Biotrial-Zwischenfall

BfArM und vfa versuchen zu beruhigen

Rennes - 19.01.2016, 14:11 Uhr

Wie geht es weiter nach dem Zwischenfall in Rennes? (Foto: picture alliance / dpa)

Wie geht es weiter nach dem Zwischenfall in Rennes? (Foto: picture alliance / dpa)


Nach Bekanntwerden von Details zur Biotrial-Studie mit dem Wirkstoff BIA 10-2474 in Rennes und seinen schrecklichen Folgen versuchen sowohl Behörden als auch Industrie, die Diskussion zu versachlichen. Zu diesem Zweck haben sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen zu Wort gemeldet.

Das BfArM nehme den schweren Zwischenfall bei einer klinischen Prüfung eines neuen Arzneimittels in Rennes, Frankreich, sehr ernst, heißt es in einer Pressemitteilung der Arzneimittelbehörde. Genauere Informationen zu den möglichen Ursachen lägen der Behörde zurzeit nicht vor. Ob eine Änderung der gültigen Vorschriften und Standards zu klinischen Studien erforderlich sein wird, sei derzeit noch nicht absehbar. Die europäischen Behörden stünden in engem Kontakt und stimmten das weitere Vorgehen untereinander ab. 

Keine Studien mit BIA 10-2474 in Deutschland

In Deutschland würden keine Studien mit dem betreffenden Hemmstoff der „Fettsäureamid-Hydrolase“ (FAAH) durchgeführt. Derzeit sei auch kein entsprechendes Arzneimittel zugelassen. Das BfArM habe bislang insgesamt sieben klinische Prüfungen mit FAAH-Inhibitoren genehmigt. Alle seien bereits beendet worden, ohne dass irgendwelche schweren Zwischenfälle  bei Patienten oder gesunden Probanden berichtet worden seien.

Große Sorgfalt bei der Genehmigung

Seit 2004 müssten klinische Prüfungen in Europa behördlich genehmigt werden. Hierzu prüften die  Wissenschaftler des BfArM die Unterlagen zur pharmazeutischen Herstellung der Prüfarzneimittel, die Angemessenheit und die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Vorprüfungen sowie den Prüfplan. Dieser beschreibt genau, wie eine Studie durchgeführt werden soll. Ebenso müssen Ethik-Kommissionen den Studienplan prüfen und freigeben. 

Viele Beanstandungen bei Genehmigungsanträgen

Nach Auskunft des BfArM wird rund die Hälfte aller Erstanträge auf Genehmigung einer klinischen Prüfung beanstandet. Das heißt, es würden Nachbesserungen oder Nachlieferungen gefordert. Diese würden aber meist ordnungsgemäß bedient. Am Ende könnten etwa 95 Prozent der beantragten Studien genehmigt werden. 

Keine vergleichbaren Fälle in Deutschland

In den letzten 11 Jahren habe das BfArM mehr als 10.000 klinische Prüfungen genehmigt. Darunter waren 2.700 klinische Erprobungen mit mehr als 100.000 gesunden Freiwilligen. Trotz dieses hohen Aufkommens habe man bisher keinen einzigen schwerwiegenden Zwischenfall dieser Art und Schwere beobachtet. Zum Beleg des hohen Sicherheitsgrades der klinischen Forschung führt das BfArM außerdem Zahlen aus Europa an: Seit Erhöhung der Sicherheitsanforderungen im Jahr 2007 seien in der EU mehr als 12.000 klinische Prüfungen der Phase I durchgeführt worden, ohne dass ein schwerwiegender Zwischenfall dieser Art gemeldet worden sei.

Sicherheit aller Teilnehmenden hat Vorrang 

In einer aktuellen Pressemitteilung mahnt auch der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland vfa eine sachliche Diskussion über die Sicherheit in Studien an. „Wir sind bestürzt über die Ereignisse bei einer Arzneimittelstudie in Frankreich. Wir hoffen, dass die Aufklärung bald zeigt, was zu diesen dramatischen und außergewöhnlichen Ereignissen geführt hat", sagte Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung/Entwicklung/Innovation des Verbands in Berlin.

Den Vorwurf, Pharma-Unternehmen würden der Schnelligkeit Vorrang vor der Sicherheit der Studienteilnehmer geben, bezeichnete Throm als haltlose Unterstellung. „Die Pharma-Unternehmen haben selbst höchstes Interesse daran, dass keinem Teilnehmer in ihren Studien etwas passiert. Und sie müssen sich an ein umfangreiches Programm von Sicherheitsvorschriften halten, was auch behördlich überprüft wird." 

Merkblatt und Info-Broschüre für Studienteilnehmer

Der vfa stellt auf seiner Webseite ein Merkblatt für Studienteilnehmen mit dem Titel „Fragen, die Sie der Ärztin oder dem Arzt vielleicht stellen wollen“ sowie eine Informationsbroschüre „Patienten in klinischen Studien“ zum Download bereit. Die Broschüre kann dort auch als Print-Version angefordert werden.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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