vor, wie warm es wann und wo in meinem Geschäft sein darf, die Bank nimmt sich, wie auch die Regierung, einen großen Teil meiner Einnahmen und unser Verband sorgt mit absurden Hilfsmittelverträgen dafür, dass ich in meiner Lieferfähigkeit beschränkt werde. 

Ja, Freiheit ist ein hohes Gut.

Aber anstatt auf unsere Kernprobleme hinzuweisen, holt Friedemann Schmidt die Geschlechterkeule raus: „Eine große Rolle spiele auch, dass der Anteil der Frauen unter den potenziellen Apothekern beständig wachse. Und gerade diese legten deutlich höheren Wert auf eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie, "als man dies in einer Einzelapotheke haben könnte, wo 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche die Regel sind", sagt Schmidt. 

Laut der ganz neuen Zahlen, Daten, Fakten der ABDA sind 46,7 Prozent der Apothekenleiter weiblich in Deutschland. Und, lieber Herr Schmidt, wir Frauen schaffen 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in der Woche in unserer Apotheke PLUS 30 Stunden Kinder und Haushalt unter der Woche. Aber damit nicht genug, denn Familie ist kein Nine-to-five-Job, sondern 24 Stunden, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr! 

Unser Nachwuchs-Problem liegt also nicht an beständig wachsenden weiblichen Faultieren, die einfach nicht genug arbeiten möchten, sondern an den unattraktiven Arbeitsbedingungen unserer Branche. Und dazu zählen einfach auch die grottig schlechten Verdienstmöglichkeiten - egal ob angestellt oder selbstständig.  

Stimmt die Bezahlung, darf es auch gerne mehr Arbeit sein. Und wenn ich mir eine qualifizierte Betreuung für meine Kinder leisten kann, kann ich auch als Frau sehr gut als Unternehmerin tätig sein. Denn nicht die Quantität, sondern die Qualität muss stimmen, das gilt vor allem für gemeinsame Zeit in der Familie.

Das schmidtsche Argument, dass der Nachwuchs in den Apotheken fehle, weil ja die Weibchen nur ein bisschen Apotheke, dafür aber mehr Latte-Macchiato mit den Krabbelgruppen-Mamis trinken wollen, lässt sich einfach entkräften. Sobald die Männer und dazugehörigen Väter ihren akademisch bestens ausgebildeten Frauen den Rücken freihalten, können diese auch spielend leicht ein Unternehmen leiten. Bei einem Anteil von 69,2 Prozent Frauen unter den berufstätigen Apothekern möchte ich doch mal annehmen, dass darunter viele sind, die nicht studiert haben, um sich dann ausschließlich der Brutpflege zu widmen.  

Ich bin selber Mutter von drei zauberhaften Töchtern und genieße jede Minute mit ihnen (naja...fast. Eltern wissen, was ich meine), aber ich liebe auch meinen Beruf und meine Selbstständigkeit. In meinem Bekanntenkreis finden sich einige Apothekenleiterinnen, alle mit Familie und Haushalt und zum größten Teil ohne männlichen Zweitverdiener. Diese Frauen machen ausnahmslos einen sehr guten Job, die Kinder gedeihen prächtig.  

Wäre das Geschlechter-Argument das einzig unbrauchbare in dem Artikel von Herrn Schmidt und alle unsere vielschichtigen Probleme bestens an anderer Stelle des Interviews untergebracht, man würde es als Frau der altmodischen Haltung der Schlipsträger in Berlin schulden und großzügig über solch ein konservatives Machogehabe hinweg sehen. 

Kollegen sind die beste Standesvertretung

Aber es kann ja immer schlimmer kommen, das wurde uns schließlich jahrelang mit der standespolitischen Muttermilch eingetrichtert. Laut unserem Präsidenten ist die größte wirtschaftliche Herausforderung für die Apotheken, dass aus Platzmangel nicht die nötige Diskretion bei der Beratung geschaffen werden kann. Leider ist dies kein Witz und auch nicht die versteckte Kamera.  

Die Süddeutsche Zeitung gibt den Apothekern die Möglichkeit, sich zu den Gründen des Apothekensterbens zu äußern und unser Anführer führt als Hauptproblem bauliche Besonderheiten der Apotheken-Offizin an? Da wundert es niemanden mehr, dass Friedemann Schmidt auch kein Versorgungsproblem sieht...wenn ich den Wald vor lauter Bäumen aus meinem Elfenbeinturm nicht sehe, dann stellt sich wohl die Frage, wen oder was die ABDA in Zukunft vertreten möchte?

Mit dieser desaströsen Kommunikationsstrategie wären männliche Einzelkämpfer, die locker 50-60 Stunden an ihren vielen voneinander getrennten Bedienplätzen arbeiten können, ohne sich ständig an einer Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufzureiben, die ideale Zielgruppe. Vielleicht sollte sich die ABDA in Zukunft einfach selber vertreten. Wir Apotheker und vor allem Apothekerinnen würden sie eh nicht vermissen. 

Immer öfter übernehmen die Kollegen an der Basis bereits die Aufgaben der ABDA - so auch meine engagierte Kollegin Kerstin Kemmritz, die das Forum „Ohne-ApothekeR-fehlt-dir-was“ ins Leben gerufen hat. Eine Online-Plattform von und für Apotheker, wo jeder schreiben kann, was ihn motiviert, ihn nervt und was sich ändern muss, aber auch Zahlen, Daten und Fakten, empathisch aufgearbeitet. 


