Nicht sehen, nicht wissen?

Retax-Dienstleister nicht qualifiziert

Stuttgart - 28.01.2016, 10:58 Uhr

Wo "darf kein Austausch erfolgen" draufsteht, darf auch kein Austausch erfolgen. Eigentlich. (Foto: Alexander Rausch / Fotolia)

Wo "darf kein Austausch erfolgen" draufsteht, darf auch kein Austausch erfolgen. Eigentlich. (Foto: Alexander Rausch / Fotolia)


Wirkstoffe, die auf der Substitutionsausschlussliste stehen, dürfen in der Apotheke nicht ausgetaucht werden. Doch diese Regelung hat sich offenbar noch nicht zu allen Rezeptprüfstellen der Krankenkassen herumgesprochen. Das Deutsche Apotheken Portal kritisiert die Kontrolleure scharf.

Das auf Abgabe- und Abrechnungsprobleme in Apotheken spezialisierte Deutsche Apotheken Portal kritisiert in scharfen Worten die fehlende Fachkenntnis der von den Krankenkassen mit der Rezeptkontrolle betrauten Stellen. Es würde zur Reduzierung der allerorten beklagten „Retaxwelle“ „schon erheblich beitragen“, wenn für eine „ausreichende Qualifizierung der einzelnen Rezeptprüfer und der verwendeten automatischen Prüfsoftware“ gesorgt würde. Diese Qualifizierung müsse sich auch auf die einzelnen Mitarbeiter erstrecken und „regelmäßig gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften überprüft werden“.

Austausch war explizit ausgeschlossen

Grund für die deutlichen Worten: Die Retaxation eines Rezepts über ein Tacrolimus-Präparat (Prograf®). Obwohl Tacrolimus nicht nur auf der Substitutionsausschlussliste steht, sondern der Arzt den Austausch zusätzlich durch Setzen des Aut-idem-Kreuzes und den Vermerk „Aus medizinisch-therapeutischen Gründen darf kein Austausch erfolgen“ explizit ausgeschlossen hatte, retaxierte die von der KKH mit der Rezeptprüfung beauftragte Firma Inter-Forum das Rezept mit der Begründung „keine Abgabe des rabattbegünstigten Arzneimittels“, wie das DAP berichtet.

Ein Austausch des verordneten Präparats war der Apotheke also gleich doppelt untersagt. Zum einen durch die Substitutionsausschlussliste (Teil B der Anlage der Arzneimittelrichtlinie), die diejenigen Wirkstoffe auflistet, die in den Apotheken nicht gegen Wirkstoff-gleiche (Rabatt-)Arzneimittel ausgetauscht werden dürfen. Zum anderen war der Austausch auch nach dem Arzneiliefervertrag (in diesem Fall mit dem Verband der Ersatzkassen vdek) untersagt, da der Arzt – eigentlich überflüssig – den Austausch durch das Aut-idem-Kreuz ausgeschlossen hatte.

Durch seine schriftliche Ergänzung, die genau dem Wortlaut im Vertrag entsprach, hatte er übrigens sogar den Austausch gegen einen Prograf®-Import untersagt.

Wie das DAP in seinem Newsletter vom 26. Januar schreibt, sind diese Regelungen „jeder Apotheke vertraut und sollten auch für eine qualifizierte Rezeptprüfstelle und deren automatischen Retaxprogramm nach über einem Jahr kein Novum mehr sein“. Die Software der Apotheker bilde die Substitutionsausschlussliste schließlich auch ab und zeige in diesen Fällen eben keine auszutauschenden Rabattarzneimittel mehr an.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Unsauber aufgebrachtes Aut-idem-Kreuz nicht erkannt

Retaxfalle „verschobenes“ Kreuz

Rabattarznei nicht automatisch abgabefähig!

Kreuz verhindert Austausch

Die Substitutionsausschlussliste in der Apotheken-Praxis

Umsetzung nicht immer problemlos

Retax auf das Rabattarzneimittel trotz Austauschverbot

Kreuz versus Rabattvertrag

Vorsicht bei Wirkstoffen der Substitutionsausschlussliste

Retax statt Patientenwohl

Was hat Vorrang?

Aut-idem-Kreuz und Importe

Substitutionsausschlussliste

ABDA plädiert für Klarstellungen

Metaanalyse zur Bioäquivalenz von Original und Generika bei Immunsuppressiva

Nachahmerpräparate auf dem Prüfstand

4 Kommentare

Retax bis zum letzten Cent

von Dietmar Bittenbinder am 28.01.2016 um 19:24 Uhr

Was für Niedergang der C&A Gründerfamilie!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Retax-Dienstleister nicht qualifiziert

von Jörg Wilms am 28.01.2016 um 18:45 Uhr

Wer als Pharmazeutischer Unternehmer eine andere Stelle mit einer Dienstleistung (Lohnherstellung, Lohnanalytik o.ä.) beauftragen will, muss sich von der Kompetenz des Auftragnehmers überzeugen (AMWHV, § 9, Abs.2 und EU-GMP-Leitfaden, Vol. 4, Chapter 7). Dabei ist der Auftraggeber letztlich verantwortlich für die Tätigkeiten, die in seinem Auftrag ausgeführt werden. Offenbar gilt das für Krankenkassen nicht, aber die unterliegen ja auch keiner behördlichen Überwachung, oder???

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Kein passender Schuh

von Sven Gallinat am 29.01.2016 um 7:12 Uhr

Danke, an das Kapitel "Outsourced Activities" musste ich auch gerade denken. Allerdings befürchte ich, daß sich die KKs nicht diesen Schuh anziehen, und ohnehin niemand da ist, der denn KKs aktiv den Schuh verpassen wird....auch wenn es entsprechende Stellen gäbe...

Spätestens....

von gabriela aures am 28.01.2016 um 12:46 Uhr

..seit die Inhaberfamilie von C&A sich ins Retax-Geschäft eingekauft hat, kann man nicht mehr verheimlichen, daß es nicht um Patientensicherheit sondern um Kohle geht.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.