Gute Pillen, Schlechte Pillen

Basische Medizin kann sogar schädlich sein

Stuttgart - 28.01.2016, 10:00 Uhr

Der Körper reguliert den Säure-Basen-Haushalt selbst - außer bei schweren Erkrankungen, schreibt GPSP. (Foto: Monropic / Fotolia)

Der Körper reguliert den Säure-Basen-Haushalt selbst - außer bei schweren Erkrankungen, schreibt GPSP. (Foto: Monropic / Fotolia)


Kann eine Übersäuerung des Körpers Leiden wie Übergewicht oder Krebs verursachen? Zumindest propagiert das die sogenannte „basische Medizin“.  Das pharmakritische Magazin „Gute Pillen, schlechte Pillen“ hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.

Bei bestimmten Krankheiten kann es tatsächlich zu einer „Übersäuerung“ des Körpers kommen. Man spricht dann von einer Azidose, einem potenziell lebensgefährlichen Zustand, bei dem der pH-Wert des Blutes zu niedrig ist. Ein Beispiel hierfür ist die Ketoazidose, eine Form der metabolischen Azidose und eine der gefürchtetsten Komplikationen des Diabetes Mellitus. Sie tritt bei absolutem Insulinmangel auf und wird durch eine zu hohe Konzentration von Ketonkörpern im Blut hervorgerufen. Aber auch Atemprobleme können eine Azidose verursachen. In diesem Fall spricht man von einer respiratorischen Azidose. 

Schlacken und andere Übeltäter

So soll die angeblich chronische Übersäuerung des Körpers im Wesentlichen durch eine falsche Ernährung mit „säurebildenden“ Lebensmitteln entstehen. Die Übeltäter sind nach Ansicht der Basenfreunde tierische Eiweißquellen wie Fleisch, Milch und Käse, aber auch Zucker, Kaffee, Getreideprodukte und Mineralwasser mit Kohlensäure, schreibt GPSP.

Dadurch sollen im Stoffwechsel große Mengen an Säuren entstehen. Da der Körper diesen angeblich nicht Herr werden kann, sollen sich „saure Schlacken“ in den Zellen ablagern. Diese „Schlacken“ belasten den Organismus und verursachen gesundheitliche Probleme, lautet die Theorie. Festgestellt wird dies mittels pH-Messung im Urin. Ist der Wert zu niedrig werden basische Lebensmittel aber auch eine ganze Reihe von Produkten von Basenpulver zum Einnehmen bis hin zu Badezusätzen und Cremes angeboten.  

Geld einfach sparen

Laut GPSP fehlt nicht nur jeglicher Nutzennachweis anhand von seriösen  wissenschaftlichen Studien, das Magazin zweifelt die gesamte Theorie hinter der „basischen Medizin“ an. Diese ignoriere die nachweislich korrekte wissenschaftliche Erkenntnis, dass der Körper den Säure-Basen-Haushalt in der Regel selbst im Gleichgewicht hält. Ausnahmen seien bestimmte Erkrankungen, beispielsweise die oben genannten. Dann könne es tatsächlich zu einer Übersäuerung komme. Das sei dann allerdings ein Fall für den Arzt – und nicht für Nahrungsergänzungsmittel, heißt es in einer Meldung des Magazins.

Nach Ansicht von GPSP sind die basischen Ernährungsempfehlungen nicht nur Humbug, sondern unter Umständen sogar schädlich. Wer sich streng an die basischen Ernährungsempfehlungen hält und komplett auf tierische Produkte verzichtet, riskiere einen Vitamin-B12-Mangel, heißt es. Zudem könnten basische Cremes und Badezusätze den schützenden Säuremantel der Haut angreifen. Es könne dann zu Infektionen kommen, warnt das Magazin.

Und einen konkreten Tipp hat GPSP dann auch noch parat: Das Geld für basische Produkte solle man sich sparen. 


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8 Kommentare

Super Artikel

von Dr. Susanna Kramarz am 22.02.2016 um 18:23 Uhr

Endlich. Endlich. Super, dass GPSP sich mit dem Thema auseinandersetzt, und super, dass die DAZ diese Zusammenfassung publiziert. Vielen Dank!

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Nem

von Martin Mrowitzki am 22.02.2016 um 6:02 Uhr

Ich habe nichts studiert ich habe einschlägige Literatur gelesen und habe mein gesunden Menschenverstand walten lassen viele Krankheiten entstehen durch falsche Ernährung. ...ich habe auch nicht anderes erwartet von dem oben genannten Artikel. ......

