Schwere Vorwürfe in Frankreich

Kungelei mit der Pharmaindustrie?

02.04.2015, 08:40 Uhr

In Frankreich soll es Kungelei bei der Zulassung von Arzneimitteln gegebenen haben. (Foto: Henry Schmitt/Fotolia)

In Frankreich soll es Kungelei bei der Zulassung von Arzneimitteln gegebenen haben. (Foto: Henry Schmitt/Fotolia)


Remagen – Maßgebliche Mitglieder der Zulassungskommission bei der französischen Zulassungsagentur ANSM und der Transparenzkommission der Gesundheitsbehörde HAS sollen über Jahre hinweg verschiedene Pharmaunternehmen beraten haben, wie sie ihre Dokumente am besten präsentieren sollen, um schneller zu einer Marktgenehmigung zu kommen oder einen höheren Erstattungspreis zu erzielen. Dies geht aus einem Bericht des investigativen Publikationsorgans „Mediapart“ hervor.

Zu den Beschuldigten gehören prominente Namen wie Gilles Bouvenot (von 2003-2014 Präsident der Transparenzkommission), Bernard Avouac (Präsident derselben Kommission von 1989 bis 1998) und der stellvertretende Präsident der Zulassungskommission von 1994 bis 2002, Jean-Pierre Regnier. Die Unterredungen mit den Firmen sollen meist in Hotels stattgefunden haben, ohne jede „Heimlichtuerei“. Nach Angaben von Bouvenot hat es in der 90er Jahren sehr viele solcher Treffen gegeben. Die Aussagen zu den Vergütungen sind widersprüchlich. Sie reichen laut „Mediapart“ von 1500 bis hin zu 100.000 Euro. Auch von Opern-Einladungen und Abendessen ist die Rede.

Die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte vergangene Woche entsetzt auf die Enthüllungen. „Wenn die berichteten Fakten zutreffen, ist das nicht akzeptabel und eine sehr ernste Angelegenheit“, wird Touraine in der französischen Presse zitiert. Die beiden Agenturen ANSM und HAS wurden vom Gesundheitsministerium umgehend gebeten, interne Untersuchungen anzustellen. Beide reagierten einen Tag darauf entsprechenden Ankündigungen.

Untersuchungen sollen Klarheit bringen

Die HAS, die als „Schwesterorganisation“ des deutschen IQWiG für die ökonomische Beurteilung und die Erstattung von Arzneimitteln zuständig ist, kündigte daraufhin ein internes Audit in Bezug auf die Vorgänge rund um die erhobenen Vorwürfe an. Die Informationen würden auch an die für die notwendigen Untersuchungen zuständige Staatsanwaltschaft weitergegeben. Einige Fakten bezögen sich allerdings auf die Zeit vor der Gründung der HAS im Jahr 2005.

In diesem Zusammenhang verweist die Behörde auch auf die bestehenden Verpflichtungserklärungen der Kommissionsmitglieder zur Offenlegung etwaiger Verbindungen zur Industrie, die bei jeder Beurteilung eines Gesundheitsproduktes seitens der Kommission in Augenschein genommen würden. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit seien die Betreffenden selbst verantwortlich. Außerdem seien die Mitglieder und Sachverständigen der Kommission zur streng vertraulichen Behandlung der Unterlagen zu den von ihnen zu beurteilenden Produkten verpflichtet. Diese Grundsätze sollten die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungen garantieren.

Die Transparenzkommission der Gesundheitsbehörde ANSM hat laut einer Mitteilung auf ihrer Webseite im Einvernehmen mit dem Gesundheitsministerium die Schaffung einer internen Untersuchungskommission beschlossen, die einen Statusbericht über die Rolle der Beratungsgremien der Agentur vorlegen soll. Auch die Zulassungsagentur verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Vorschriften zur Transparenz, die allerdings erst im Jahr 2011 verschärft worden seien. Die ANSM werde aktiv dazu beitragen, Licht in die berichteten Fakten zu bringen, so wird zugesichert.


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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