Kampf um Prävention

Tabaklobby will Aufschub bei Gruselbildern

Berlin - 17.02.2016, 10:15 Uhr

Bisher beispielsweise in Australien, bald auch in Europa: Schockbilder auf Zigarettenpackungen. (Foto: DAZ.online)

Bisher beispielsweise in Australien, bald auch in Europa: Schockbilder auf Zigarettenpackungen. (Foto: DAZ.online)


Seit 2014 steht fest, dass von Mai an Zigarettenschachteln mit Schockfotos und großen Warnungen bedruckt sein müssen. Die Industrie beklagt, Details zu spät erhalten zu haben. Und will mehr Zeit - mit Unterstützung der Länder. Ob der Bundestag mitzieht, ist fraglich.

EU-Vorgaben werden 1:1 umgesetzt, haben sich Union und SPD zum Start ihrer Koalition auf die Fahnen geschrieben. Eigentlich. Wenn aber die Tabaklobby auf den Plan tritt, drohen gute Vorsätze auch schon einmal schnell über Bord geworfen zu werden. Bei der sogenannten EU-Tabakrichtlinie, die ab Ende Mai Schockbilder und große Warnhinweise auf Verpackungen vorschreibt, hat die Industrie zumindest schon mehrere Bundesländer auf ihre Seite gezogen.

Die fordern so wie Zigarettenhersteller eine spätere Umsetzung der seit zwei Jahren bekannten Richtlinie. Die Bundesregierung ist gegen eine Fristverlängerung über den 20. Mai 2016 hinaus und will kein Vertragsverletzungsverfahren Brüssels riskieren. So setzen Lobbyisten nun auf den Bundestag und Abgeordnete aus den „Tabak-Wahlkreisen“, um noch Änderungen am Gesetz zu erzielen. Ziel ist es letztlich, in einem schrumpfenden Markt jedes noch so kleine Zeitfenster zu nutzen, um ein paar Marktanteile zu gewinnen.

Gedämpfte Lust durch Ekelfotos

Worum geht es: Künftig sollen zwei Drittel der Vorder- und Rückseite von Zigaretten- und Drehtabak-Verpackungen für kombinierte Warnbilder und aufklärende Texte reserviert sein - weit mehr als bisher schon. Die 2014 ausgehandelte EU-Richtlinie für Tabakprodukte muss in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Vorgaben: Ob krebsbefallene Lungen, faulende Raucherbeine oder geschwärzte Zahnstümpfe - Gruselbilder und abschreckende Warnungen auf einem Großteil der Packungen sollen die Lust am Glimmstängel dämpfen.

Zigarettenhersteller pochen auf eine längere Frist zur Umstellung ihrer Produktion. Sie argumentieren, dies sei wegen Verzögerungen auch in Brüssel bis Mai nicht mehr zu schaffen. In der Tat dauerte es, bis die entsprechenden Bild- und Textvorgaben verbindlich vorlagen. Die Dateien für die hochauflösenden Bilder etwa stehen erst seit November 2015 allen zur Verfügung. Und die Bundesregierung - lange stritten sich Agrar- und Wirtschaftsministerium - glänzte bei dem nationalen Umsetzungsgesetz nicht unbedingt mit Eile.

(Foto: DAZ.online)

Ist der Druck unmöglich?

Doch auch fünf Monate sollten als Vorlauf reichen für eine seit 2014 bekannte Umstellung der Druckwalzen - notfalls mit Platzhaltern. Größeren Herstellern dürfte das eher gelingen als kleineren, und bei Zigarettenschachteln gestaltet sich dies einfacher als bei Tabakdosen. Branchenführer Philip Morris jedenfalls hatte sich zuletzt gegen eine Verschiebung ausgesprochen und gewarnt, diejenigen zu bestrafen, die die Vorgaben einhalten. Das kommt in der Politik womöglich gut an, bei Wettbewerbern natürlich weniger.

Die Kritiker sagen, solange es kein verabschiedetes Gesetz gebe und die endgültigen Vorgaben nicht schwarz auf weiß stünden, könne man mit der Druckumstellung nicht beginnen. Für das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) erscheint es „nicht plausibel, dass die Hersteller nicht in der Lage sein sollten, sich auf eine 1:1-Umsetzung der EU-Vorgaben technisch einzustellen“. Denn in zahlreichen anderen Ländern seien kombinierte Warnhinweise seit Jahren verpflichtend, argumentieren die DKFZ-Experten.

