onkologische Arzneimittel

Große Preisunterschiede im Ländervergleich

Stuttgart - 21.12.2015, 12:07 Uhr

Große Differenz bei den Ausgaben bei Krebstherapien: Gemcitabin belegt dabei einen Spitzenplatz, gefolgt von Interferon alfa 2b. (Foto: Fotolia)

Große Differenz bei den Ausgaben bei Krebstherapien: Gemcitabin belegt dabei einen Spitzenplatz, gefolgt von Interferon alfa 2b. (Foto: Fotolia)


Die Preise für innovative Krebsarzneimittel variieren zwischen Industrieländern beträchtlich. In einer Studie wurde Deutschland neben der Schweiz, Dänemark und Schweden als eines der eher hochpreisigen Länder identifiziert.

Die hohen Ausgaben für Krebstherapien und die hohen Preise für innovative Arzneimittel in diesem Bereich erregen zunehmend Aufmerksamkeit. Das „WHO Collaborating Center for Pharmaceutical Pricing and Reimbursement Policies“, das zur Gesundheit Österreich GmbH gehört, hat jetzt untersucht, wie sich die Preise für solche Arzneimittel in Industrieländern unterscheiden. Die Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten „The Lancet Oncology“ veröffentlicht.

Konzept der Studie

In der Studie wurden die offiziell ausgewiesenen Herstellerabgabepreise von 31 Arzneimitteln in 16 europäischen Ländern sowie Australien und Neuseeland im Juni 2013 verglichen. Staaten des ehemaligen Ostblocks gingen dort nicht ein. Betrachtet wurde jeweils der Preis für eine gängige Applikationseinheit (Ampulle oder Tablette) von Tyrosinkinaseinhibitoren, monoklonalen Antikörpern, Zytostatika und diversen anderen Arzneimitteln, die in der Onkologie und teilweise bei weiteren Indikationen eingesetzt werden.

Allerdings lagen nicht aus allen Ländern Daten für alle Arzneimittel vor. Die niedrigsten Preise für eine Einheit lagen nie unter 10 Euro, für sechs Arzneimittel zwischen 250 und 1.000 Euro und für sieben Arzneimittel über 1.000 Euro.

388 Prozent drüber in Neuseeland

Der höchste Preis für ein Produkt lag zwischen 28 und 388 Prozent über dem niedrigsten Preis für dieses Arzneimittel. Für zehn Arzneimittel betrug diese Differenz bis zu 50 Prozent, für 16 Produkte zwischen 50 und 100 Prozent und für drei Produkte zwischen 100 und 200 Prozent. Die größte Differenz von 388 Prozent wurde für Gemcitabin mit dem höchsten Preis in Neuseeland und dem niedrigsten Preis in Australien festgestellt.

An zweiter Stelle stand Interferon alfa 2b mit 223 Prozent, gefolgt von Gefitinib und Zoledronsäure. Für Gemcitabin und Zoledronsäure war das Patent jedoch bereits abgelaufen und es wurden nur die Preise der Originalanbieter betrachtet. Naturgemäß schwankten diese Preise zwischen Ländern mit und ohne generische Konkurrenz erheblich.  

Im Vergleich zum Mittelfeld der Preise gab es in Griechenland und Großbritannien mehrere Preisausreißer nach unten und in Deutschland, der Schweiz und Schweden Ausreißer nach oben.

In der Gesamtbetrachtung ermittelten die Autoren, dass Griechenland, Spanien, Portugal und Großbritannien das untere Ende der Preisskala bilden, während die Schweiz, Deutschland, Dänemark und Schweden am obere Ende stehen.

Für 22 von 31 Arzneimitteln lagen die ermittelten Preise in Deutschland im oberen Viertel der Spannweite, in acht Fällen hatte Deutschland den höchsten Preis.

Rabatte fehlen

Die Autoren der Studie benennen als wesentliche Schwäche ihres Vergleichs, dass sie nur Listenpreise heranziehen konnten. Abschläge durch gesetzliche Vorschriften oder aufgrund von Verträgen zwischen Herstellern und Kostenträgern gingen nicht ein, zumal einige Abschläge geheim sind. Dies kritisieren die Autoren als Hindernis für die in einigen Ländern angewendeten Preisreferenzierungssysteme, die sich nur auf Listenpreise beziehen können. Daher fordern die Autoren mehr Transparenz.

