Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen

Bluttest unterscheidet virale von bakteriellen Atemwegsinfekten

Durham/Jena - 21.01.2016, 07:15 Uhr

Unsicherheit in der Therapie: "Etwa drei Viertel der Patienten bekommen schließlich Antibiotika gegen eine bakterielle Infektion, trotz der Tatsache, dass die meisten von ihnen Virusinfektionen haben.” (Foto: Jack F / Fotolia)

Unsicherheit in der Therapie: "Etwa drei Viertel der Patienten bekommen schließlich Antibiotika gegen eine bakterielle Infektion, trotz der Tatsache, dass die meisten von ihnen Virusinfektionen haben.” (Foto: Jack F / Fotolia)


Mittels der Analyse von Gensignaturen kann ein neues Verfahren schnell und eindeutiger den Auslöser einer Erkrankung der Atemwege ermitteln. Es bringt laut Experten bessere Ergebnisse als der Procalcitoin-Test. 

Ein Bluttest kann recht zuverlässig zwischen bakteriellen und viralen Infektionen der Atemwege unterscheiden – und damit dem übertriebenen Einsatz von Antibiotika vorbeugen. Das Verfahren analysiert die Aktivierungsmuster bestimmter Gene – sogenannte Gensignaturen. In einer Studie schnitt es besser ab als der vielerorts gängige Procalcitonin-Test, wie die Forscher im Fachblatt “Science Translational Medicine” schreiben. Ihr Ziel ist ein Schnelltest, der binnen einer Stunde Klarheit über die Ursache eines Infekts bringt. Ein deutscher Experte spricht von einem Blick in die Zukunft.

“Atemwegsinfekte zählen zu den häufigsten Gründen, aus denen Menschen zum Arzt gehen”, wird Erstautor Ephraim Tsalik von der Duke University in Durham (US-Staat North Carolina) in einer Mitteilung der Uni zitiert. “Etwa drei Viertel der Patienten bekommen schließlich Antibiotika gegen eine bakterielle Infektion, trotz der Tatsache, dass die meisten von ihnen Virusinfektionen haben.” Das Problem ist, dass Ärzte bei der Untersuchung kaum zwischen einer – fast immer viral verursachten – Bronchitis und einer beginnenden Lungenentzündung, die meist auf Bakterien zurückgeht, unterscheiden können. Um kein Risiko einzugehen, verordnen viele sicherheitshalber Antibiotika.

Zuverlässige Ergebnisse

Doch der unnötige Gebrauch dieser Arzneimittel birgt Risiken – sowohl für den Patienten, etwa Magen-Darm-Beschwerden, als auch für die öffentliche Gesundheit. “Die zunehmenden Resistenzen von Bakterien gegen Antibiotika sind ein großes Problem”, bestätigt Mathias Pletz, Direktor des Zentrums für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Uniklinikum Jena. Daher sei es vordringlich, den Antibiotika-Verbrauch zu senken.

US-Präsident Barack Obama hatte mit Blick auf die Problematik 2014 eine Arbeitsgruppe geschaffen, die neue Diagnoseverfahren finden soll. Das Team um Tsalik ermittelte nun zunächst typische Gensignaturen im Blut, die mit bakteriellen oder viralen Infektionen einhergehen. Ihren Test prüften sie zunächst an fünf Datenbanken und danach an knapp 320 Patienten in Klinikambulanzen. Bei 115 von ihnen waren Viren – etwa Grippe- oder Rhinoviren – Ursache der Atemwegsprobleme, bei 70 Teilnehmern ging die Infektion auf Bakterien zurück, 88 Patienten hatten eine nicht-infektiöse Erkrankung, und 44 Menschen waren gesund.

In 87 Prozent der Fälle ermittelte das Verfahren zuverlässig die Ursache der Beschwerden. Der bislang am besten untersuchte Procalcitonin-Test (PCT), der bislang nicht als Schnelltest zur Verfügung steht, kommt den Forschern zufolge auf eine Trefferquote von 78 Prozent. Die Wissenschaftler wollen ihren Test nun so weiterentwickeln, dass er binnen einer Stunde ein Ergebnis liefert. Dies würde den Nutzen in der medizinischen Praxis deutlich steigern.

Antibiotika-Verbrauch senken

Pletz spricht von einer sehr durchdachten Studie. Er lobt, dass die Forscher Gruppen mit verschiedenem genetischem Hintergrund einbezogen hätten und auch kranke Menschen ohne eine Infektion. “Das Verfahren bietet einen Blick in die Zukunft”, sagt der Experte.

Zurzeit könne man sich aber auch anders behelfen, betont Pletz und verweist auf eine Studie aus Hannover. Dort hätten Ärzte Patienten zwar Rezepte für Antibiotika ausgestellt, aber mit der Bitte, sie nicht sofort einzulösen, sondern am Folgetag in der Praxis anzurufen – wenn das Ergebnis des PCT-Tests vorlag. Das Rezept sollten sie nur bei einer bestätigten bakteriellen Ursache einlösen. Damit sei der Antibiotika-Verbrauch um etwa 40 Prozent gesunken.

Quelle: Science Translational Medicine, Fachartikelnummer DOI: 10.1126/scitranslmed.aad6873


Walter Willems, dpa
redaktion@daz.online


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