Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

20.07.2014, 08:00 Uhr


Der OTC-Versandhandel wächst, wo wird das enden? Arzneifälschungen, Arzneidiebstähle – wie sicher sind denn die Importwege? Medikationsmanagement, mehr Pharmazie, der Apotheker als Heilberuf – Apothekenbetriebsordnung und Perspektivpapier setzen darauf. Aber nicht am HV-Tisch, sagen die Pharmazieräte. Und wo dann? Und kommt die Pflichtfortbildung? Außerdem: den Retaxirrsinn vom Feinsten zeigen die LAV-Erfolge. Mein liebes Tagebuch, das alles und noch viel mehr gibt’s mitten im Juli.

14. Juli 2014

So kann’s gehen, mein liebes Tagebuch: Erst wurden die damaligen „ANZAG-Apotheken“ auf vivesco getrimmt, alles gelb und blau angepinselt, bis hin zum gelbblauen Flagship-Store. Und dann: Hallo, wir gehören jetzt zu Alliance Healthcare Boots – und da wollen wir, dass alles unter Grün-weiß und dem Namen „Alphega“ segelt. Weil’s internationaler ist. Weil’s unter Alphega ein europäisches Netzwerk gibt und ein Entwicklungsprogramm für Apotheken, die den einzelnen Apotheker wirtschaftlich voranbringen soll. Mit einer Basis-, Club- oder Premium-Mitgliedschaft darf man dem  neuen Club beitreten. Wollen die Ex-vivesco-Apos also weiter in der Alliance-Healthcare-Kooperation bleiben, heißt es umflaggen in grün-weiß mit neuem Logo. Na ja, muss man alles mögen, oder?

15. Juli 2014

Überraschend sind die Ergebnisse einer AOK-Umfrage nicht: Fast 60 Prozent der gesetzlich Versicherten haben demnach Defizite, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken. Tja, woher sollen sie es auch wissen? In der Schule wird’s nicht gelehrt. Und danach auch nicht, wenn man nicht einen Beruf wählt, der irgendwie mit Gesundheit zu tun hat. Bleiben als Zufallsquelle nur noch Gespräche mit anderen, die Gesundheitsseiten und -zeitschriften – oder ein Gespräch mit Arzt und in der Apotheke. Es sind fast 60 Prozent, die schlecht informiert sind: Mein liebes Tagebuch, das ist für ein Land wie Deutschland relativ viel. Was könnten die Menschen da alles an Vorsorge und Krankheitsverhütung tun, wenn sie es besser wüssten. Vor diesem Hintergrund ist es vollkommen unverständlich, dass man bis heute kein Fach wie etwa Gesundheitslehre in den Schulplan aufgenommen hat?

Der Staat braucht seine Steuern. Steuerhinterziehung wird verfolgt, konsequenter und härter denn je. Daher wundert es nicht, wenn auch Steuerhinterziehung an der Ladenkasse immer stärker in den Fokus gerückt ist. Die Zeiten, in denen es für so manche schwarze Schafe fast ein Sport war, mit Manipulationssoftware (sogar als Computerspiel getarnt) und Zappern die Kassenprogramme auszutricksen und Einnahmen zu frisieren oder zu löschen, gehen definitiv dem Ende entgegen oder sind schon vorbei. Und das ist gut so, mein liebes Tagebuch. Wer dennoch versucht, zu manipulieren, wird bald auffliegen. Die Finanzbeamten kennen die Tricks und greifen hart durch.

16. Juli 2014

Rx-Versand ist zu umständlich und bringt nichts für die Patienten. Aber der Versand von OTC-Arzneimitteln legt zu, wie die jüngsten Statistikzahlen zeigen. Im Mai beispielsweise haben die Verbraucher 6,9 Mio. Packungen über Versandapotheken bezogen, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Puh, für die stationären Apotheken eine unschöne Entwicklung. Und da meinen immer noch einige Wirtschaftsfachleute, es gebe keinen Wettbewerb. Von wegen. Mein liebes Tagebuch, wenn man sieht, wie der Versandhandel in anderen Branchen boomt, wie DHL, UPS, Hermes und andere Logistiker wachsen und aufrüsten, dann liegt man sicher nicht falsch, wenn man die Prognose wagt, dass auch der OTC-Versand weiter zunehmen wird. Die billigen Internet-Schnäppchenpreise sind das eine. Das andere sind die Bequemlichkeit und, was für manche mit Sicherheit auch zählt, die Möglichkeiten der Selbstbedienung ohne Barrieren (Versand ist Selbstbedienung) und des disktreten Einkaufens bei Tabuthemen. Mein liebes Tagebuch, das OTC-Geschäft in der Apotheke wird sich verändern. Kann man gegensteuern?

