Klarstellung

Blutegel sind Arzneimittel

Berlin - 12.11.2014, 18:42 Uhr


Zur Anwendung in der Human- und Tiermedizin importierte Blutegel sind Arzneimittel – und zwar nicht erst ab dem Moment, in dem sie aus anderen Ländern nach Deutschland importiert und alle Schritte bis zum abgabefertigen Produkt durchlaufen haben, sondern generell. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden und die Klage eines medizinischen Import- und Vertriebsunternehmens abgewiesen, das Blutegel aus dem Ausland einführt und der Meinung war, keine arzneimittelrechtliche Einfuhrerlaubnis zu benötigen.

Wer Arzneimittel gewerbs- oder berufsmäßig aus Ländern, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, in die Bundesrepublik einführt, bedarf einer Erlaubnis (§ 72 AMG). Aus Sicht des Unternehmens, das Blutegel unter anderem aus der Türkei nach Deutschland importiert, sind Blutegel jedoch keine Arzneimittel. Es wollte daher vom Gericht feststellen lassen, dass es für die Einfuhr keine arzneimittelrechtliche Einfuhrerlaubnis benötigt.

Das Verwaltungsgericht gab der Feststellungsklage zunächst auch statt: Blutegel, wie sie in freier Wildbahn leben und gesammelt werden (Wildegel), oder gezüchtete Blutegel seien keine Arzneimittel. Zum Arzneimittel würden Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen erst, wenn sie zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt seien. Diese Bestimmung erführen Blutegel nicht bereits durch das bloße Aufsammeln im Verbreitungsgebiet, sondern erst im Inland nach positivem Durchlaufen des Quarantäne- und mikrobiellen Überwachungsprozesses.

Anders beurteilte dies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in zweiter Instanz: Bei den importierten Blutegeln handle es sich um Arzneimittel, heißt es im Urteil. Sie erfüllen nach Meinung der Richter sowohl die Voraussetzungen des Funktionsarzneimittels (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) als auch die des Präsentationsarzneimittels (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG). Die pharmakologische Wirkung als schmerzhemmend sei nachgewiesen, und von einer gerinnungs- und entzündungshemmenden Wirkung sei auszugehen. Die Packungsbeilage wiederum verspreche eine arzneiliche Wirkung.

Die Annahme, wild gefangene Blutegel erhielten erst nach einem Herstellungsprozess im Inland ihre Bestimmung als Arzneimittel, lehnten die Richter ab. „Auch wenn im Betrieb der Klägerin nach dem Import eine Selektion stattfindet, um physisch und optisch ungeeignete Blutegel auszusortieren, so haben die für geeignet erachteten Blutegel bereits im Zeitpunkt der Einfuhr, und hierauf kommt es an, die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel.“ Die zusätzlich durchgeführte mikrobiologische Untersuchung und Quarantäne diene allein der Arzneimittelsicherheit.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. September 2014, Az. 20 B 14.179


Juliane Ziegler