ABDA-Pressesprecher

Teures Ende einer „saublöden Geschichte“

Stuttgart - 11.01.2016, 17:40 Uhr

Pressesprecher-Prozess: die beklagte Apothekerin wurde  zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden verurteilt.  (Bild: helmutvogler-Fotolia.com)

Pressesprecher-Prozess: die beklagte Apothekerin wurde zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden verurteilt. (Bild: helmutvogler-Fotolia.com)


„Saublöde Geschichte“ und „Shit happens“: So bezeichnete ABDA-Präsident Schmidt 2013 die kürzeste Amtszeit eines ABDA-Pressesprechers aller Zeiten. Noch bevor Sven Winkler seinen Posten antrat, war er ihn schon wieder los. In einem Online-Forum hatte eine Apothekerin schwere Vorwürfe gegen Winkler erhoben. Dieser klagte – und hat nun Recht bekommen.

Am 29. April 2013 stellte die ABDA einen neuen Pressesprecher vor: Sven Winkler sollte Florian Martius beerben, der kurz zuvor nach nur einem Jahr aus familiären Gründen gekündigt hatte. Noch am selben Tag erhob eine Apothekerin in einem Online-Kommentar schwere Vorwürfe gegen Winkler. Ihm sei wegen Verstößen gegen das Reisekostengesetz von seinem vorherigen Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Fachmedien, darunter auch DAZ.online, griffen diesen Vorwurf auf, die ABDA gab am folgenden Tag bekannt, dass Winkler sein Amt nicht antreten werde.

Apothekerin muss zahlen - auch noch entstehende Schäden

Winkler ging unverzüglich in die juristische Offensive: Sein Anwalt forderte DAZ.online und Apotheke adhoc auf, die Vorwürfe der Apothekerin von ihren Internetseiten zu entfernen. Die Apothekerin mahnte er ab. Da diese die Zahlung ablehnte, ging Winkler vor Gericht. Das Landgericht München I verurteilte die Apothekerin nun dazu, die Verbreitung ihrer Vorwürfe im Internet zu unterlassen, zur Zahlung der Abmahnkosten von rund  2000 Euro sowie zum Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden, die dem Kläger bereits entstanden sind oder noch entstehen.

Die Befragung mehrerer Zeugen, darunter auch ABDA-Präsident Schmidt und -Hauptgeschäftsführer Schmitz, habe bestätigt, dass die im Internet erhobenen Vorwürfe und die darauf folgende Diskussion der Grund gewesen seien, dass Winkler sein Amt bei der ABDA nicht antrat. Zwar war unstreitig, dass Winkler im Dezember 2012 von seinem Arbeitgeber zunächst fristlos entlassen worden war. In einem Vergleich vor dem zuständigen Arbeitsgericht wurde die Kündigung jedoch in eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsvertrags umgewandelt. Außer Frage stand auch, dass es seitens Winkler Verstöße gegen Reisekostenbestimmungen gegeben hatte. Diese seien aber weder Grund noch Anlass für die fristlose Kündigung gewesen.

Kündigungsgründe bleiben offen

Nach Auffassung des Landgerichts handelte es sich beim Posting der Apothekerin um eine Tatsachenbehauptung und nicht um eine bloße Meinungsäußerung. Da die Behauptungen falsch seien, seien sie nicht als Meinungsäußerung schutzwürdig. Der Kläger habe auch Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte ihm zum Ersatz seines zukünftigen, noch nicht bezifferbaren Schadens verpflichtet sei. Auf die beklagte Apothekerin könnten also durchaus noch weitere Schadenersatzansprüche zukommen.

Offen blieb in dem Verfahren vor dem Landgericht weiterhin, welche anderen Gründe zur ursprünglichen fristlosen Kündigung Winklers bei seinem früheren Arbeitsgeber geführt hatten. Eine Akteneinsicht beim Arbeitsgericht, die diese Frage hätten beantworten können, wurde vom Anwalt der Apothekerin offensichtlich nicht beantragt.

Ob das Urteil des Landgerichts München I rechtskräftig wird, ist noch offen. Die verurteilte Apothekerin hat die Möglichkeit innerhalb eines Monats beim Oberlandesgericht Berufung einzulegen.


Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

Trumpfkarte für die Revision

von Dr.C.M. Klotz am 11.01.2016 um 20:17 Uhr

Vielleicht ist die nachgeholte Akteneinsicht ja die Trumpfkarte für die Revision. Gibt es schon eine schriftliche Begründung?
Sonst müssen wir die erst abwarten.
Hätte es das Posting nicht gegeben, hätte die Community keine Recherche gestartet und die Sache mit Winklers Web-Seite, worum ging es noch einmal? unvollständiges Impressum ?? ... wäre nicht erfolgt.
Lässt sich nicht das Fazit ziehen, dass zu einem vielleicht vorschnellen Posting eben weitere Details kamen, die letztlich zu einem Gesamtbild geführt haben, dass zu einem nicht weiteren Festhalten am Bewerber geführt hat?
Sie mag also der Stein des Anstoßes gewesen sein, aber gestrickt hat die ABDA selbst. Wäre es nur das Gerücht gewesen, hätte sich die ABDA abgewendet?
Es kann natürlich fraglich sein, ob ein Bewerber, der eine fristlose Kündigung vor Gericht in einen einvernehmlichen Vergleich verwandeln kann, geeignet ist. Fraglich ist auch, ob ein Euphemismus zwar juristisch, aber eben nicht psychologisch eine Sache heilt.
Deswegen ist eher wahrscheinlich, dass die Entwicklung der Situation wahrscheinlich ein Segen für die ABDA war.
Andererseits hat der nachfolgende Pressesprecher auch nicht lange durchgehalten. Persönliche Gründe sind auch ein schöner Euphemismus in der Politik. Die wahren Hintergründe sind oft weniger erbaulich. Es spricht sicher nicht für die Attraktivität der ABDA als Arbeitgeber.

Die Kollegin hat das Problem, dass Winkler wahrscheinlich seine Schadensansprüche noch nicht formuliert und in der Höhe beziffert hat. Sollte er sich jetzt bedeckt halten, könnte eine Revision überflüssig sein. Kommt er später damit raus, hat sie eventuell die Frist zur Revision versäumt.

Es sieht also so aus, als ob sie den Schwarzen Peter zur Aktivität hat.

Aus dem Artikel wird leider nicht ersichtlich, ob man der Argumentation der Kollegin hätte folgen können und die Richterin sich bewusst dagegen entschieden hat. Dann wird die Begründung des Urteils spannend.
Ich als Richter hätte anders entschieden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Textfehler

von dr.c.m.klotz am 12.01.2016 um 22:57 Uhr

Tja, leider gibt es hier nicht die Korrekturmöglichkeiten wie bei apotheke-adhoc, oder ich kenne sie nur nicht, aber ich habe etwas falsch geschrieben:
Natürlich muss es heißen: Andererseits hat der vorhergehende Pressesprecher ...
sonst macht der Text keinen Sinn.

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