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Von unverstandenen Apothekern, Nestbeschmutzern und Grippeschutz mit Lücken

Stuttgart - 19.09.2015, 07:00 Uhr

(Fotos: scottchan, gena96 - Fotolia.com; Montage: DAZ/ekr)

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Die Bemühungen der ABDA, durch Änderungen im E-Health-Gesetz doch noch zu erreichen, dass auch Apotheker den Medikationsplan erstellen können, scheinen zu scheitern.  Die Glaeske-Forderung nach einem Beratungshonorar für eine qualitativ bessere Patientenberatung stößt in Apothekerkreisen auf Unverständnis und Berichte aus Australien über Lücken im saisonalen Influenza-Impfstoff sorgen auch hier für Beunruhigung.

Bundesregierung versteht Apotheker nicht

Im Bemühen, auch die Apotheker beim Erstellen des im E-Health-Gesetzentwurf vorgesehenen Anspruchs auf einen Medikationsplan in Papierform einzubinden, hat die ABDA einen herben Rückschlag erlitten. Die Bundesregierung hält daran fest, dass der Versicherte nur gegenüber dem Arzt einen Anspruch auf die Erstellung eines Medikationsplans in Papierform haben soll. Der Bundesrat hatte empfohlen, dem Patient die Entscheidung zu überlassen, ob er sich seinen Medikationsplan vom Arzt oder Apotheker erstellen lassen möchte. Allerdings soll der Apotheker im Rahmen der Medikationsabgabe verpflichtet werden, bei Medikationsänderungen den Medikationsplan auf Wunsch des Versicherten zu aktualisieren.

Apotheker verstehen Apotheker nicht

Apotheker Prof. Dr. Gerd Glaeske fordert ein packungsunabhängiges Beratungshonorar für Apotheker, um den Verkaufsdruck der Apotheker zu lindern und das Vertrauen der Patienten in die Qualität der Beratung zu stärken. Das sorgt für Diskussionen und Missmut. Denn für Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein, lautet die Botschaft, dass Apotheker nur ihren ökonomischen Vorteil im Auge haben und verkaufen, was das Zeug hält. Der Vorwurf der Nestbeschmutzung steht im Raum. Schützenhilfe bekommt Glaeske von seinem Schüler Apotheker Dr. Jochen Pfeifer, der unlängst in der Ärzte-Zeitung in einem Interview den Apothekern vorwarf, sich selbst zu blockieren und die Kompetenz der Apotheker in Sachen Medikationsmanagement in Frage stellte.

Optimale Zeit für Grippeimpfung …

Der Oktober naht und damit auch die optimale Zeit für eine Influenzaimpfung. Das Robert Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben ihre Kampagne „Der Grippe zuvorkommen!“ gestartet und fordern vor allem über 60-Jährige und chronisch Kranke auf, sich impfen zu lassen. Auch eine Impfempfehlung für Flüchtlinge wird diskutiert. Dabei stellt sich vor allem die Frage nach der Verfügbarkeit, obwohl derzeit laut Paul-Ehrlich-Institut noch kein Impfstoffmangel besteht.

… mit suboptimalen Impfstoff?

Für Unruhe sorgt die besonders heftige Grippewelle in Australien, für die ein in dem saisonalen Grippeimpfstoff nicht berücksichtigter Virusstamm, der Influenza-B-Erreger Victoria, verantwortlich gemacht wird. Auch die für Deutschland zugelassenen Grippeimpfstoffe für die Saison 2015/2016 weisen diese Lücke auf. Schon im vergangenen Jahr stimmten die für den Grippeimpfstoff ausgewählten Viren nur begrenzt mit den zirkulierenden Influenzaviren überein. Ein solcher Mismatch droht damit auch in diesem Jahr, wenn sich der in Australien grassierende Influenza-B-Stamm Victoria auch bei uns ausbreitet.

Blockbuster im Visier

Patentangriffe vor allem auf Blockbuster machen Herstellern innovativer Arzneimittel das Leben schwer. Der Generika-Spezialist Sigmapharm hat in den USA einen Eilantrag auf die generische Zulassung von Rivaroxaban (Xarelto®) gestellt. Zulassunginhaber von Xarelto® ist Bayer, zugelassen ist der Gerinnungshemmer erst rund vier Jahre. Eine Reihe von Herstellern sollen sich laut der Frankfurter Allgemeinen Zeiung (FAZ) auf Anträge dieser Art spezialisiert haben. Sie sollen darauf setzen, dass Zulassungsinhaber auf teure Prozesse verzichten und eine außergerichtliche Einigung anstreben. Auch der Gerinnungshemmer Dabigatran (Pradaxa®) von Boehringer soll von einer solchen Patentanfechtung betroffen sein.

Bluthochdruck-Patienten im Visier

In der Sprint-Studie wurde untersucht, ob Patienten profitieren, wenn ihr Blutdruck unter den derzeit geltenden systolischen Zielwert von 140 mmHg gesenkt wird. Sie wurde jetzt nach einer Zwischenauswertung abgebrochen, weil in der Gruppe mit intensiver Blutdrucksenkung kardiovaskuläre Ereignisse deutlich seltener auftraten und auch die Gesamtmortalität reduziert war. Allerdings ist die Studie noch nicht vollständig veröffentlicht, genaue Daten zur Studienmedikation und Nebenwirkungen fehlen, so dass eine endgültige Bewertung derzeit noch nicht möglich ist. In den USA hat das Ergebnis eine gewisse Euphorie ausgelöst, eine Änderung des systolischen Zielwerts in den Leitlinien von 140 mmHg auf 120 mmHg wird diskutiert.

Das Ende des Nitrolingual-Pumpsprays

Stabilitätsprobleme bei Nitrolingual-Pumpspray haben im letzten Jahr mehrfach zur Chargenrückrufen geführt. Jetzt erfolgte der komplette Chargenrückruf. Sei Anfang des Jahres ist mit Nitrolingual® Spray 18,3 g (PZN 11084508) ein Nachfolgeprodukt im Markt, bei dem durch Änderung der Rezeptur das Stabilitätsproblem gelöst sein soll. Werden noch Verordnungen über Nitrolingual Pumpspray ausgestellt, kann prinzipiell das Nachfolgeprodukt abgegeben werden. Das Deutsche Apotheken Portal gibt Empfehlungen, wie Retaxationen sicher ausgeschlossen werden können.


Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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