Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

18.11.2012, 08:00 Uhr


Es wird das Unwort des Jahres: Kassenabschlag. Wie das schon klingt, liebes Tagebuch. Kassen-ab-schlag, das tut richtig weh, nur negative Silben. Die Verhandlungen dazu mussten scheitern, die Schiedsstelle ist gefragt. Das hatten wir alles schon mal. Die Stimmung im Apothekerhaus – und nicht nur dort – ist am Boden. Immerhin: Wir haben einen frisch gebackenen BAK-Präsidenten. Alles Gute! Und einen candy-storm für Erika Fink, die scheidende Präsidentin.

Montag, 12. November 2012
Verhandlungsgrundlage für den Kassenabschlag muss 1,75 sein. Um diese Forderung im Vorfeld der Verhandlungen zu unterstreichen, rufen einige Landesapothekerverbände zu einer Faxaktion auf. Apotheken sollen Faxe an Krankenkassen in Bund und Land schicken, um zu zeigen, wie ernst die Lage für die Apotheken ist. Huhuhu, davor hatten die Krankenkassen aber richtig Angst, gell? Ergebnis: Die rund 1000 Faxe störten den Betrieb der Kassen überhaupt nicht. Wer faxt denn heute noch?

Der Apothekerverband Brandenburg versuchte es nicht mit Faxen. Er will den Kassen zeigen, wo der Hammer hängt. Er ruft die Apotheken im Land dazu auf, am Mittwoch ab 12 Uhr nur durch die Notdienstklappe zu bedienen. Äh, hat das jemand gemerkt? Sind einige Apotheken auf dem Land mittwochs nicht sowieso geschlossen? Weißt du liebes Tagebuch, nette Protestchen und Aktiönchen, die eigentlich niemanden so richtig stören. Und so wirklich „kampfbereit“ sind Kammern und Verbände auch nicht, wie eine Umfrage zeigte. Aber das ist eben unser Dilemma: Wir haben kein richtiges Druckmittel. Wen interessiert schon, wie viel Ab-schlag wir den Kassen zahlen müssen?

Dienstag, 13. November 2012
Die Vorbereitungen für die Abschlagsverhandlungen laufen weiter. Der Deutsche Apothekerverband erklärt noch mal, dass die Verhandlungen für viele Apotheken überlebenswichtig sind. Die Apothekenzahl in Deutschland ist schon bald unter 21.000 gesunken, der niedrigste Stand seit 1994. Traurig, aber draußen in der realen Welt scheint das niemanden zu stören.

Mittwoch, 14. November 2012
Ihr vor kurzem geschaffenes Präparat „Überlegfix“ schluckten Engelen und Preis im Kammerbereich Nordrhein selbst. Voller Kreativität entwarfen sie einen „etwas anderen Gesundheitskalender 2013“: jedes Kalenderblatt gibt einen illustrativen Einblick in ausgewählte Apothekenleistungen. Sie wollen der Politik und den politischen Entscheidungsträger damit zeigen: Seht her, dies alles kostet Geld; die Apotheken brauchen eine leistungsgerechte Vergütung. Ob so ein Kalenderchen denn hilft?

Hilfe könnte schon bald Celesio gebrauchen: der Konzernumbau treibt den Pharmahändler  tiefer in die rote Zahlen: ein Minus von knapp 200 Mio. in den ersten neuen Monaten. Aua, das tut weh, liebes Tagebuch. Schuld ist „die strategische Neuausrichtung“, wie es im Marketingsprech heißt, nämlich das „Desinvestitionsprogramm“. Im Klartext: Celesio hat u. a. seine Logistikfirmen wie Movianto und  Pharmexx sowie seinen Großhandel in Irland verkauft und das Oesterle-Abenteuer DocMorris beendet. Konzentration aufs Kerngeschäft heißt die Parole. Notwendig, aber schmerzlich für Celesio, aber Anerkennung von Gehe-Kunden und Apothekerverbänden. Dennoch, Druck und Probleme im Markt bleiben.

Wie erwartet: Die Verhandlungen zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband über den Kassenabschlag für 2012 sind gescheitert. Liebes Tagebuch, ich möchte nicht in der Haut von Becker und Co. stecken. Eine solche Blockadehaltung, wie sie die GKV gegen Apotheken an den Tag legt, hat mit Partnerschaft und Fairness nichts mehr, aber auch gar nichts mehr zu tun. Kassen wollen Krieg, oder? Sie erkennen die Leistungen der Apotheken nicht an.

Ab 1. Januar muss ein neuer Abschlag gelten, der unter 1,75 liegt. Denn: 2,05 Euro sind ein befristetes Sonderopfer. Punkt. Scharfmacher Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, in der Stuttgarter Zeitung: „Der Abschlag von 2,05 ist gerechtfertigt.“ Und dass die Apotheken einen enormen Mehraufwand durch die Rabattverträge haben, will er absolut nicht gelten lassen. Der Mehraufwand sei vom Gesetzgeber seinerseits, als das Honorar 2004 auf 8,10 festgesetzt wurde, bereits „eingepreist“ worden, tönt er. Denn die Möglichkeit zu Rabattverträgen habe es bereits damals gegeben, argumentiert er. Er vergisst: Seine  Milliardeneinsparungen hat er auch den Apotheken zu verdanken, die seine miserabel ausgehandelten Verträge umsetzen müssen.

Donnerstag, 15. November 2012
Kassen-ab-schlag und kein Ende: Klaus Michels, Chef des Apothekerverbands Westfalen-lippe, denkt darüber nach, die Kooperation mit den Kassen auf dem Gebiet der Blutzuckerteststreifen zu stoppen. Nicht-Kooperation muss man mit Nicht-Kooperation beantworten. Liebes Tagebuch, vielleicht ist das ein Weg.

Am kommenden Montag soll es soweit sein: eine 500.000 Euro-schwere Info-Kampagne der ABDA zur Blockadehaltung der Kassen soll anrollen. In Berliner Medien und 240 Regionalzeitungen sollen Anzeigen erscheinen: Auf Bildern greifen zwei Arme einem Apotheker in die Tasche. Die Bildunterschrift: „Was sich die Krankenkassen herausnehmen, geht auf Kosten Ihrer Gesundheit!“ Die Kampagne will eine Verbindung zwischen Apothekenschwund und mangelnder finanzieller Ausstattung der Apotheken herstellen. Ich bin auf das Medien-Echo gespannt.

DAV und Kassen werden sich nicht einig, zu weit auseinander sind die Positionen. Der DAV ruft die Schiedsstelle in Sachen Kassenabschlag an. Hey, Tagebuch, das hatten wir schon mal. Die Kassen klagten dann gegen den Schiedsspruch, das Verfahren ist bis heute nicht beendet. Aber einen anderen Weg gibt es nicht. Andererseits wäre es fatal, wenn wir ab 1. 1. 13 weiterhin 2,05 Euro Abschlag zahlen. Es muss also schnellstens juristisch geklärt werden, ob und wie die Apotheker den Kassenabschlag ab Januar auf 1,75 Euro senken können. Warum ist das eigentlich noch nicht geschehen?

Und dann das noch: Bei der Schiedsstelle trifft der Apothekerverband auf eine ungeklärte Übergangssituation. Die Amtszeit des unabhängigen Vorsitzenden Daubenbüchel läuft in wenigen Tagen aus. Neuer Konfliktstoff zwischen DAV und GKV ist vorprogrammiert.

Da wundert sich der Laie: Gibt es denn niemanden, der hier strategisch in Richtung Zukunft denkt? Dass die vierjährige Amtszeit des rekonvaleszenten Daubenbüchel zu Ende geht und eine Nachfolgeregelung getroffen werden muss, ist doch schon lange bekannt. Weihnachten kommt in der Regel auch nicht plötzlich. Und dass die Schiedsstelle eingeschaltet werden muss, war so gut wie sicher. Liebes Tagebuch, siehst du auch schon das Desaster auf  die Apotheker zukommen? Warum sind wir immer die Gekniffenen?

Positives Signal von CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn dazu: Er stellt sich hinter die Position der Apotheker. Ausgangsbasis für die Verhandlungen ist der Kassenabschlag von 2010 in Höhe von 1,75.

Wenigstens darauf ist bei der ABDA Verlass: Wer vorher ausgeguckt wird, wird auch gewählt. Kiefer ist der neue BAK-Präsident. Am 1. Januar löst er Erika Fink ab. Schauen Sie mal in die heutige Montags-AZ, da können Sie Kiefer mal kennenlernen. Wir wünschen ein gutes Händchen. Und sagen: Candies und Danke an die Ex-BAK-Präsidentin Frau Fink.

Nochmals Michels vom Apothekerverband Westfalen-Lippe: Er fordert eine „lebhafte und offene“ Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der ABDA-Politik“. Er wünscht sich zudem von allen Kandidaten, dass sie „Ihre Vorstellung davon sehr deutlich machen, was sie mit dem angestrebten Amt anfangen wollen, für welche Inhalte und welche Richtung sie stehen“. Recht hat. Warum hat dies eigentlich noch niemand eingefordert? Selbst wenn die inneren Zirkel der ABDA wissen, wofür die Kandidaten stehen: Gehört das nicht zu einer demokratischen und transparenten Struktur? Wie sagte doch ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz auf dem Apothekertag sinngemäß: eine demokratischere Struktur als die ABDA kann er sich kaum vorstellen. Wir schon, liebes Tagebuch.

Immerhin, es gibt Verbandsvertreter, die das, was bei der ABDA abläuft, durchaus kritisch sehen. Gerade in den letzten Tagen wurde deutlich: Hinter den ABDA-Kulissen ist nicht immer eitel Sonnenschein. Manche Verbändechefs trauen sich jetzt sogar, Kritik offen zu äußern. Bemängelt werden beispielsweise eine unzureichende Kommunikation hin zur Basis oder Entscheidungen im Apothekerhaus, ohne dass Mitgliedsorganisationen substanziell daran beteiligt sind. Beispiel Protestaktionen: Manche Verbände preschen vor und machen ihre eigenen Aktionen. Andererseits: 17 Landesfürsten und ihre Vorstellungen unter einen Hut zu bringen, ist auch nicht immer leicht. Vielleicht haben wir ein Führungsproblem?

17. November 2012
Ein Fax, ein Fax! Toll! Auch der Hessische Verbandschef will Faxen machen. Protest per Fax!  Nein, nein, so wird das nichts, liebes Tagebuch. Wie schon die Aktion am Wochenanfang zeigte: Richtig niedlich, wenn man glaubt, ein GKV-Imperium mit der Technologie aus dem letzten Jahrhundert beeindrucken zu können. Andererseits: es zeigt die Hilflosigkeit, mit der wir Apothekerinnen und Apotheker dem Gigant GKV gegenüberstehen. Ein richtiges legales Druckmittel haben wir nicht.

Da hilft nur noch viel Kaffee bei den Abschlagsverhandlungen. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nämlich: Coffein macht das Gehirn nicht nur leistungsfähiger, sondern auch empfänglich für positive Wörter. Liebes Tagebuch, ist „Apotheke“  nicht ein äußerst positives Wort? Wie negativ klingt dagegen Kassenabschlag. Fazit: Mehr starken Kaffee für die Kassenvertreter!


Peter Ditzel


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