KOSSENDEYS GEGENGEWICHT

Ich bin dann mal weg...

03.02.2016, 14:00 Uhr

Frau Kossendey-Koch plant ihren Urlaub - oder lieber doch nicht? (Foto: eyetronic / Fotolia)

Frau Kossendey-Koch plant ihren Urlaub - oder lieber doch nicht? (Foto: eyetronic / Fotolia)


Bei derart paradisischen Gewinnaussagen wähnte sich Ann-Katrin Kossendey-Koch zunächst im Sterne-Hotel auf Bali. Wenn da nicht die Realität wäre und eine ehrenamtliche Standesvertretung, deren 17 + 17 dringend gegen ein professionelles Team ausgetauscht werden müsste... 

Bali? Mauritius? Neuseeland? Ich kann mich gerade nicht entscheiden, wo ich mein Umsatzplus auf den Putz haue. Ich bin noch ganz aufgeregt, da ich es erst vor kurzen aus den Medien erfahren habe. Ich habe „erneut stark vom gestiegenen privaten Konsum profitiert“, um 5 Prozent sind die Arzneimittelausgaben gestiegen. Ich habe das zwar jetzt nicht so direkt im Geldbeutel und auf meinen Konten gemerkt, aber ich bin ja auch Heilberufler und kein BWLer. Da bin ich jetzt zehn Jahre selbstständig und es läuft in unserer Branche besser als jemals zuvor - zwar bergab und rückwärts, aber es läuft.

Innovatives Arzneimittel sprengt den Rahmen

Mein ehemaliger Nachbar kann mein pures Entsetzen, das mir ins Gesicht geschrieben steht, wenn ich ihn in meine Apotheke kommen sehe, so gar nicht nachvollziehen. Er braucht jetzt leider seit vergangenem Jahr ein innovatives, hochpreisiges Medikament für seine seltene Lungenkrankheit. Die Hochschule Hannover schreibt ihm gern gleich drei Packungen auf einmal auf, damit er seinen Dreimonatsbedarf decken kann. Es brauchte etwas Überredungskunst meinerseits, um die Lieferung der drei Hochpreiser etwas zu entzerren.  

Der Umsatz in dem Quartal war sensationell, meine Rezepteinlieferungen ein Traum und mein Dispo ein Desaster, so wie meine Stimmung. Ein Umsatzplus ist so leicht und flockig generiert, nur steigt der Gewinn leider nicht zwingend parallel dazu, wie selbst heilberufliche Kaufleute wissen. 

Frustriert von solch unglücklich formulierten Headlines, habe ich die ABDA-Homepage aufgerufen, um mir die Zahlen-Daten-Fakten anzuschauen. Die Seite baute sich erst gar nicht auf (bin ich schon gesperrt bei der ABDA?), dann so langsam, dass ich fast schon völlig ermüdet aufgegeben hätte. Aber siehe da - irgendwann öffnete sich die Fanpage unserer Pharma-Stars. 

Ann-Katrin Kossendey-Koch

Ist das Absicht, dass man möglichst immer viel Angriffsfläche bietet? Damit man ja nicht als Lobbyist wahrgenommen werden kann? Man nehme einmal das Beispiel „Verdienst einer durchschnittlichen Apotheke“, deren Umsatz laut Treuhand 2,2 Millionen Euro beträgt. Statistisch ist das sauber, keine Frage - aber standespolitisch ein Fauxpas. Die meisten Apotheken liegen laut der Zahlen mit ihrem Umsatz irgendwo zwischen 1,25 und 1,75 Millionen Euro, der Wert wird halt durch wenige umsatzstarke Apotheken verzerrt, so dass der Durchschnittsapotheker plötzlich 129.000 Euro Gewinn macht (und womöglich blauäugig Fernreisen bucht).  

Solche Zahlen dürfen auf der Homepage unserer Standesvertreter nicht unkommentiert veröffentlicht werden. Es muss ja nicht gleich BILD-Zeitungs-Niveau sein, aber ein knackiges Statement kann solche Zahlen schnell relativieren. Professionalität ist des - Achtung Wortspiel - Pudels Kern.  