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Sehr einseitiger, unreflektierter Artikel

von Annemarie Auer am 18.02.2016 um 9:33 Uhr

Es ist wirklich traurig dass eine "seriöse" Fachzeitschrift einen solchen Artikel veröffentlicht. Hier hätte man sich eine differenziertere Betrachtungsweise gewünscht. Alles Weitere hat Herr Dollacker ja bereits erläutert dem ich mich nur anschließen kann.

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dieser und folgender Artikel

von pelzer am 30.01.2016 um 0:06 Uhr

....bislang dachte ich, eine unabhängige Fachzeitschrift abonniert zu haben...wieso erschient ständig ein Zitat "gute Pillen-schlechte Pillen" als die unumstößliche Wahrheit??!! traurig für unseren Berufsstand- eine kritischere Reflexion wäre angemessen....!!!

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Säure-Basen-Forum

von Dieter Dollacker am 28.01.2016 um 18:52 Uhr

Liebe Kollegen, selten habe ich so viele halbwahre Ungenauigkeiten in einem Artikel gelesen, in einem "Fachartikel" zu einem Thema, mit dem sich der Autor sichtbar wenig auseinander gesetzt hat.
Richtig ist, dass eine Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichtes in der Blutbahn hin zur Blutacidose oder Blutalkalose lebensgefährlich ist, deshalb hat die Blutbahn ja 3 verschiedene Puffersysteme, den Bicarbonat, den Proteinat- und den Phosphatpuffer, die den Blut-pH konstant um pH 7,4 halten.
Bei dem Säure-Basen-Haushalt geht's aber um etwas komplett anderes, die Situation im Bindegewebsraum, der Extrazellulären Matrix, im Augenblick gerne als Fasziennetzwerk beschrieben.
Biochemie: Zellen produzieren bei jeder mitochondrialen Reaktion an deren innerer Membran im Citratzyklus Protonen (kann in jedem Biochemiebuch nachgelesen werden..), und diese anfallenden Protonen - egal ab die Energielieferanten hier Eiweiß, Zucker oder Fett heißen!- eliminiert das Mitochondrium zweistufig in das Zellinnere und die Zelle wiederum im Austausch gegen Kaliumionen aus der Zelle hinaus in das die Zelle umgehende Bindegewebesmilieu, Das Bindegewebe (= extrazelläre Matrix) puffert diese sauren Protonen an ihrer Oberflächenstrukturproteinen wie Kollagenen und Preoteoglykane, die aufgrund ihrer sauren Struktur hier normalerweise Calcium und Magnesiumionen binden, die durch diese Protonen verdrängt werden. Als Gegenmechanismus zur Wiederherstellung des Neutralzustandes dienen Ca- und Mg-Ionen von der Knochenoberfläche, die hauptsächlich nächtlich die Protonen aus dem Bindegewebe in die Blutbahn verdrängen, wo sie dann an Bicarbonat gepuffert zur Leber transportiert werden, um via Harnstoffzyklus eliminiert zu werden.
Überwiegt nun über Jahre hinweg die kalorienreiche Kost, versiegt dieser körpereigene Regulationsmechanismus, und es kommt zu einer mittelfristigen Belastung der Extrazellulären Matrix durch Protonen, kurz die latente Azidose findet also in der Bindegewebsmatri statt. Und nicht in der Blutbahn, wie immer geschrieben.....Das ist einfach falsch.
Eine empfohlene eiweißarme Ernährung ist aber gleichzeitig meist eine kalorienarme Ernährung, denn mit der Reduktion - kein Eiweißverzicht, das ist lebensgefährlich wegen B12-, Zinkmangel etc. - des Eiweißes geht halt auch eine Energiereduktion, aber eben auch eine Reduktion der Protonenlast, einher. Genauso könnte und soll aber auch an den einfachen Kohlehydraten und am Fett gespart werden, und auch das passiert bei einer "basischen" Ernährung gemäß PRAL-Tabellen.
Für Studien zum Thema Säure-Basen-Haushalt verweise ich einfach mal an all die internationale Literatur, die z.B. unter www.saeure-basen-forum.de vor allem von Prof. Vormann über Jahre zusammengetragen wurde.
Und dass in D aufgrund der rechtlichen Lage keine "Studien" mit NEMs durchgeführt werden dürfen - anders als bei AMs - sollten sich ebenfalls bereits in den Fachkreisen herumgesprochen haben. Wer Sie suchen will, findet sie aber trotzdem .....

