Defekte Messgeräte bei Zulassungsstudie

Ludwig kritisiert Entwarnung für Xarelto 

Stuttgart - 23.02.2016, 08:00 Uhr

Wie ist das Risiko-Nutzen-Verhältnis von Xarelto? Eine Bayer-Wissenschaftlerin analysiert Blutproben. (Foto: picture alliance / dpa)

Wie ist das Risiko-Nutzen-Verhältnis von Xarelto? Eine Bayer-Wissenschaftlerin analysiert Blutproben. (Foto: picture alliance / dpa)


Bei der Zulassungsstudie für den Blutgerinnungshemmer Xarelto wurden defekte Messgeräte eingesetzt. Trotz erheblicher Bedenken von Experten gab die EMA schnell grünes Licht. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, kritisiert im Handelsblatt den schnellen Freispruch – der auf Bayer-Analysen beruhte. 

Es dauerte nur zwei Tage, dass nach einem ausführlichen Bericht über Probleme bei der Zulassungsstudie für Xarelto (Wirkstoff: Rivaroxaban) die EMA Entwarnung gab. Im British Medical Journal hatte die Redakteurin Deborah Cohen nochmal ausführlich zusammengefasst, was ihre Recherchen ergeben hatten: Bei der Zulassungsstudie „ROCKET AF“ war die Blutgerinnung im Vergleichsarm mit Messgeräten bestimmt worden, die nicht richtig funktionierten. Bedenken gegen die Geräte tauchten schon 2002 auf, im Jahr 2005 gab es einen Warnhinweis von der FDA an den Hersteller – denn sie verursachten „klinisch signifikante Werte“, wie das Handelsblatt am Montag schreibt. Ende 2006 gab es eine erneute Verwarnung.

Dennoch wurden von 2006 bis 2010 für ROCKET AF 3000 dieser Maschinen eingesetzt – allerdings nur bei Patienten, die den Vergleichswirkstoff Wafarin erhielten. Insgesamt erhielt die FDA über 18 000 Beschwerden – und die FDA stellte fest, dass die Meßergebnisse für die Geringungshemmung niederiger lagen, als bei herkömmlichen Labormethoden.

Wurden die Risiken falsch eingeschätzt?

„Das könnte Rivaroxaban bezüglich Blutungsrisiken sicherer machen, als es ist“, sagte Cohen anlässlich der Veröffentlichung des Berichts. Der Kardiologe Harlan Krumholz von der amerikanischen Yale-Universität forderte das New England Journal of Medicine auf, den Artikel mit den Ergebnissen zu ROCKET-AF unverzüglich mit einem Hinweis zu versehen, um Ärzte über die Probleme zu informieren – und den Artikel nach einer Überprüfung notfalls zurückzuziehen.

Auf Nachfrage des Handelsblattes beruft sich Bayer nun darauf, dass die FDA die Geräte erst 2014 offiziell zurückgerufen hätte. Obwohl dieser für die Messgeräte galt, die ab April 2008 vertrieben wurden, seien sie damals ja von der FDA zugelassen gewesen und hätten die CE-Zertifizierung getragen, so Bayer. Vom Rückruf hätten sie nichts mitbekommen, so heißt es von Bayer.

Schneller Freispruch

EMA und FDA behaupten nun, erst im September 2015 von den Problemen erfahren zu haben, schreibt das Handelsblatt. Nach nur vier Monaten legte die EMA eine Stellungnahme vor, dass sie keine Sicherheitsbedenken bei dem Blutverdünnungsmittel sehe – da die die inkorrekten Messergebnisse nur einen nebensächlichen Effekt auf die Studienergebnisse gehabt haben könnten. Doch Grundlage für diesen Freibrief waren laut der Wirtschaftszeitung Analysen, die im Auftrag von Bayer durchgeführt wurden – von den Autoren der Zulassungsstudie.

Dies stößt auf deutliche Kritik beim Vorsitzenden der AkdÄ: Bayer und die Studienautoren seien ungeeignet, den eigenen „gravierenden Fehler“ selber „federführend aufzuklären“, zitiert das Handelsblatt Ludwig. Angesichts der Datenfülle halte er es auch für eine „überraschend schnelle Analyse“. Wie auch schon die BMJ-Autoren fordert er eine unabhängige Aufklärung.

Für Bayer geht es um viel – mit Xarelto macht der Konzern 2015 einen Umsatz von bald zwei Milliarden Euro. Die Daten will Bayer nicht zur Verfügung stellen – sondern beruft sich darauf, dass es sich nur zur Herausgabe von Daten zu Arzneimitteln verpflichtet habe, die seit 2014 zugelassen wurden.


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