Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

17.11.2013, 08:00 Uhr


Wenn’s nicht so ernst wäre: Manchmal könnte man glauben, die närrische Zeit ab 11.11. färbt auf alles ab und wird zum Dauerzustand: Frauenärzte trauen den Apothekern nicht zu, Schwangere in Arzneimittelfragen zu beraten, ein Gemeinsamer Bundesausschuss soll mit aller Macht eine Substitutionsausschlussliste festsetzen, beim ABDA-KBV-Modell soll das Arzneimittel als Code verschlüsselt aufs Rezept und der Bayerische Rundfunk holt alte Apothekentests aus der Mottenkiste. Mein liebes Tagebuch, sind wir jetzt alle ein bisschen Bluna?

11. November 2013

Den Apothekern fehlt das notwendige Fachwissen, Schwangere in Sachen Arzneimittel zu beraten – das zumindest meint der Berufsverband der Gynäkologen. Und er reagiert damit auf den zwischen Apothekern und der AOK Bayern geschlossenen Vertrag, der genau das zum Inhalt hat: Arzneimittelberatung von Schwangeren. Mein liebes Tagebuch, wenn das so wäre, dann könnte der Berufsstand der Apotheker ja gleich einpacken, oder? Wer steckt den Gynäkologen bitte mal, dass die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland die Arzneimittelfachleute sind, mit profunder Ausbildung in Pharmakologie und jetzt auch Klinischer Pharmazie? Wo bitte bleibt da ein unüberhörbares Statement der Bundesapothekerkammer, die den Frauenärzten das mal klar macht und auf die Beratungsrolle des Apothekers hinweist? Nein, ich fass‘ es nicht. Was lassen wir uns denn noch alles gefallen?

Und ein zweites Thema dazu: Die Gynäkologen befürchten außerdem eine schlechtere Beratung, wenn die „Pille danach“ ohne Rezept abgegeben werden darf. (Der Bundesrat hat sich im Übrigen bereits dafür ausgesprochen.) Auch die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die Entlassung aus der Rezeptpflicht aufgrund der relativ guten Verträglichkeit. In fast allen europäischen Ländern (außer Deutschland, Polen und Italien) ist das Levornorgestrel-Präparat ohne Rezept in Apotheken erhältlich. Die Frauenärzte und die Regierungen in diesen Ländern trauen das ihren Apothekern zu. Nicht so in Deutschland.  Meinen die deutschen Gynäkologen, die Apothekerinnen und Apotheker seien dazu etwa nicht in der Lage, ein ähnliches Beratungsgespräch bei der Abgabe der „Pille danach“ zu führen wie es die Apothekerinnen und Apotheker in Frankreich, England oder in Schweden tun? Natürlich gibt es auch unter uns zu dieser Frage Zauderer und Bedenkenträger. Aber wenn wir einen festen Platz in der Gesellschaft einnehmen wollen, dann, mein liebes Tagebuch, müssen wir Verantwortung übernehmen.

Kann man eigentlich Kooperationen testen? Das Deutsche Institut für Service-Qualität hat’s wieder einmal versucht. Es untersuchte Service und Preis von 13 Kooperationen. Die Guten-Tag-Apotheken landeten beim Kooperationstest auf Platz eins, bei den Versendern steht die Medpex.de-Versandapo an erster Stelle. Ja, schön für die Testgewinner. Aber, mein liebes Tagebuch, ist es nicht so, dass ich eine Linda-, Vivcesco- oder Partner-Apotheke finden könnte, in der ich besser beraten werde als in einer Guten-Tag- oder DocMorris-Apotheke, die auf den zweiten Platz kam? Will sagen: es kommt doch immer auf die einzelne Apotheke und deren Mitarbeiter an – egal unter welcher Kooperationsflagge sie segelt.
Bei den Versendern sieht es dagegen anders aus, hier lassen sich die Testkriterien besser anlegen. Das Shopping-portal „testsieger.de“ hat Preis, Service, Internetauftritt und Bestell- bzw. Versandbedingungen von zehn Online-Apotheken getestet. Platz eins: Medpex.de, es folgen mycare und shop-Apotheke. Beim Preis-Ranking belegte allerdings die apotal.de (die mit der Fernsehwerbung im Morgenmagazin) den ersten Platz. Tja, wie gesagt, hier hat ein Shopping-Portal getestet. Und das schaut natürlich nicht, wie’s denn mit der pharmazeutischen Qualität der Versender ausschaut, mit Beratungsangeboten, Erreichbarkeit und Warnhinweisen. Und das Portal stellt fest: ...bei akuter Erkrankung arbeiten viele jedoch zu langsam. Wie wahr.

