Selbstbehandlung und Apotheke

Die Möglichkeiten der Apotheke sind noch nicht ausgereizt

Berlin - 24.09.2015, 17:50 Uhr

Fritz Becker und Uwe May diskutieren über Selbstbehandlung. (Foto: BAH)

Fritz Becker und Uwe May diskutieren über Selbstbehandlung. (Foto: BAH)


Selbstbehandlung und Selbstmedikation sind eine tragende Säule in unserem Gesundheitswesen – daran zweifelt niemand, der sich mit dem Thema auseinandersetzt. Allerdings nimmt die Politik ihre Bedeutung nur unzureichend wahr. Dabei entlastet die Selbstbehandlung die Krankenkassen und die Volkswirtschaft schon jetzt massiv. Würde man sie stärker fördern, würden noch mehr Ressourcen frei. In welcher Größenordnung diese liegen, zeigt eine Studie im Auftrag des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), die heute in Auszügen vorgestellt wurde. Insbesondere Apotheken können dazu beitragen, die Selbstbehandlung leichterer Gesundheitsstörungen zu fördern.

Uwe May vom Beratungsunternehmen May+Bauer stellte erste Ergebnisse der noch nicht abgeschlossenen Studie „Selbstbehandlung und Apotheke“ heute bei der BAH-Mitgliederversammlung in Berlin vor. Fakt ist: Mehrere Millionen OTC-Packungen wandern Monat für Monat über die HV-Tische. Wer sich selbst erfolgreich behandelt – im Übrigen nicht zwingend mit Arzneimitteln – tut auch dem Solidarsystem Gutes. Von den rund eine Milliarde leichten Gesundheitsstörungen, die die Menschen hierzulande im Jahr plagen, behandeln sie die allermeisten selbst – nur in jedem zehnten Fall geht der Patient zum Arzt. May macht eine Rechnung auf, in der er die Kosten eines typischen Arztbesuchs denen einer Selbstbehandlung gegenüber stellt. Das Ergebnis: Jeder Euro, der in der Selbstbehandlung eingesetzt wird, spart die GKV rund 14 Euro und die Volkswirtschaft rund vier Euro. „Schon wenn wir nur fünf Euro davon einsparen könnten, wäre es gut“, so May. Dieses Potenzial sollte aus seiner Sicht viel stärker genutzt werden. Ließe sich nur jeder zehnte Arztbesuch einsparen – und die Deutschen sind bekanntlich Spitzenreiter in Sachen Arztbesuche – ließen sich mehr als eine Milliarde Euro an Arztkosten und rund 213 Millionen Euro Arzneikosten einsparen. Zugleich hätten die Ärzte mehr Zeit für andere Patienten.

Apothekenpflicht muss sein

Für May steht daher außer Frage: Es nutzt allen, wenn die Selbstbehandlung gefördert wird. Dabei gibt es allerdings Grenzbereiche. So sei es kontraproduktiv, wenn sich jemand selbst behandele, obwohl eine ärztliche Therapie nötig wäre. Genauso sei es aber auch, wenn jemand, der sich gut selbst behandeln könnte, zum Arzt geht. Um die Selbstbehandlung zu fördern sei daher ein Maßnahmenmix nötig. Insbesondere müssten Patienten gut informiert werden, auch darüber, wie Risiken zu vermeiden sind. Kommunikation ist für May einer der zentralen Punkte, will man die Selbstbehandlung nach vorne bringen. Überdies müssten einige Rahmenbedingungen stimmen. Zu den wichtigsten Rahmenbedingungen zähle dabei die Apothekenpflicht. Eine Liberalisierung des Arzneimittelmarktes, so May, sei völlig ungeeignet, um die Selbstmedikation zu stärken. Der Apotheker habe hier als „Gatekeeper“ eine besondere Stellung. Und May sieht hier noch Luft nach oben: „Die Stärkung des Apothekers nicht nur als Lotse, sondern also Erstversorger ist noch längst nicht ausgereizt“.

Becker: Von Vollkasko-Mentalität abkommen

Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, betonte in der anschließenden Diskussionsrunde, dass Apotheken schon jetzt „erster Ansprechpartner und Problemlöser“ bei der Selbstmedikation seien. Dieses Segment bedeute zwar Arbeit – aber diese könne sich durchaus bezahlt machen. Zumal das Rx-Segment heute oft auch nicht mehr kostendeckend und sehr aufwändig sei – Stichwort Rabattverträge. Ein Problem bei der Selbstmedikation sei, dass bei vielen Apothekenkunden noch immer eine „Vollkasko-Mentalität“ herrsche. Davon müsse man wegkommen – „da müssen wir aufklären“, so Becker. Der Versicherte müsse für seine Gesundheit „auch mal in die eigene Tasche greifen“. Auch das Grüne Rezept – also die arztgestützte Medikation – ist für den DAV-Vorsitzenden eine „tolle Geschichte“. Selbst wenn hier ein Arzt vorgeschaltet sei: Der Apotheker könne im Gespräch klarmachen, dass das „verordnete“ Präparat auch ohne Arzt zu haben ist – und so könne jedenfalls in Zukunft wirkungsvoll gespart werden.

Den Wunsch des BAH, mehr OTC-Switches durchzusetzen, kann Becker nachvollziehen. Es habe in der Vergangenheit einige gute Switches gegeben – etwa bei Triptanen oder zuletzt bei der „Pille danach“. Hier hätten die Apotheker gezeigt, dass sie auch diese Beratung übernehmen können.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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