Pharmacon Schladming

Obstipation - Mythen und Legenden

Schladming - 19.01.2016, 21:25 Uhr

Wenn der Toilettengang zur Qual wird: Beim Thema „Verstopfung“ gibt es viel Aufklärungsbedarf. (Bild: Andrey Popov / Fotolia)

Wenn der Toilettengang zur Qual wird: Beim Thema „Verstopfung“ gibt es viel Aufklärungsbedarf. (Bild: Andrey Popov / Fotolia)


Um das Thema Obstipation und Laxanzien ranken sich viele Mythen und Legenden. Obwohl vieles davon mittlerweile als widerlegt gilt, hält es sich dennoch hartnäckig - auch in der Beratung. Apothekerin Dr. Hiltrud von der Gathen hat in ihrem Vortrag auf dem Pharmacon in Schladming Fakten geschaffen.

„Verstopfung ist selbst verschuldet und hat daher keinen Krankheitswert“ oder „Verdauungsbeschwerden lassen sich mit Lebensstiländerungen in den Griff bekommen“: Diese traditionelle Sichtweise auf die Obstipation sorge dafür, dass die Patienten in eine Ecke gestellt würden, kritisiert Apothekerin Hiltrud von der Gathen aus Recklinghausen in einem ihrer wie gewohnt praxisnahen Vorträge auf dem  Pharmacon in Schladming. Die Vorurteile hätten auch dazu geführt, dass Laxanzien aus der Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen wurden, wie auch zur allgemeinen Aberkennung des Leidensdrucks. Laut von der Gathen komme erschwerend hinzu, dass viele Dinge, die mittlerweile widerlegt sind, aus den Köpfen nicht wegzukriegen sind und einer wirksamen Therapie daher oft im Wege stehen. Mit einigen der Mythen um Obstipation und Laxanzien räumte die Apothekerin auf.

Flüssigkeit, Bewegung und Ballaststoffzufuhr

In der Regel wird Patienten mit Verstopfung erst einmal empfohlen, mehr zu trinken. Das hätte aber nur einen Effekt, so von der Gathen, wenn der Betreffende dehydriert ist. Bei einer normalen Flüssigkeitszufuhr zwischen 1,3 und 1,5 Liter am Tag bringe eine weitere Steigerung nichts. Außerdem besteht bei einigen Grunderkrankungen eine ärztlich verordnete Flüssigkeitsrestriktion. Diesen Patienten könne man nicht einfach empfehlen, mehr zu trinken. 

Ein weiterer häufig ausgesprochener Rat bei Verstopfung lautet: „Mehr Bewegung“. Dies ist von vielen, vor allem älteren Patienten, gar nicht umzusetzen. Zudem, berichtete von der Gathen, hätte eine zusätzliche Stunde Sport am Tag laut einer Studie keine Auswirkung auf den Stuhlgang – weder bei Verstopfung noch bei normaler Verdauung. 

Auch bei der Ballaststoffzufuhr gibt es häufig Umsetzungsschwierigkeiten. Um die empfohlene Menge von 30 g Ballaststoffen am Tag zu sich zu nehmen, müsse man in den Augen von Hiltrud von der Gathen ein „Müsliapostel mit Birkenstock-Sandalen“ sein. Ältere Menschen könnten diese Mengen aus verschiedenen Gründen gar nicht bewältigen, beispielsweise weil die Speichelproduktion im Alter nachlässt, anticholinerge Arzneimittel eingenommen werden, die Mundtrockenheit verursachen, oder einfach das Gebiss nicht mehr so gut sitzt. „Da wird dann die Vollkornschnitte mit Radieschen und Paprika zur lukullischen Herausforderung“, so von der Gathen. 

Hypokaliämie und Abhängigkeit

Doch nicht nur zur Verstopfung selbst, sondern auch zu den Laxanzien halten sich einige Legenden hartnäckig. Zum Beispiel, dass der Dauergebrauch von Laxanzien immer zu Hypokaliämie und somit zu einer Verschlimmerung der Obstipation führe. Elektrolytverluste träten aber nur bei zu weichen Stühlen auf, so von der Gathen. Bei normaler Stuhlkonsistenz, wie sie bei der Therapie der chronischen Obstipation anzustreben ist, sei dies kein Problem. Auf einen längerfristigen Einsatz salinischer Laxanzien wie Glaubersalz sollte allerdings verzichtet werden, da es hier immer zu Elektrolytverlusten kommt. 

Auch die vielzitierte Abhängigkeitsgefahr ist laut von der Gathen ein Mythos. Tritt nach Absetzen des Abführmittels die Obstipation wieder auf, sei das keine Abhängigkeit, sondern die Krankheit ist schlicht immer noch vorhanden. Und eine Verschlechterung der Symptome sei eine Verschlechterung der Krankheit „Verstopfung“ – und mitnichten ein Rebound.


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3 Kommentare

Abführmittel

von Heiko Barz am 19.01.2016 um 16:39 Uhr

Ich bekam vor nicht allzu langer Zeit Besuch eines sogenannten Pseudo - Costumers, der verdeckt eine 20 er Packung Dulcolax kaufte. Nach seinem Outing erklärte er die Beratung für unzureichend, weil genau die oben angegebenen Interaktionen zu einer weitreichenderen Beratung hätten führen müssen.
Bei meiner 50jährigen Pharmazeutischen Erfahrung fand ich diese Belehrung von einem anscheinend länger schon aus dem aktiven Dienst entfernten " Kollegen " für anmaßend und habe ihm das auch deutlich gemacht. Auch wenn er sich auf irgendwelche Kammerrichtlinien berief, so ist es doch eher lächerlich bei einer 20 er Packung Dulcolax solch einen Aufstand zu machen.
Der Apothekerkammer werde ich auch noch ein dementsprechendes Monitum zukommenlassen lassen.
Wer nimmt sich eigentlich das Recht, uns in dieser Weise diskriminierend vorzuführen bei solch lächerlichen Vorhaltungen?
Wenn das nun den zukünftigen Weg bedeutet, die AMTS zu forcieren, dann kann ich nur noch froh sein, diesen Zirkus mit all seinen machthungrigen Protagonisten umgehend zu verlassen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Kommentar Heiko Barz

von Wolfgang Steffan am 21.01.2016 um 8:44 Uhr

Sie haben völlig richtig gehandelt, lieber Kolllege !
Zusätzlich hätten Sie diesem Kammerspitzel noch Hausver-
bot erteilen und per Fußtritt aus dem Offizin entfernen müssen.
Wenn wir mehr solche Kollegen wie Sie hätten, würden sich
die Kammern(die angebl. auch unsere Interessen vertreten !)und andere wasserköpfige Verwaltungsorgane nicht so viel
herausnehmen.

AW: Frechheit

von Birgit Fichte am 21.01.2016 um 18:22 Uhr

Ich hatte ein ähnliches Prozedere letztes Jahr wegen einer 4er -Packung Microklist! Wenn der Apothekerberuf schon bei der Politik keine nennenswerte Beachtung findet, dann doch wohl wenigsten bei der Standesvertretung!!! Danach sehne ich mich schon seit Jahren vergeblich, mit den Beiträgen müßte ich mir eigentlich jedwege Unterstützung "erkauft" haben!

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