Australischer Gutachter

„Immer noch keine Evidenz für die Homöopathie“ 

Stuttgart - 22.02.2016, 17:25 Uhr

Laut einem australischen Gutachten nicht besser als Placebo: Herstellung von Globuli bei Weleda im elsässischen Huningue. (Foto: dpa / picture alliance)

Laut einem australischen Gutachten nicht besser als Placebo: Herstellung von Globuli bei Weleda im elsässischen Huningue. (Foto: dpa / picture alliance)


Keine wissenschaftliche Evidenz für auch nur eines von 68 untersuchten Krankheitsbildern: Der australische Gesundheitswissenschaftler Paul Glasziou fand keine Anhaltspunkte, dass Homöopathie besser als Placebo wirkt. Als Leiter einer Gutachtergruppe gab er 2015 einen Bericht heraus, der seiner Meinung nach auch Hahnemann überzeugt hätte.

Als der australische Rat für nationale Gesundheit und medizinische Forschung (NHMRC) vergangenes Jahr einen 300-seitigen Bericht über die wissenschaftliche Evidenz von Homöopathika veröffentlichte, kam er zu einem eindeutigen Urteil: Für keine der 68 untersuchten Krankheitsbilder gäbe es Evidenz, dass homöopathische Mittel besser als Placebo wirkten. Hierzu hatte eine Gutachtergruppe 63 systematische Übersichtsarbeiten ausgewertet, die insgesamt 176 Studien umfassten.

Paul Glasziou, Leiter der Arbeitsgruppe, gab vergangene Woche im Blog des British Medical Journal Einblick in seinen persönlichen Erkenntnisprozess. Da auch lange unvorstellbar gewesen sei, dass Bakterien Magengeschwüre auslösen können oder Krebs-Impfungen möglich würden, sei er offen und neugierig an die Fragestellung herangegangen. Doch das änderte sich im Verlauf der Erstellung des Berichts: Am Ende sei er einfach nur erleichtert gewesen, dass die mühsame Reise des Durchsiebens und Zusammenfassens der Evidenz beendet war. 

Fehlende Signale für die Kraft der Homöopathie

Da es aufgrund der Statistik immer auch zufällig positive Ergebnisse geben kann, hätten sie bei den 176 Studien mit knapp 5 Prozent fälschlich signifikanter Resultate gerechnet. Doch insgesamt fiel das Gutachten für alle, die an die Kraft der Homöopathie glauben, negativ aus. „Obwohl die Gesamtheit in ihrem Umfang und ihrer Qualität durchwachsen war, ging auch von den höherwertigen Studien kein klares Signal für die Effektivität aus“, schreibt Glasziou in seinem Blogbeitrag.

Seine Arbeitsgruppe hatte auch Studien zu homöopathischen Mitteln bei rheumatoider Arthritis, Strahlendermatitis, Chemotherapie-bedingter Mundfäule oder HIV-Infektion gefunden. Über die Bandbreite sei er überrascht gewesen, so der Forscher – und geschockt, dass verschiedene Organisationen homöopathische Mittel für ansteckende Erkrankungen wie Aids oder Malaria empfohlen hatten. Die WHO sah sich 2009 sogar genötigt, eine Stellungnahme herauszugeben, dass Homöopathie weder bei Tuberkulose noch bei Durchfallerkrankungen von Kindern irgendeinen erwiesenen Effekt habe.

Gefahr durch Unterlassung

Insgesamt sei daher die Schlussfolgerung des NHMRC angebracht. Er hatte festgestellt: „Menschen, die Homöopathie wählen, können ihr Leben in Gefahr bringen, wenn sie andere Behandlungen ablehnen oder verzögern, für deren Sicherheit und Effektivität es gute Evidenz gibt.“


Prof. Glaziou, ich habe eine Homöopathie-Flasche im letzten Monat jeden Tag gewaschen, aber der Rückstand wird immer stärker und stärker. Haben Sie einen Rat?

Kommentar des Mediziners Simon Chapman unter dem Blog-Beitrag


Dass es Widerstand von Seite derer gab, die homöopathische Mittel anwenden oder mit ihrem Verkauf Geld verdienen, hätte ihn angesichts der Ergebnisse nicht überrascht, schreibt Glasziou. Der Internationale Rat für Homöopathie sammele derzeit Geld – allerdings nicht um bessere Forschung zu ermöglichen, sondern um das Gutachten zu attackieren, so der Mediziner.

Dass Samuel Hahnemann mit dem Stand der Medizin im 18. Jahrhundert unzufrieden war, kann der australische Wissenschaftler gut nachvollziehen. „Aber ich schätze, dass er enttäuscht wäre über das kollektive Versagen der Homöopathie, seine innovativen Untersuchungen fortzuführen – sondern stattdessen eine therapeutische Sackgasse weiter zu verfolgen“, so Glasziou.


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8 Kommentare

Homöopathie

von Isabel Gurau am 19.02.2019 um 16:56 Uhr

Roger Grimm
Homöopathie als Zusatz - Therapie müßte noch einmal extra bewertet werden.
Wenn die "sprechende Medizin" besser bewertet und vergütet würde, was von den Medizin-System-Lobby-Gruppen verhindert wird, würden die Kosten reduziert werden.
Wenn jemand niemanden hat, der /die zuhört, muß es doch wie im Paradies sein, wenn einem eine Respektperson (das sind "Homöopathen/innen" bestimmt für die meisten, die sie aufsuchen) 1 Stunde (!) und mehr zuhört und der kranke Mensch ungeteilte Aufmerksamkeit erhält.

Aber auch für die sog. Homöopathie müßte gelten :
Prävention vor Krankheit!

Wenn die Schulmedizin 1 Stunde Zeit hätte im Erstgespräch - wie erfolgreich wäre sie!
Wieviel Technik-Untersuchungen könnten vermieden werden?

Schöne Grüße,
Isabel

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Roger Grimm

von Isabel Girau Forkert am 05.10.2016 um 0:32 Uhr

Ich habe nur die Conclusion lesen können aus zeitlichen Gründen. Aber ging es den homöopathisch mit behandelten PatientInnen vielleicht besser? (Stichwort persönliche " Zuwendung")

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Roger Grimm

von Cornelius Wehinger am 21.06.2017 um 18:41 Uhr

Homöopathie ist Unfug. Es gibt keine Evidenz für eine Wirkung des Konzeptes. Die Tatsache, dass jemand der Globuli schluckt gesund wird oder sich subjektiv besser fühlt beweist nichts.
Die Idee, dass Homöopathie eine ökonomische Entlastung für das Gesundheitswesen sein könnte sollte doch eher in einem Witzblatt oder einem Satiremagazin publiziert werden.

Hömöopathie

von Carl Hofmann am 24.02.2016 um 1:17 Uhr

80% aller Krankheiten gehen von alleine wieder weg.
Der Glaube an Homöopathie hilft hier das Gesundheitssystem zu entlasten, weil die Leute keine teuren Fachärzte und Behandlungen in Anspruch nehmen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Entlastung des Gesundheitssystems?

von Roger Grimm am 23.03.2016 um 23:29 Uhr

Bitte das hier einmal genau durchlesen:
Ostermann et al
"Can Additional Homeopathic Treatment Save Costs? A Retrospective Cost-Analysis Based on 44500 Insured Persons"
zu finden unter:

http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0134657

Danach nochmal obiges Kommentar durchdenken.

Danke.
Roger

Schein und Sein

von Bernd Jas am 22.02.2016 um 20:42 Uhr

A: "Ich weiß dass es nicht wirkt"
B: "Ich glaube dass es wirkt."
A: "Ja, glauben heißt nicht wissen."
B: "Aber Glaube versetzt Berge."
C: " Ich glaube ich weiß gar nichts."
D: "Wenn Du wüsstet was Du weist, dann fang ich an zu glauben."

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AW: Keine Evidenz für Homöopathie

von Isabel Girau Forkert am 05.10.2016 um 0:25 Uhr

Nicht noch alles komplizierter machen!

AW: Mein Kommentar

von Isabel Girau Forkert am 05.10.2016 um 0:29 Uhr

... bezog sich auf Bernd Jas.
Es wurde nur ein Satz von meinem Kommentar gesendet

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