Interpretation der Studie

Doch dies dürfte nicht die einzige Schwäche sein. Viele betrachtete Arzneimittel werden üblicherweise nicht als Fertigarzneimittel, sondern als individuell dosierte Zubereitungen angewendet. Doch zur Preisbildung für diese Spezialrezepturen können Auf- oder Abschläge zu den Fertigarzneimittelpreisen gehören, die von der Pharmaindustrie antizipiert werden.

Außerdem wird die Preisbildung in den meisten Ländern durch staatliche Vorschriften beeinflusst. Solche Regularien beschränken die Möglichkeiten der Preisbildung in einigen Ländern, während anderswo Rabattverhandlungen mit den Herstellern obligatorisch sind und die Listenpreise dort wenig aussagen. Soweit die Listenpreise überhaupt relevant sind, dürften sie also in erster Linie zeigen, welche preislichen Spielräume die Länder bieten. Die Ergebnisse sagen daher wohl mehr über die nationalen Gesundheitssysteme als über das Verhalten der Hersteller aus. Denn alle Hersteller dürften ihre Preisstrategien an den Regularien, den Ergebnissen der jeweiligen Nutzenbewertungen und den Preisen der Vergleichsprodukte ausrichten. Das Ergebnis ist eine Preisdifferenzierung, wie sie auch in weniger regulierten Märkten stattfindet.

Die Vorstellung, die Preise müssten in allen Ländern gleich sein, ist ökonomisch naiv. Allerdings muss aus Herstellerperspektive auch der Markt mit dem niedrigsten Preis einen positiven Deckungsbeitrag liefern. Das wichtigste Ergebnis ist daher wohl, dass in verschiedenen Ländern zwar Trends zu eher hohen oder eher niedrigen Preisen bestehen, aber bei einzelnen Wirkstoffen Abweichungen möglich sind.


Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Viele Defizite

von Dr. Thomas Müller-Bohn am 22.12.2015 um 9:59 Uhr

an J. Berlitz: Die Studienautoren weisen selbst deutlich auf das Problem der nicht erfassten Rabatte hin. Ich verstehe das so, dass sogar die bekannten Rabatte nicht eingehen. Denn die Preise stammen aus einer in Österreich geführten internationalen Datenbank und diese hat wohl gar nicht die Struktur, um all die vielen verschiedenen Arten von Nachlässen in den Ländern abzubilden. Das schränkt den Wert der Studie sehr ein. Daher habe ich an den Bericht über die Studie auch meine eigene Interpretation angehängt, auf das Problem der Rezepturpreisberechnung hingewiesen und das Fazit gezogen, dass die Studie nur grobe Trends zeigen kann. Doch sie scheint mir erwähnenswert, weil es der erste so umfassende publizierte Vergleich ist. Außerdem zeigt sie, wie schwer ein fairer Vergleich zu erstellen ist. Ihr Kommentar beschreibt genau, wo eines dieser Probleme liegt.

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Rabatte intransparent?

von Johannes Berlitz am 21.12.2015 um 20:30 Uhr

Die Autoren benennen das fehlende Einbringen von Rabatten zu Recht als große Schwäche ihrer Untersuchung. Geheim sind die Preisnachlässe aber nur zum Teil. Sie sind es im Fertigarzneimittelmarkt, und da auch nur die individuell ausgehandelten oder durch Ausschreibung ermittelten Herstellerrabatte. Die Preisnachlässe nach Hilfstaxe, Anlage 3, für die patientenindividuelle Zubereitungen in Höhe von 30, 46 und 50 Prozent für Generika, Taxane und Calciumfolinat sind doch zumindest in Fachkreisen bekannt und gehören in den Vergleich eingearbeitet. Inwieweit fließt die Ersparnis durch die Weiterverwendung von Anbrüchen in den Preisvergleich ein?
Im übrigen sterben die Leute nicht aus, die deutsche Einkommen erzielen und griechische Preise zahlen wollen.

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