Großbritannien

Zugang zu Patientenakten alarmiert Datenschützer

Remagen - 12.08.2015, 12:25 Uhr

In UK gibt es eine Datenschutzdebatte: Wie viel dürfen Apotheken von Patienten wissen? (Bild: Tomasz Zajda/Fotolia)

In UK gibt es eine Datenschutzdebatte: Wie viel dürfen Apotheken von Patienten wissen? (Bild: Tomasz Zajda/Fotolia)


Die Pläne des National Health Service (NHS) England, Apotheken ab diesem Herbst Zugang zu Patientenakten zu gewähren, stoßen bei Datenschützern zunehmend auf Kritik. Sie sehen die Patientenrechte gefährdet und befürchten, dass Marktführer wie Boots, Tesco und Superdrug die hieraus gewonnenen Daten für „hard sell“ Marketingtaktiken ausschlachten könnten. Dies war jetzt im Daily Telegraph zu lesen.

Das Vorhaben des NHS basiert auf einer Pilot-Untersuchung unter Einbeziehung von 140  unabhängigen, Ketten- und Supermarkt-Apotheken, die zwischen September 2014 und März 2015 in verschiedenen Regionen Englands stattgefunden hat. Über 90 Prozent der Apotheker hatten angegeben, dass der Zugriff auf die Datensätze ihren Service für die Patienten verbessern könne. Sie sollen die Patienten aber jeweils um Erlaubnis fragen müssen, wenn sie sich die Daten anzeigen lassen wollen.

Die Datenschützer führen nun an, dass die Ansichten der Betroffenen hierbei nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Patientenbefragungen, die im Rahmen des Projektes über Apotheken an zehn Standorten gelaufen seien, hätten lediglich fünfzehn Rückläufe gebracht, die wegen ihrer geringen Aussagekraft verworfen worden seien.

Daten von „unwiderstehlichem Reiz“?

„Fünfzehn Menschen von 60 Millionen? Das ist keine Datengrundlage für eine nationale Politik“, argumentiert Phil Booth von der Kampagnengruppe medConfidential im Daily Telegraph. Die wertvollen Daten müssten doch „unwiderstehlichen Reiz“ auf die Handelsketten ausüben, sie kommerziell auszuschlachten. „Diese Herangehensweise an die ärztliche Schweigepflicht beschädigt das Vertrauen in den NHS“, ist Booth überzeugt.  

Der freiwillige Patienten-Rechtsbeistand für Menschen mit chronischen Erkrankungen Kiron Kurian aus London berichtet: „Eine der größten Ängste der Patienten ist, dass ihre Kundenkarten für Boots oder Tesco am Ende mit ihren medizinischen Informationen verbunden sein könnten. Wir wissen, dass es Schutzmaßnahmen geben soll, aber wie viele Sicherheitslücken haben wir in der Vergangenheit schon gesehen?“

NHS und HSCIC verteidigen ihr Projekt 

Der NHS und das Health and Social Care Information Centre (HSCIC), das den Bericht über das Pilotprojekt bekannt gemacht hatte, meldeten sich im Nachgang zu dem Artikel im Daily Telegraph ebenfalls zu Wort. Sie bekräftigen, dass die Summaries of Care Records lediglich für Angehörige der Gesundheitsberufe mit einem gesicherten Zugang einzusehen sein sollen – und keineswegs für Supermärkte zu anderen Zwecke. Dies gelte auch für Supermarkt-Apotheken. Wer sich nicht an seine Berufspflichten und den Datenschutz halte, müsse mit Verfolgung rechnen.

Im Übrigen seien die Patienten ausreichend über das Instrument der Patientenakten informiert worden und hätten die Möglichkeit, das Anlegen eines entsprechenden Datensatzes über ihre Person abzulehnen. Außerdem müssten sie für den Zugriff ihre ausdrückliche Zustimmung geben. Gerade diese Bedingung und ihre Anwendbarkeit hat jedoch beim Apothekenpersonal bereits Unsicherheit und Verwirrung ausgelöst. 

Auch Sprecher von Tesco und Superdrug versuchen im Daily Telegraph, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Niemals werde man die Patientenakten für Marketingzwecke nutzen, wird gelobt. Außerdem seien die Mitarbeiter in den Apotheken in Sachen Datenschutz besonders ausgebildet.  


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