Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

03.02.2013, 08:00 Uhr


Machtproben, Muskelspiele, massive Drohungen – im Kampf um den gültigen Kassenabschlag geben sich beide Seiten, Krankenkassenverband und Apothekerverband, knallhart. Eine Einigung ist nicht in Sicht. Liebes Tagebuch, für die Apotheker heißt es: jetzt bloß nicht nachgeben. Die Politik ist auf unserer Seite. Die Kassen müssen spüren, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Während hier die Post abgeht, ist Stillstand bei den anderen Baustellen: die Nachtdienstpauschale liegt in der Tonne, der Faktenbericht über die Datenklauaffäre in der BMG-Schublade und die Aufklärung um den früheren ABDA-Pressesprecher und seiner Privatagentur liegt auf Eis – immer noch Winterstarre.

27./28. Januar 2013

Lobeshymnen auf beiden Seiten, liebes Tagebuch. Was ist passiert? Der ABDA-Präsident und die Initiative „Aufbruch Apotheke“ haben sich getroffen und miteinander geredet. Ja, nicht mehr und nicht weniger: nur miteinander g-e-r-e-d-e-t. Ist doch schön, dass das geht.  Konstruktive Gesprächsatmosphäre, fairer Umgang, klare Botschaften, viele Anregungen, aber erwartungsgemäß keine Ergebnisse. Außer, und das ist auch schon was: man will sich wieder treffen. Interessante Äußerungen der Teilnehmer: „Mit der ABDA ist Kommunikation auf  diese Weise möglich.“ Was da in diesem Satz steckt! Wow! Na, schön, ein Anfang. Jetzt heißt es: im Gespräch bleiben.
Oder, weil jetzt Karneval ist, ein Zitat aus dem Rheinischen Grundgesetz: „Maach et joot, ävver nit zo off.“

Nix gibt’s für DocMorris. Die niederländische Versandapotheke hat keinen Anspruch auf Erstattung des Herstellerrabatts für die Jahre 2003 bis 2007, hat das Bundessozialgericht entschieden. DocMorris verlangte vom Pharmahersteller Servier die Erstattung von rund 65.000 Euro, weil die Krankenkassen die Arzneimittel unter Einbehaltung des Herstellerrabatts vergütet hatten. Aus Gründen der Gleichbehandlung mit einer inländischen Apotheke hätte ein Anspruch nur dann entstehen können, wenn sich die DocMorris-Apotheke  selbst an alle im deutschen Arzneimittelpreisrecht vorgesehenen Regelungen und Verpflichtungen gehalten hätte. Hat sie aber nicht. Tja, so geht’s.

29. Januar 2013

Lieferengpässe könnte das Wort des Jahres werden. Lieferengpässe, liebes Tagebuch, so ein Wort gab’s früher auf dem Arzneimittelmarkt gar nicht. Aber jetzt. Die Schuld daran ist   irgendwo in der Gemengelage zwischen Politik, Krankenkassen und Pharmaherstellern zu suchen. Spargesetze, Krankenkassen und ihr Hang zu Billigarzneimitteln und Rabattverträgen lösen bei Herstellern den Reflex aus, Kosten einzusparen. Kostendruck und Globalisierung machen es möglich: Viele Wirkstoffe werden nur noch in Indien und China produziert. Klappt dort der Wirkstoffnachschub nicht, klemmt’s, mit weltweiten Folgen. Auch pharmazeutisch ist der Westen von China abhängig. Schöne neue Welt. Wenn also in Zukunft der Sack Reis in China umfällt, wird es uns zu interessieren haben.

Gibt es Abhilfe? Die Kassenärztliche Bundesvereinigung kann sich schon eine „nationale Arzneimittel-Reserve“ vorstellen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sagt dazu im Prinzip ja, aber: welche Arzneimittel, wie viele, wo und wer finanziert’s? Und die Arzneimittelkommission möchte die Hersteller verpflichten, die Apotheken rechtzeitig über Engpässe zu informieren – wovon der BPI wiederum nichts hält. Ein Verbändegespräch soll’s klären.  
Oder „Wat wells de mache?“

30. Januar 2013

Nischt Neues von der Spree, liebes Tagebuch. Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages hat – ohne große Diskussion und Aussprache – den Bericht des Bundesgesundheitsministeriums über die Spionageaffäre zur Kenntnis genommen. Na ja, es stand auch nichts Neues drin. Und so werden wir auch weiterhin erstmal nichts Genaues  wissen, außer was wir schon wissen. Und alles ist mutmaßlich. Und ein Bericht der ABDA fehlt auch noch. Der Neuschnee an der Spree deckt noch alles zu. Aber, der Frühling kommt!
Oder: „Et bliev nix wie et wor.“

31. Januar 2013

„Deeskalation“ forderte der Verbandschef von Westfalen-Lippe, Michels, von der AOK Nordwest in Sachen Kassenabschlag. Liebes Tagebuch, er hätte auch sagen können: „Hallo, geht’s noch, ihr Krankenkassen? Hört mal schön auf mit euren Drohungen und kommt mal wieder auf den Teppich zurück.“ Und damit läge er genauso richtig. Denn was sich da gerade zwischen Kassen und Verband abspielt, ist ein Theater, in dem es um Machtproben und Muskelspiele geht: Wer zuerst zuckt, hat verloren. Weil die Apothekerseite nun festgelegt hat – aufgrund fehlender Einigung im Vorfeld –, dass bis zu einer offiziellen Klärung nur 1,75 Euro Kassenrabatt abgerechnet werden, fahren die Kassen ihre Drohgeschütze auf wie Retax, Vertragsstrafen und Schadensersatzforderungen. Der Verband hält dagegen: angedrohte Retaxationen sind für Kassen ein Risiko, weil unberechtigte Kürzungen für die Kassen nach höchster Rechtssprechung den Verlust des gesamten Abschlages der Monatsrechnung zur Folge hätten. Ja, da heißt es jetzt für die Apotheker: nur nicht schwach werden.
Oder: Et hät noch emmer joot gegange.