12. November 2013

Einen Tag nach dem 11. 11., Faschingsanfang: Die Apotheker sind bereit für die Beratung zur „Pille danach“. Sagt die BAK. Endlich. Und auch der BAK-Präsident äußert sich persönlich. Er weiß, dass es bei der „Pille danach“ wichtig ist, dass sie im Notfall möglichst schnell verfügbar ist. Sagt er in der Pressemeldung. Und er gießt den Apothekern Beton ins Kreuz: „Apotheker können die Arzneimittelsicherheit gewährleisten und Verantwortung dafür übernehmen, dass Medikamente nicht missbräuchlich angewendet werden“, betont Kiefer. Na, mein liebes Tagebuch, so ein Statement war ja auch überfällig. Seien wir froh, dass es überhaupt noch kam, oder?  

So nach und nach tut sich tatsächlich etwas in den Apothekerkammern der Länder in Sachen Leitbilddiskussion. Jetzt lässt Hamburg wissen, dass dort am 23. Januar eine regionale Leitbildkonferenz veranstaltet wird. Es sollen alle Vorschläge und Wünsche für das neue Leitbild zur Sprache kommen. Wir sind gespannt.

Und noch ein Hoffnungsschimmer aus Sachsen/Thüringen: Das ABDA-KBV-Modell ist auf der Zielgeraden. Wow! Sollen wir schon mal den Sekt kalt stellen? Mehr als drei Jahre von der Idee bis zum Vertragsabschluss sind ja wie im Flug vergangen, oder? Drei Jahren zähen Ringens und Verhandelns. Ende Januar, Anfang Februar könne der Vertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung dieser Länder unterschriftsreif sein, sagt Stefan Fink, Chef des Apothekerverbands Thüringen. Und dann kann das Projekt in der zweiten Jahreshälfte 2014 mit der Wirkstoffverordnung starten. Ups, so schnell geht’s dann also auch nicht. Da trinken wir den Sekt doch lieber gleich, mein liebes Tagebuch, auf die Ankündigung der Ankündigung. Und wenn’s dann tatsächlich wirklich und ganz real und bestimmt und auf jeden Fall losgeht, gibt’s einen Schampus. Vor allem, so Fink: „Die Apotheker können nicht nur eine kostendeckende, sondern eine leistungsgerechte Honorierung erwarten.“ Na, das wollen wir erst mal schwarz auf weiß sehen.

13. November 2013

Nicht alle Arzneimittel, vor allem nicht solche mit geringer therapeutischer Breite, eignen sich für einen Austausch im Rahmen von Rabattverträgen. Deshalb hat der Apotheker die Möglichkeit, pharmazeutische Bedenken anzumelden, nicht auszutauschen und die Sonderziffer 6 aufs Rezept zu schreiben. Doch das reichte der letzten Regierung nicht, man wollte eine verbindliche Liste, die Substitutionsausschlussliste. Der Deutsche Apothekerverband hat eine solche Liste mit Arzneistoffen erstellt. Die gefällt aber den Kassen nicht – und so geht der Streit darüber schon seit Monaten hin und her. Einigkeit mit den Kassen? Never. Jetzt schmort die Liste bei der Schiedsstelle. Und das gefällt der Großen Koalition in spe gar nicht, sie will Konsequenzen ziehen: Der Gemeinsame Bundesausschuss soll die Liste erstellen. Wenn auch das in die Hose geht, soll die Liste im Wege der Ersatzvornahme von ganz oben festgesetzt werden. Der Druck auf die Selbstverwaltung ist also groß. Aber: Noch bis Anfang Dezember haben Kassen und DAV eine letzte Chance, sich zu einigen. Wenn’s nicht klappt, dann… Andererseits, mein liebes Tagebuch, brauchen wir angesichts einer Sonderziffer 6 eine solche Liste überhaupt?

Ach, wie ist das schön: Union und SPD haben ein klares Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke abgelegt. „Eine qualitativ hochwertige, sichere und wohnortnahe Arzneimittelversorgung erfordert freiberuflich tätige Apothekerinnen und Apotheker in inhabergeführten Apotheken. An dem bestehenden Mehr- und Fremdbesitzverbot wird festgehalten“, heißt es im Entwurf der AG Gesundheit für den Koalitionsvertrag. Na, da hätte man gerne mal Mäuschen spielen wollen, um diese Gespräche zu belauschen: Wie ist diese Einigkeit wohl zustande gekommen? Egal, mein liebes Tagebuch, man hätte sich mehr erwarten können. Zum Beispiel, dass die Politik die ABDA-Forderung aufgreift, den Leistungskatalog der Apotheker in Richtung honoriertes Medikationsmanagement weiterzuentwickeln. Und vielleicht auf die Forderung nach einer leistungsgerechten Vergütung beim Apothekenhonorar, bei der Rezepturherstellung und der BtM-Gebühr.

Was allerdings im Entwurf zum Koalitionsvertrag zu finden ist: Nachbesserungen in Sachen Rabattverträge. Die Vertragspartner müssen die Versorgungssicherheit gewährleisten, indem sie Maßnahmen gegen Lieferengpässe vereinbaren, insbesondere bei Impfstoffen, heißt es da. Das ist mehr als überfällig. Also, nette Passagen im Koalitionsvertrag, aber sorry, das reicht nicht. Die Apotheker sind mehr wert!