Da hat er Recht, unser Gesundheitsminister: Ärzte und Pflegepersonal müssen besser auf die Arbeit mit Patienten vorbereitet werden, vor allem im Hinblick auf eine verständliche Sprache und Ausdrucksweise. Kann man nur unterschreiben – aber neu ist das nicht. Vielleicht hilft’s ja, wenn eine solche Forderung mal von oben, vom Ministerium kommt. Immerhin, Ärzte lernen seit kurzem in ihrer Ausbildung bereits, wie man besser mit Patienten kommuniziert, mit ihnen verständlich spricht. In der Pharmazie ist das so noch nicht in der Ausbildungsordnung verankert. Manche Institute bieten Kommunikationskurse mehr oder weniger auf freiwilliger Basis an. Oder man hofft darauf, dass das irgendeiner im dritten Ausbildungsabschnitt lehrt.  Klar geregelt ist da in der pharmazeutischen Ausbildung noch wenig. Mein liebes Tagebuch, das sieht mir noch nach Baustelle aus.

Früher lernte man immer, Arzneimittel seien eine Ware der besonderen Art. Früher! Ha ha ha, heute reizen solche anachronistischen Sprüche eher zum Lachen. Und das alles politisch gewollt. Mein liebes Tagebuch, seit Festbeträgen, Rabattverträgen und Importarzneimittelquoten scheinen Arzneimittel Waren zu sein wie andere auch, zumindest wenn es um den Vertrieb geht. Da zählt dann nur noch eins: Hauptsache billig. Der klassische Vertriebsweg Hersteller – Großhandel – Apotheke ist durchbrochen. Da tauchen Arzneihändler in anderen Ländern auf, Zwischenhändler, Broker und sonstige, die Arzneimittel verhökern und versuchen, sie in die klassischen Wege einzuschleusen. Wenn man sich die bekannt gewordenen Arzneimittelfälschungen und -diebstähle der letzten Monate ansieht, drängt sich auch die Frage auf, wie sicher können überhaupt noch die Importwege sein. Wäre es da nicht mal an der Zeit, die Importquote zu hinterfragen?

Das Perspektivpapier ist so gut wie durch – und schon stürzen sich die Pharmazieräte darauf, um es mit Leben zu füllen in Richtung: Mehr Pharmazie als akademischer Heilberuf. Und wie so Pharmazieräte nun mal sind: Sie denken recht pragmatisch. Zum Beispiel: Das Mehr an Pharmazie, also das gesamte Programm mit Medikationsanalyse, Medikationsmanagement und klinischer Pharmazie braucht eine entsprechende Gestaltung der Apotheke, denn „am HV-Tisch wird das nicht möglich sein“, meinen sie vorauseilend. Nicht so schnell, meine Pharmazierätinnen und -räte. Lasst da mal die Kirche im Dorf. Erst mal sollten die Curricula für die Aus-, Fort- und Weiterbildung für die neuen Dienstleistungen stehen und umgesetzt werden. Dann könnte man mal auch darüber diskutieren, wie das Management und die Analysen überhaupt honoriert werden. Nicht zu vergessen: Die Apotheke hat heute schon einen Beratungsraum. Und zu guter Letzt braucht bei Weitem nicht jeder Kunde oder Patient das volle Programm. Soll heißen: Nur ein kleiner Teil der Patienten muss fünf oder mehr Arzneimittel nehmen, die einem Medikationsmanagement unterworfen werden sollten. Also, mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass da Augenmaß waltet und nicht eine kleine Zusatz-Apothekenbetriebsordnung mit verschärften Anforderungen installiert wird.