Eine Apokix-Umfrage zeigt: Apotheker erwarten auch 2013 mehr Schließungen. Und leider und vermutlich werden sie richtig liegen mit dieser Einschätzung.

Als „modernes Raubrittertum“ bezeichnete es der Pharmakologe Mühlbauer von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, wenn Pharmafirmen Arzneimittel aus dem Markt nehmen, sie mit neuer Zulassung und anderer Indikation wieder auf den Markt bringen und dann ein zigfaches des früheren Preises verlangen. Eine Plusminus-Sendung machte darauf aufmerksam. Bedenklich wird dieses Vorgehen vor allem dann, wenn Patienten das Arzneimittel unter der alten Indikation bräuchten und es dann nicht mehr zur Verfügung steht.

Die Bayerische Landesapothekerkammer hätte es gerne bestätigt bekommen, dass es für die Vertretung eines Apothekenleiters eines Angestelltenverhältnisses bedarf. Aber damit ist sie vor Gericht nun abgeblitzt. Auch Apothekerinnen und Apotheker, die auf Selbstständigen-Basis arbeiten, können Apothekenvertretungen machen. Denn in dem Arbeitsvertrag mit der Vertretung auf Selbstständigen-Basis können auch Arbeitszeiten vereinbart werden und eine Weisungsbefugnis geregelt werden. Berufsrechtlich also alles in Butter. Ob das Finanzamt allerdings solche Verträge als selbstständige oder nichtselbstständige Arbeit ansieht, ist eine andere Frage.
Oder „Et kütt wie et kütt.“

1. Februar 2013

Haben wir’s nicht gewusst liebes Tagebuch, wie die supergroße ABDA-Protestaktion für die  ausstehende Notdienstpauschale aussieht? Ja? Na klar: 1 Stunde Klappendienst am 28. (nicht 29.) Februar von 12 bis 13 Uhr, bundesweit. Peng, da werden die Klappen krachen, dass man es bis nach Berlin hört. Da wird der Tag zur Nacht. Hoffentlich verwechselt das die Bevölkerung das nicht mit einer postkarnevalistischen Einlage der Apotheke.

Es soll sogar ein Drehbuch geben für alle Apotheken, damit die Apotheken genau wissen, wie der Aktionstag abläuft, wie und wann man die Klappe öffnet und schließt. Liebes Tagebuch, ich könnte mir auch noch einen Klappen-Rap einfallen lassen, gesungen von Gangnam-Style, Du weißt schon. Aber Spaß beiseite. Ist ja gut gemeint von unserer ABDA, liebes Tagebuch. Der Präsident selbst hat den Aktionstag zur Chefsache erklärt. Er wird vor dem Aktionstag durch die Redaktionsstuben von Regionalzeitungen tingeln und auf den Klappentag der Apotheke aufmerksam machen. Wenn schon kaum ein Bürger durch den Klappendienst beeinträchtigt wird, da die eine Stunde Schließung im Grundrauschen von Mittagspausen untergeht und die Hälfte der Apotheken vermutlich nicht mitmachen wird,  so wird es hoffentlich ein Medienecho hervorrufen. Also, liebes Tagebuch, auch wenn es mehr Symbolik ist, ich würde einfach mal mitmachen.
Oder, zur Abwechslung mal in platt: „Wat mutt, dat mutt!“

Die ABDA stellt klar, liebes Tagebuch: Die Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit wird auch in Zukunft eine Öffentlichkeitsarbeit „aus einem Guss“ aufs Parkett legen. Jawoll. Das hat er ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz den Kammern und Verbänden mitgeteilt. Hintergrund der Klarstellung sind Spekulationen, ausgelöst durch Presseberichte, aus denen man vielleicht unter Umstände hätte entnehmen können, es könne nicht so sein. Denn: solche Presseberichte schrieben zum Beispiel, dass der scheidende Pressesprecher Martius auch weiterhin als Berater für den Präsidenten zur Verfügung stehen könnte. Aber klar doch, das ist nur Spekulation, oder doch nicht? Denn ganz klar stellt Schmitz auch, „dass Herr Martius insbesondere innerhalb einer eventuellen Übergangszeit nach seinem Ausscheiden einzelne konkrete Projekte als Externer Berater begleitet.“ Äh, liebes Tagebuch, jetzt ist es aber ganz klar.
Oder. Et es wie et es.

2. Februar 2013

Und ein Höhepunkt der Woche: Die 120 Mio.-Notdienstpauschale kommt. Ganz sicher, liebes Tagebuch – vielleicht. Jens Spahn vom CDU-Gesundheitsausschuss will sich aber so was von stark dafür machen, sagte er auf dem 5. Zukunftskongress für öffentliche Apothekern in Bonn. O-Ton Spahn: „Ich würde hoffen wollen, in den nächsten zwei bis drei Wochen einen Referentenentwurf vorzulegen.“  Ist nicht wahr, oder? Doch! Nur: Alles muss durch den Bundesrat – und da könnte wohl was hängen bleiben. Oder: Drinks de ejne met?

 


Peter Ditzel


Das könnte Sie auch interessieren

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch…

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch