Umstrittene Defizit-Prognose

Möglicherweise zu geringe Krankenkassenbeträge für Hartz-IV-Empfänger

Berlin - 18.02.2016, 16:48 Uhr

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), bei einer Pressekonferenz zur Situation der Flüchtlinge in Deutschland. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), bei einer Pressekonferenz zur Situation der Flüchtlinge in Deutschland. (Foto: Britta Pedersen/dpa)


Die Bundesregierung hat einen Medienbericht über ein drohendes Milliarden­loch bei den Krankenkassen durch die Flüchtlingskrise zurückgewiesen. Seriös sei derzeit nicht abzuschätzen, wie sich der Zuzug auswirke. Zahlt der Bund aber tatsächlich zu wenig Krankenversicherungsbeiträge für Hartz-IV-Empfänger, könnte ihm das im kommenden Jahr auf die Füße fallen.

Der Bund zahlt den gesetzlichen Krankenkassen möglicherweise zu geringe Beiträge für die medizinische Versorgung von Hartz-IV-Empfängern. Verschärfen könnte sich dieses Problem durch arbeitslose Flüchtlinge, die nach 15 Monaten in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln können und ebenfalls Leistungen nach den Hartz-IV-Regelungen (Arbeitslosengeld II) bekommen. Wie der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) am Mittwoch mitteilte, liegt das eigentliche Problem aber nicht bei den Flüchtlingen, sondern bei den nicht kostendeckenden Kassenbeiträgen für Hartz-IV-Empfänger.

Der Bund zahlt für sie zurzeit einen monatlichen Krankenversicherungsbeitrag von gut 90 Euro sowie knapp 15 Euro für die Pflegeversicherung. Es bestehen Zweifel, dass diese Pauschale ausreicht. Derzeit werden laut Gesundheitsministerium Gespräche darüber geführt, wie hoch der Korrekturbedarf ist. Zudem werden die Auswirkungen des Flüchtlingszuzugs erörtert.

„Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) rechnet damit, dass wegen des Flüchtlingszuzugs die Zahl der Hartz-IV-Empfänger in diesem Jahr um 270.000 Menschen steigt. Davon seien rund 200.000 erwerbsfähig. Flüchtlinge, die nach 15 Monaten eine sozialversicherungspflichtige Arbeit haben, zahlen indessen ganz normal Sozialbeiträge. In den ersten 15 Monaten werden Flüchtlinge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz versorgt.

Den gesetzlichen Krankenkassen droht also zunächst durch die möglicherweise zu geringere Pauschale für Hartz-IV-Empfänger ein Defizit, das sich entsprechend erhöht, wenn Flüchtlinge nach 15 Monaten ebenfalls Hartz-IV-Leistungen bekommen. Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Katja Angeli, sagte am Mittwoch in Berlin, zusätzliche Belastungen aus den Hartz-IV-Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung seien „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums erläuterte, die Beitragsentwicklung der Kassen gestalte sich derzeit weiter positiv. Zudem werde der Bundeszuschuss, der aus dem Haushalt für die gesetzliche Krankenversicherung gezahlt wird, von derzeit 14 Milliarden Euro im nächsten Jahr auf 14,5 Milliarden angehoben. Auch sei nicht seriös abzuschätzen, inwieweit sich der Zuzug von Flüchtlingen für die Krankenversicherung auswirke.

Die „Frankfurter Rundschau“ (Mittwoch) hatte geschrieben, dass bereits in diesem Jahr eine Lücke von mehreren Hundert Millionen Euro entstehen werde, weil der Bund für Flüchtlinge und andere Hartz-IV-Empfänger viel zu geringe Kassenbeiträge überweise. Im kommenden Jahre werde das Loch dann schon auf über eine Milliarde Euro anwachsen.

Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), nannte es im Deutschen Ärzteblatt „schlicht falsch“, dass Flüchtlinge Defizite der Krankenkassen verursachen. Für Asylbewerber würden den Kassen vollständig die Gesundheitsleistungen erstattet. Der Staat überweise den Kassen aber viel zu wenig, was alleine im vergangenen Jahr eine Unterdeckung von etwa 6,7 Milliarden Euro verursacht habe. Buntebach: Diese „politisch bedingten Einnahmeausfälle“ dürften jedoch nicht den Flüchtlingen in die Schuhe geschoben werden.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.