Technisch soll es kein Problem sein

Hersteller auch in Deutschland seien offenbar technisch in der Lage, den EU-Vorgaben vergleichbare Warnhinweise für im Ausland verkaufte Packungen zu drucken. Warnhinweise an der oberen anstatt unteren Kante dürften keine gravierende technische Herausforderung sein. Etwa ein Drittel der Zigaretten in Europa kommt aus Deutschland. Noch etwas wundert die Experten: Zu Werbezwecken geben Hersteller permanent Sondereditionen heraus, für die auch Druckwalzen umgestellt werden müssen. Konkurrenten könnten da in der Regel innerhalb von zwei Monaten nachziehen, heißt es.

Die EU-Richtlinie erlaubt es Herstellern immerhin, auf Vorrat zu produzieren und noch ein Jahr lang, also bis zum 20. Mai 2017, Zigarettenschachteln nach den alten Vorgaben zu verkaufen. Würde die Frist zur Umsetzung verlängert, könnte auch länger abverkauft und noch ein größerer Schwung vorproduziert werden. Die Versuchung ist groß, sich Vorteile zu verschaffen. Nur: Das kostet. Denn die Tabaksteuer wird schon mit der Produktion fällig.

Seit einigen Tagen gibt es noch einen anderen Aspekt: Der Bundesgerichtshof hatte ein Urteil veröffentlicht, wonach E-Zigaretten-Liquid ein Tabakprodukt und der Handel mit ihnen damit untersagt ist. Das macht die meisten E-Zigaretten-Händler in Deutschland zu potenziellen Straftätern - obwohl die Neuregelung für Tabakprodukte im Mai kommen soll. Es liegt nun auch im Interesse der E-Zigaretten-Branche, die Unsicherheiten rasch zu beseitigen.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Tabakkonsum mit Folgen

von Heiko Barz am 17.02.2016 um 11:59 Uhr

Vorweg, ich bin nichtmilitanter Tabakverweigerer.
Auch wenn hin und wieder Zahlen auftauchen, die uns sagen möchten, der Rauchkonsum würde sich verringern, so kann sich das nur um ein kurzzeitiges Phänomen handeln. Geraucht wird mehr oder weniger immer.
Nur dieses sellrsame Gebaren des Staates um das globale Tabaksystem nehme ich diesem Staat nicht ab, denn was hier an Tabak-Steuern ins "Säckel" fließt, ist beim jährlichen Haushalts-Etat eine feste wie auch vorberechnete Größe. Somit ist der Staat in Person des Finanzministers der mit Abstannd größte Nutznießer der "beklagenswerten" Raucher.
Man stelle sich nur einmal vor, es gäbe ab morgen keine Nikotinjunkies mehr.
Von staatswegen aber sollte auch, um eine gewisse Gerechtigkeit zu erlangen, desgleichen verfahren werden mit dem Alkoholkonsum, der steuerrechtlich noch wesentlich schwerer wiegt.
Wenn in diesen Fällen staatlich hoch versteuert wird, dann sollten die sich immer wieder in den Vordergrund drängelnden"" Gesundheits"- und Krankenkassen einmal mit Nachdruck für den menschlichen Metabolismus stark machen.
Die sich derzeit wie ein Krebsgaschwür ausbreitende Fettleibigkeit sollte eine andere Steuergerechtigkeit nach sich ziehen. Die auf ihre Gesundheit achtenden Zeitgenossen müssen nämlich die abartige Fresslußt einer großen Zahl unserer Mitbüger leidvoll mitbegleichen.
Wer nachweislich und nicht genetisch bedingt fettleibig ist, sollte mit einer Sondersteuer belegt werden, um Anreize zu schaffen, ein normales Körpergewicht und dadurch bedingt eine erhebliche Kostenreduzierung im Gesundheitssystem zu erreichen.
In unserem Land erreicht man Ziele nur, wenn es ums eigene Portemonnaie geht.
Der Finanminister aber zieht unbeeindruckt auch ohne jeden Skrupel 19% MWST. für die Medikamente ein, die gegen oben beschriebenen Missstände eingesetzt werden.
Wer ist nun in unserem Land der größte Pharisäer?

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