Wir brauchen klare Worte, so wie sie mein Kollege Erik Modrak aus Hessen formulierte: „Obwohl die Arzneimittelumsätze wieder um 5 Prozent gestiegen sind, ist das Apothekenhonorar noch immer auf dem Niveau von 2004.“ Es handelt sich um die gleichen Fakten, ist nur weitaus besser formuliert als ein schlichtes „Arzneimittelausgaben wie erwartet um 5  Prozent gestiegen“.

ABDA-Neubau wahrscheinlich 2030 finalisiert

Nach den neuesten Meldungen zum neuen Apothekerhaus in Berlin liegt die Vermutung nahe, dass die Vereinsspitze für so Kleinkram wie Pressearbeit gar keinen Kopf hat. Das Perspektivpapier 2030 ist in Wahrheit vielleicht eher der Bauplan - wer nimmt Wetten an, was eher fertig ist: Der Berliner Flughafen oder das ABDA-Loft mit mehreren Dachterrassen und riesigem Plenarsaal?  

Mit jedem geheimen Erfolg der ABDA, mit jeder unglücklichen Schlagzeile, mit jedem Ausschluss aus der Politik wird es immer deutlicher - das Ehrenamt hat sich überlebt, wir brauchen mehr Professionalität in der Standesführung. Wer immer nur das Gleiche tut, muss sich nicht wundern, wenn immer das Gleiche dabei heraus kommt. Die Lage der deutschen Apotheker ist ernst genug, um mutig neue Wege zu gehen, da zieht selbst die beliebte Drohung „Es könnte schlimmer kommen“ nicht mehr.  

Wir sind nur noch ein Spielball von Politik und Krankenkassen, müssen für immer haarsträubendere Retax-Spielchen herhalten, bekommen mehr Vorschriften für weniger Geld und das alles mit dem Stempel „Wieder Umsatzplus für Apotheker“ auf der Stirn.

Ritter Friedemann im Youtube-Channel

Diesen Abwärtsstrudel halten Ritter Friedemann und seine 17+17-Vasallen nicht mehr auf, da ist jetzt ein Vollzeit-Drachentöter gefragt, um zu retten, was überhaupt noch zu retten ist.

Für diejenigen, die ohne Pöstchen nicht leben können, finden sich sicherlich Aufgaben. Friedemann Schmidt könnte einen Youtube-Channel betreiben, Erfahrung als Moderator hat er ja bereits und über Product-Placement ist sogar seine silberne Alfi-Kanne mit am Start.  

Matthias Arnold könnte einen Blog schreiben, damit kann er dann auch Arzneimittel-Werbung machen, er darf das ja sogar als Apotheker. Auf jedem Fortbildungskongress werden Redner gebraucht und die Firmen suchen Testimonials für ihre Stände auf der Expopharm - da wäre für jeden was dabei. 

Es geht mittlerweile nicht mehr darum, den Ehrenamtlichen Vorwürfe zu machen, unsere Standespolitik ist einfach so komplex geworden, dass sie nur noch professionell zu managen ist. Da gibt es kein Wenn und Aber - es gilt jetzt das Ruder rumzureißen, wenn uns unser Beruf, unsere Berufung wichtig ist. 

Ansonsten bleibt womöglich in ein paar Jahren als Alternative wirklich nur die Strandbar auf Bali, dann aber nicht als Urlaubsziel, sondern als Arbeitsplatz. Ich buche jetzt, passend zu meinem Umsatz drei Wochen Mauritius im 5-Sterne-Resort ...oder lieber doch - meinem Gewinn entsprechend - ein verlängertes Wochenende im Center-Parc in der Lüneburger Heide?


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15 Kommentare

Merkwürdig

von Schmole am 09.02.2016 um 18:56 Uhr

Wenn ich das so alles lese, dann frage ich mich, warum Frau Kossendey immer so gute Beiträge schreibt, aber sich NICHT für einen Posten in unserer Standesvertretung zur Wahl stellt? Darum geht's doch: nicht nur rummeckern, sondern auch mal direkte Initiative zeigen (v.a. bei einer so starken Gefolgschaft, die sich Frau Kossendey mittlerweile sicherlich erarbeitet hat!).
Grüße aus der Lausitz!

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Schon erledigt...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 10.02.2016 um 15:27 Uhr

Da bin ich genau der gleichen Meinung- nicht nur meckern, sondern machen.
Und deshalb bin ich jetzt schon in der zweiten Legislaturperiode Mitglied der Kammerversammlung Niedersachsen.
Außerdem habe ich vor Jahren mit ein paar sehr engagierten Kolleginnen in meinem Landkreis einen Verein, APIA e.V., gegründet, der direkt vor Ort standespolitisch arbeitet und auch versucht, gemeinsame Projekte mit Ärzten umzusetzen.
Ich habe nur eine kleine Apotheke und bin noch Mutter von drei kleinen Kindern, so dass ich eine Führungsrolle in der Standespolitik nicht selber stemmen kann. Aber jeder Beitrag zählt und sei er noch so klein.

AW: Respekt

von Schmole am 16.02.2016 um 18:57 Uhr

Solche Apotheker (wie Sie!) braucht die Pharmazie in Deutschland. Ich haben vollen Respekt vor Ihnen und sehe Sie als Idol (in meiner jungen Apotheker-Karriere)! Vielleicht führt mich - früher oder später - der Weg ebenso in die Politik :)

AW: Vielen Dank..

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 16.02.2016 um 22:54 Uhr

...für die Blumen! Ich hoffe doch sehr, dass auch Sie sich irgendwann für die Politik stark machen. Ich bleib dabei- egal wie, Hauptsache nicht passiv beim Untergang zuschauen ;)

Apothekengewinne ?

von Heiko Barz am 04.02.2016 um 11:44 Uhr

Da gibt es Lustiges und Nachdenliches bei diesen Kommentaren. Katastrophal allerdings bleibt die Tatsache unserer Aller Beitragsordnung. Wider jedes besseren Wissens verlangen unsere "Vertretungen" nach wie vor umsatzbedingte Zwangsbeiträge. Die Kassen derer füllen sich dadurch natürlich ungerechtfertigt auf.
Mit breiter Brust wurde zum Apotag noch berichtet, dass der Neubau der Apozentrale in Berlin ohne jede Beitragserhöhung stattfinden werde.
Würden die Beiträge fair eingezogen, müßte ein anderes Berechnugssystem eingeführt werden.
Nur Eins ist sicher, das Ergebnis für unsere "Lehnsherren" würde wesentlich geringer ausfallen. .
Und, werden - DIE - das wirklich wollen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Über die Berechnungsgrundlage....

von gabriela aures am 04.02.2016 um 12:07 Uhr

...der Beiträge wurde ja schon öfter diskutiert.
Gewinn vor Steuer geht nicht (wer wenig Personal- oder andere Kosten hat, hat doppelt Pech, wer ein paar Autos auf die Apo laufen hat, ist fein raus ), aber Rohertrag wäre denkbar, oder ?
Darin schlägt sich auch die Hochpreisproblematik nieder !

MehrumsTz

von Dr. Albrecht Emmerich am 03.02.2016 um 22:11 Uhr

Da gab's vor einigen Jahren mal die ABDA Sprecherin Rogalla, die immer und überall nur von den tollen Umsatzzuwächsen berichtete. Es hat lange gedauert, bis jemand von der ABDA- Führung begriffen hat, wie schwachsinnig das war. Leider begreift es heute auch wieder niemand

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Kommentar

von Alexander Zeitler am 03.02.2016 um 21:23 Uhr

Da haben wohl einige Kommentierer die Ironie überlesen.
Aber im Ernst: ich habe mal einem Hochpreiskunden den VK vorgerechnet. auch konkret, was mir da dann vor Steuer bleibt. Die Reaktion: Er war ungläubig und dann doch über die wahrheit erstaunt.
Leider wird sowa nicht wirklich von uneserer "Standesvertertung(?)´kommuniziert. die betreiben ihren Job als ehrenkäsiges Hobby, Sowas ging früher.