Bleibt noch die Frage, ob alle Apotheken das volle Programm anbieten müssen. Das beantwortet sich schnell: Da in Deutschland keine zwei Arten von Apotheken vorgesehen sind, also sowas wie Vollapotheken und Light-Apotheken, müssen sich alle Apotheken fürs Medikationsmanagement rüsten. Im Klartext: Sie müssen die Anforderungen erfüllen. Entweder durch Ausbildung, Fort- oder Weiterbildung.

Wird das überprüft werden? Muss dann auch eine Pflichtfortbildung her mit Nachweis? Denkt man das alles zu Ende, läuft es wohl darauf hinaus. Mein liebes Tagebuch, wäre das schlimm? Nur dann, wenn kein Extrahonorar fürs Medikationsmanagement fließt.

17. Juli 2014

Eine weitere Resolution gegen Null-Retax bei Formfehlern, in dieser Woche von Landesapothekerverband Baden-Württemberg. Recht so. Wann schickt sich die Politik endlich an und handelt? Also, es fehlen noch ein paar Kammern und Verbände in Deutschland, die noch keine Resolution verabschiedet haben.

Apropos Retaxationen: Nur ein gutes Viertel aller Retaxationen ist berechtigt – hat der Landesapothekerverband Baden-Württemberg festgestellt. Durch Prüf- und Einspruchsverfahren hat der Verband für seine Mitglieder knapp 400.000 Euro zurückgeholt; die Kassen hatten rund 540.000 Euro gefordert. Tolle Arbeit. Aber, mein liebes Tagebuch: Da zeigt sich der ganze Irrsinn dieses Retaxationswahnsinns der Kassen! Den Aufwand und die Kosten für die Retaxstreitigkeiten könnte man in andere Projekte stecken.

Die ABDA hielt es für besser, erst nach der Europawahl auf die Abgeordneten des Europaparlaments zuzugehen, um ihre Positionen zu Gesundheits-, Arzneimittel- und  Apothekenthemen deutlich zu machen. Und das tut sie jetzt auch. In einem Positionspapier fordert die ABDA vor allem, anstelle von Deregulierung auf gute Regulierung zu setzen, die die Freien Berufe schützt und damit Patientenschutz und Versorgungssicherheit gewährleistet. Das Positionspapier stellt heraus, dass es nicht notwendig ist, alles zu vereinheitlichen, dass sich das System der berufsständischen Selbstverwaltung durch Kammern bewährt hat. Und es macht deutlich, dass Datenschutz und Transparenz, der Schutz persönlicher Daten, höchste Priorität haben.  Mein liebes Tagebuch, das Positionspapier geht so in Ordnung. Jetzt muss es nur noch den Europaabgeordneten gefallen.

18. Juli 2014

Bundesgesundheitsminister Gröhe will per Gesetz erreichen, dass Kassenpatienten nicht länger als vier Wochen auf einen Termin beim Facharzt warten müssen. Es sollen Termin-Servicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen für die Versicherten eingerichtet werden, die die Terminvergabe übernehmen. Oh, oh, mein liebes Tagebuch, gut gemeint, aber na ja. Wie werden die Ärzte darauf reagieren? Vielleicht mit eng getakteten Terminen und Minisprechzeiten. Kommt die Zwei-Minuten-Medizin? Der Patient bekommt zwar einen Termin, aber Zeit zum Gespräch gibt’s dann kaum noch. Geht das nicht irgendwie in Richtung Überregulierung?

Was ist in Karl-Josef Laumann, den Patientenbeauftragten der Bundesregierung gefahren? Er meint, Ärzte, Apotheker und Krankenkassen informierten die gesetzlich Krankenversicherten nicht angemessen über die zum 1. Juli abgesenkten Festbeträge. Ja hallo, was erwartet er denn? Soll man für die ewige Preisspirale nach unten auch noch werben? Soll man den Patienten schmackhaft machen, dass sie nun mehr zuzahlen dürfen? Oder, falls sie das nicht wollen, auf ein anderes Arzneimittel umgestellt werden müssen? Absenkungen der Festbeträge müssen frühzeitig transparent gemacht werden, fordert der Patientenbeauftragte. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, aber dann wär’s wohl eher angebracht, wenn das Gesundheitsministerium oder die Krankenkassen das übernehmen, oder?


Peter Ditzel


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