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13 Kommentare

Vielen Dank

von Elvira Pfaff am 10.03.2016 um 16:18 Uhr

Ersteinmal: Danke Herr Friedemann-Schmidt, dass sie die Lage der Apotheker so auf den Punkt bringen, denn natürlich müssen es die weiblichen Kollegen sein, die Schuld am Apothekensterben sind. Das auch männliche Kollegen ihre Zeit mit der Familie genießen und einen gesunden Ausgleich von Arbeit und Freizeit wünschen ist ja undenkbar! Danke Frau Kossendey-Koch das sie mit ihrem Artikel auf diese Interview aufmerksam machen und die Herren "von da oben" etwas Gegenwind bekommen.
So ein Klischee in einer öffentlichen Zeitung schmerzt umso mehr wenn man weiß, dass viele frischgebackenen ApothekerInnen mit viel Engagement und Veränderungswillen in die Arbeitswelt gehen, nur um eines besseren belehrt zu werden. Da brauch man sich über den Nachfolgemangel dann auch nicht mehr wundern!!!

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Verschwörung

von Andreas Dömling am 04.03.2016 um 15:56 Uhr

Ich bin eigentlich kein Freund von Verschwörungstheorien, aber so unfähig kann man doch nicht sein. Das ist doch ein abgekartetes Spiel ziwischen KAssen, Politik und unsere Standesvertretung. Kopfschüttel!!!!

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AKK Kommentar

von Heiko Barz am 04.03.2016 um 11:57 Uhr

Liebe Kollegin, ich hoffe, dass Sie in der Kammer ( Niedersachsen ) ebensoviele begeisterte Mitstreiter bekommen, die Sie offensichtlich über Ihre Kommentare bereits gewonnen haben.
Hätten Sie denn auch die Kraft bei den uns bedrückenden Fragen, sich gegen Frau Linz zu stellen?
Alle die von Ihnen in den Fokus gestellten apothekenfeindlichen Sachverhalte (AFSV) zu denen ich die unsäglichen Industrie-und Handelskammerzwangszahlungen noch hinzufügen möchte, sind bis "OBEN" allen bekannt.
Die Daumen drücke ich Ihnen, dass Sie diese (AFSV) mit dem nötigen Nachdruck vorbringen und diese auch zu verändern helfen.
Viel Glück!
H.B.

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mein Kommentar

von Alexander Zeitler am 03.03.2016 um 0:05 Uhr

Sorry, meine eMail war wohl nicht korrekt
Asche auf mein haupt

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abbestellen!

von Christian Giese am 02.03.2016 um 21:20 Uhr

Herr Schmidt sollte die SZ einfach abbestellen.
Dieses Forum passt einfach nicht zu ihm.

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Nicht irritieren lassen

von Dr. Christoph Klotz am 02.03.2016 um 20:43 Uhr

Ich habe in diesm Monat eine junge Kollegin kennen gelernt, die genau das lebt, was Ann-Katrin vorlebt: Der Ehemann hält der Kollegin den Rücken frei, ebenso das Apothekenteam, hier nicht nur ein Terminus technikus und pharmazeutische Verwandtschaft tut das Übrige. So ist sie seit 6 Jahren Vollblut-Apothekerin und - Unternehmerin.
Sie lässt sich von der herrschenden Berufspolitik nicht irritieren sondern unternimmt selbst etwas.
Ich glaube für den sprachliche Tanz von FS hat sie nicht einmal Mitleid.

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Unterirdisch

von Reinhard Rodiger am 02.03.2016 um 20:41 Uhr

Als klares Bekenntnis zur argumentativen Unfähigkeit wirklich eine Spitzenleistung. Kein Wunder, dass sich die Politik kaputtlacht und den Hahn zudreht und Apotheke nicht ernst nimmt.
Bei solchen Leistungen läutet das Totenglöckchen.

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AW: Nein,....

von gabriela aures am 02.03.2016 um 20:57 Uhr

...als "argumentative Unfähigkeit" stufe ich das nicht ein.
Das ist schlichtes Desinteresse.
Das ist noch viel schlimmer, weil vorsätzlich !

AW: Desinteresse?

von Reinhard Rodiger am 02.03.2016 um 22:23 Uhr

Das ist kein Desinteresse.Das ist Systemversagen. Das ist gemeingefährlich und schlimmer als Vorsatz.

Danke , FS !

von gabriela aures am 02.03.2016 um 19:35 Uhr

Endlich weiß ich, wo ich und viele Kolleginnen von der ABDA eingeordnet werden:

faule Teilzeit-Apothekerinnen in zu kleinen, veralteten Popelbutzen.

Gehts noch ?

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AW: P.S.

von gabriela aures am 02.03.2016 um 19:40 Uhr

Aber unser Geld nehmt Ihr, ohne mit der Wimper zu zucken !

1. Seite SZ

von Bernd Küsgens am 02.03.2016 um 18:45 Uhr

Lieber Kollege Friedemann Schmidt,
auf der ersten Seite der SZ könnte man die Probleme der Apothekerschaft darstellen, nur die Nachwuchsprobleme zu artikulieren dürfte nicht reichen. Alle Kolleginnen und Kollegen die um ihre Existenz kämpfen fühlen sich durch solch eine Darstellung dieses Einzelproblems nicht durch Sie vertreten. Schade um die Chance unsere Probleme darzustellen!!!!

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Danke

von Andreas Flöter am 02.03.2016 um 18:34 Uhr

Danke ! Dein Kommentar spricht nicht nur den weiblichen Kollegen aus der Seele.
Wer die Wurzel der großenProbleme unseres Berufsstands dort sieht, wo sie die ABDA offenbar ausmacht, der kann bei dem Versuch, diese zu beseitigen (selbst wenn er´s ernsthaft wollte) nur den Stand selbst entwurzeln. :-(

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