Und wer in einem Artikel alle 3 verschiedenen Körperkompartimente, die beim SBH eine wichtige Rolle spielen - Zelle(Mitochondrium) - EZM - Blutbahn (+ Leber) wild durcheinander zu würfeln, sollte als Medizinjournalist besser recherchieren und nicht nur bei GPSP nachlesen..

Für eine komplexe Darstellung des Themas SBH und Bindegewebsmatrix empfehle ich mal ein Standardwerk der Ganzheitlichen Medizin, O.Ploss Moderne Praxis bewährter Regulationstherapien.

Schönen Abend
Dieter Dollacker
Apotheker - Baubiologe IBN
Zusatzbezeichnung (BLAK) Ernährungsberatung - Homöopathie und Naturheilverfahren

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Aw.Quacksalberei??

von Reinhard Rodiger am 28.01.2016 um 18:46 Uhr

@ Lukas Geisler
Vom Blut-pH ist nicht die Rede. Nach Sander gibt es einen Rythmus von basischer bis saurer Reaktion des Urin-pH. Das ist ein Zeichen dafür, dass etwas passiert.Bleibt die Rythmik aus, kann sie durch Basengabe korrigiert weden.Über diese Gegebenheiten geht die "Medizin" weg. Was das Blut angeht haben Sie recht, darum geht es hier aber nicht.
Ich betrachte es eben als zu einseitig, diese pH-Schwankungen ausser Acht zu lassen. Denn auch der Nachweis der Irrelevanz ist bislang nicht da.

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Zuviel Einsetigkeit

von Reinhard Rodiger am 27.01.2016 um 22:24 Uhr

Dass basische Ernärungsempfehlungen keineswegs Humbug sind beweisen Jahrtausende alte Ernährungslehren aus Indien und China. Gemeinsames Merkmal ist Verzicht auf zuviel Eiweiss.-vor allem tierisches.Allerdings häufig aus Mangel. Eiweissüberschuss als Hauptursache vieler degenerativer Krankheiten ist ein klassisch verdrängtes Thema der Medizin. Nicht zuletzt , weil die Nachweisbarkeit den kurzfristigen Interessen zuwiderläuft.Auch, dass die Azidose mit Bezug auf Diabetes anderer Herkunft ist als die Übersäuerung zB des Gewebes, sollte berücksichtigt werden. Es ist ja so bequem, so einseitig zu sein. Das ist wissenschaftlich verbrämte Irreführung-eben ideologisch gezeugt.
Schade, so unkritisch zu berichten.

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AW: Jahrtausende alte Lehren...

von Lukas Geisler am 28.01.2016 um 8:07 Uhr

Das sagt doch schon alles. Da man in dieser Zeit noch keinerlei Kenntnisse über den menschlichen Metabolismus hatte und selbstverständlich auch nicht die diagnostischen Methoden der modernen Medizin zur Verfügung standen, vertrauen ich lieber auf die Erkenntnisse neuerer wissenschaftlicher Studien, die auf all dies zurückgreifen können. Das ein Übermaß an tierischem Eiweiß bzw. tierischen Produkten bei bestimmte Patientengruppen schädlich sein kann ist unbestritten. Es gilt wie bei allen Dingen im Leben Maß zu halten. Bestimmte Beschwerden jedoch auf eine "Übersäuerung" des Blutes zurückzuführen oder auf eine ominöse Schlacke, die sich im Körper befinden soll, halte ich schon für mehr als unwissenschaftlich. Was soll darüberhinaus die Einnahme von basischen Carbonaten bzw. Hydrogencarbonaten in Form von Pulvern oder Tabletten bewirken? Diese wurden bei Kontakt mit der Salzsäure des Magens sofort in Kohlendioxid umgewandelt und gelangen überhaupt nicht ins Blut. Ein saurer pH-Wert des Urins lässt auch keine Rückschlüsse auf einen sauren pH-Wert des Blutes zu, sondern zeigt vielmehr an, dass sich der Körper bestimmter saurer Verbindungen entledigt um den pH-Wert des Blutes konstant zu halten. Man kann die basische Medizin daher ohne Reue als Quacksalberei bezeichnen.

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