14. November 2013

Eine Weihnachtsüberraschung kündigt sich an. Voraussichtlich gibt’s zwischen 197 und 217 Euro pro Nachtdienst seit August. IMS-Daten machen diese kleine Hochrechnung möglich. Unsicherheitsfaktoren sind noch: die Höhe der Verwaltungskosten und die Höhe der Rücklagen, die davon abgehen. Ach ja, große Sprünge kann man damit nicht machen, aber immerhin, besser als nichts und eine kleine Anerkennung dafür, dass wir uns so manche Nacht für lau um die Ohren hauen müssen bzw. drauflegen.  

15. November 2013

Ja, ja, die unendliche Geschichte der Substitutionsausschlussliste. Dass diese Liste womöglich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) festsetzen soll, da sich der Spitzenverband der Krankenkassen und der Deutsche Apothekerverband nicht einigen können, das gefällt dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA, Josef Hecken, nicht. Das sei „ein Ausweg in der Not“, meint er. Allerdings, wenn es denn so kommt, dann sei der G-BA in der Lage, diese Liste in der gesetzlich gesetzten Frist zu erstellen. Davon sind wir überzeugt, mein liebes Tagebuch. Fragt sich nur, wie diese Liste aussehen wird. Dabei bräuchte man diese Liste nicht, wie auch die Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, Antje Haas, jetzt feststellt. Denn die Ärzte können die Substitution ausschließen und die Apotheker können pharmazeutische Bedenken anbringen. Da fragt man sich doch, warum die Bundesregierung so eisern an einer solchen Liste festhält. Was steckt dahinter?

Jetzt werden Einzelheiten zum ABDA-KBV-Modell bekannt. Von Teilnehmern auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Sachsen, wo über Einzelheiten zu diesem Modell gesprochen wurde, erfuhr man, dass anstelle des Arzneimittelnamens ein sechsstelliger Code auf das Rezept gedruckt werden soll. So hieß es zunächst. Warum? Warum das denn, fragte man sich. Also, da hätte der Arzt in seinem Computer das gewünschte Arzneimittel im Klartext ausgesucht und seine Software aber einen sechsstelligen Code aufs Rezept gedruckt. Der Apotheker hätte diesen Code mit seiner Software entschlüsselt, die ihm dann bis zu drei in Frage kommende Arzneimittel anzeigt. Äh, mein liebes Tagebuch, das hätte man nicht verstehen müssen, oder? Warum der Code? Warum wird verschlüsselt? Jetzt sickerte durch, dass der Code zusätzlich zum Wirkstoffnamen aufgedruckt werden soll, also Klartextnamen und Code gemeinsam auf dem Rezept stehen. Am besten, wir setzen uns jetzt mal ganz ruhig hin, mein liebes Tagebuch, denn so manches Procedere erträgt man nur im Sitzen. Im Ernst, welche tiefgründigen ausgetüftelten bürokratischen Gründe hinter dieser Verschlüsselungsaktion auch stehen mögen: Es bleibt die Hoffnung, dass dieses Modell nicht auch noch zu einem Bürokratiemonster ausartet. Denn sonst stehen die Chancen für eine  Umsetzung schlecht. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder sollte vielleicht einfach nur eine bessere Kommunikation stattfinden, um Missverständnisse zu vermeiden? 

Was noch aus Sachsen zu hören war: Angeblich soll – wenn man den ersten Gerüchten traut – die Apotheke auch einen neuen Server anschaffen müssen mit erhöhtem Sicherheitsstandard und Datenschnittstelle zum ABDA-KBV-Server. Zuschüsse dazu sollen von der AOK kommen. Mein liebes Tagebuch, wird alles noch sehr lustig werden. Start soll im ersten Quartal 2014 sein, also so etwa um die Faschingszeit. Aha!

Verbraucher werden für dumm verkauft und abgezockt in Deutschlands Apotheken, hieß es in dem Beitrag „Geld und Leben“ des Bayerischen Fernsehens. Falsch, Verbraucher werden für dumm verkauft und abgezockt, wenn sie diesen Beitrag des Bayerischen Fernsehen anschauen, müsste es wohl richtig heißen. Denn der BR hat hier Ausschnitte aus einem Beitrag des NRD vom Februar aus der Kiste geholt (der selbst bereits zum Teil noch ältere Filmabschnitte enthält), in seinen Beitrag eingebaut und ihn als neu verkauft – quasi reanimiert. In dem NDR-Fernsehbeitrag ging es um Testkäufe von Erkältungsmitteln in Apotheken. Der BR bzw. NDR-Beitrag vermittelte den Zuschauern den Eindruck, die meisten Apotheken würden den Patienten nutzlose und sinnlose Arzneimittel andrehen. Selbst ein Statement mit der ABDA-Mitarbeiterin Eckert-Lill, das aus dem Jahr 2012 stammt, hatte der BR-Beitrag aus dem alten Filmmaterial in seinen Beitrag kopiert. Mein liebes Tagebuch, was hier der BR macht, ist das Letzte. Müssen wir uns das alles gefallen lassen?


Peter Ditzel


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