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AW: Besonders "schön"....

von gabriela aures am 03.02.2016 um 21:41 Uhr

...ist das ungläubige Staunen in den Augen von (manchen, nicht allen) Ärzten, wenn die hören,was ihre Privatmedis kosten.

Selbst bis dahin hat sich die Preis"gestaltung" seit 2004 nicht rumgesprochen ( bis auf einige wenige überwiegend Berliner Wahnsinns-Uptodate-Super-Praxen natürlich) .
Ich mag gar nicht darüber nachgrübeln, was in den letzten 20 Jahren alles NICHT gemacht wurde und was wir dafür jedes Jahr bezahlt haben und fröhlich weiterhin bezahlen .

Im Übrigen....

von gabriela aures am 03.02.2016 um 21:15 Uhr

..möchte ich auch einen Kollegen zitieren :
Ein gelungener Tausch, DAZ !

AKK-K gegen Klein - paßt + läuft , alles richtig gemacht !
Jetzt macht DAZ wieder Spaß !

;-)

:-)

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wie ein DAX-Konzern...

von Dr. Berthold Pohl am 03.02.2016 um 20:13 Uhr

... sollte unsere Standesvertretung aufgebaut werden, wenn wir in Zukunft bei Politik, Krankenkassen und Ärzteschaft ernstgenommen werden.
17+17 mag vor 40 Jahren noch ein bewährtes Modell gewesen sein, hat sich aber überlebt.
Die "Umfirmierung" der ABDA in einen e.V. verleiht garantiert auch nicht mehr Gewicht, Kaninchenzüchter organisieren sich in gleicher Weise. Der millionenschwere Neubau eines ABDA-Palastes in Berlin ist auch ein falsches Signal, weil er suggeriert, dass die Apotheker ordentlich vollstrecken und daher auf Honorarerhöhungen gewiss noch länger verzichten können.

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AW: Dafür haben wir andere Qualitäten...

von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 16.02.2016 um 22:59 Uhr

Wir sind kein DAX-Konzern, wir sind ein kuscheliger Verein, der alles und jeden totdokumentieren kann. Ob der Bau des Prinzen-Palais in Berlin auch genau auf Plausibilität geprüft wurde? :)

was soll das?

von Dieter Dosquet am 03.02.2016 um 17:52 Uhr

Bali? Mauritius? Neuseeland? Da hab ich doch Poster von, notfalls reicht auch ein Reisebericht zum ansehen. Ihr habt aber auch Ansprüche. es hätte schlimmer kommen können, z.B.: Schwarzwaldposter.

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Da nimmt es nicht wunder....

von gabriela aures am 03.02.2016 um 16:55 Uhr

...wenn auch in der Presse eine "Kostenbremse" für Medikamente gefordert wird. Ich habe mal "sicherheitshalber" einen "erklärenden" Leserbrief an unser Lokalblatt geschrieben, in dem ein entsprechender Kommentar veröffentlich wurde . Leider ist sonst irgendwie niemand zuständig für entsprechende Klarstellungen - btw. @Dr. Kiefer: auch etwas, was Sie bzw. die Standesvertretung bei den österreichischen Nachbarn abschauen können - Herr Wellan rührt sich, stellt klar, macht den Mund auf und widerspricht den medialen Hetzkampagnen. Ich vermute ja, unsere Vertretung hat sich beim Spatenstich zum Häusle verhoben und leidet jetzt an "Rücken" oder so. Sicher was Chronisches. .Falls der schon war. Weiß man ja auch nicht so genau.Gebaut wird. In Berlin Mitte. Dauert halt - gleich die erste Terminverschiebung noch vor Baubeginn *ach*.

Genug geplaudert, ich muß jetzt den nächsten Hochpeis-Kunden abwimmeln ;-)

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AW: Epigenetisch...

von Bernd Jas am 04.02.2016 um 10:37 Uhr

...bedingter ABDA-GABA Überschuss würde ich eher behaupten. Viellicht würde da eher mal ein Spatenschlach oder einen mitte Dachlatte Wunder wirken.
Alaaf!! (;o[])

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