Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch…

28.10.2012, 08:00 Uhr


…was aus den Werken kreativer Zerstörer wird, zeigte die letzte Woche: sie zerstören sich selber. Die DocMorris-Versandapotheke, mit aufgebaut von Ralf Däinghaus, gekauft für über 200 Mio. Euro von Ex-Celesio-Chef Fritz Oesterle, jetzt verkauft von Celesio-Chef Pinger an die Schweizer Ärzte-AG Zur Rose – für 25 Mio. Euro. Nein, liebes Tagebuch, Du musst mir jetzt nicht sagen, was ich dabei fühle. Aber der Reihe nach.

Montag, den 22. Oktober 2012
Mitte Oktober hatten sie getagt, die Pharmazieräte, hinter verschlossenen Türen. Die Abgeschlossenheit und Ruhe war bestimmt bitter nötig, denn sie versuchten die Rätsel der –  nein, nicht der Sphinx, aber fast genau so schwer – neuen Apothekenbetriebsordnung zu lösen. Wie können die neuen Paragraphen ausgelegt werden? Wie sind sie in der Praxis umzusetzen und was könnten die Ministerialen damit gemeint haben? Geheimnisse über Geheimnisse, liebes Tagebuch. Was ist das für eine Gesellschaft, in der sich ein Gesetzgeber nicht mehr klar ausdrücken kann? Wer schon jetzt mehr Klarheit haben will, kauft sich den neuen Kommentar zur ApBetrO von Cyran/Rotta.

Dienstag, den 23. Oktober 2012
„Ein kleiner Pieks für die Gesundheit“ – mit diesem Slogan empfiehlt Niedersachsens Gesundheitsministerin Aygül Özkan in einer Pressemitteilung die Grippeimpfung. Diesen Pieks, liebe Frau Özkan, würden sicher auch alle Ärzte und Apotheker empfehlen, nur: man kann sich nicht pieksen lassen, es gibt kaum Impfstoffe! Immer noch nicht. Fast täglich meldet irgendein anderes Bundesland den Impfstoff-Notstand. Fein, dass nun auch der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Andreas Storm (CDU), merkt: „Es gibt Mängel im System.“ Wer hätte das gedacht, liebes Tagebuch, und das schon sechs, sieben Wochen lang. Das piekst!

DocMorris wäre nicht DocMorris, wenn man sich nicht neue Werbemaßnahmen ausgedacht hätte: Ab jetzt keine Boni, dafür Thermobecher und Fünf-Euro-Gutschein fürs Anwerben von Neukunden ab einem OTC-Einkaufswert von 20 Euro. Ja super, das ist doch echte Pharmazie im Jahre 2012, oder? Ist es nicht traurig, liebes Tagebuch, wie weit es gekommen ist mit der pharmazeutischen „Heilkunst“. Hauptsache Cash. Aber die Politik hat’s so gewollt.

Mittwoch, 24. Oktober 2012
Wozu sich die Politik hinreißen lässt, um Wählerstimmen zu gewinnen, sieht man derzeit an der FDP. Deren Fraktionschef  Rainer Brüderle macht sich für eine Abschaffung der Praxisgebühr stark. Unglaublich. Da will man auf sage und schreibe rund 2 Milliarden Euro im Jahr verzichten, nur weil die Kassen derzeit 28 Milliarden gebunkert haben – die genauso so schnell aufgebraucht sein können, wie sie gekommen sind. Dabei haben sich Patienten und Ärzte mittlerweile an die Praxisgebühr gewöhnt.
Aber wenn die Apotheker nach über acht Jahren eine kleine Anpassung ihres Honorars wollen, gehen die Kassen auf die Barrikaden, die Politik lässt nur eine marginale Anpassung zu. Wie passt das zusammen?

Liebes Tagebuch, die Politik will den Nachdienst mit einer Pauschale anerkennen, aber noch immer ist es unklar, wie die Millionen unter die Apotheken gebracht werden sollen. „Das geht nicht über Nacht“, meinte ABDA-Präsident Wolf. Da hat er Recht. Aber bevor die Politik das Zubrot über Nacht wieder kassiert, sollte man sich schleunigst über Tag einen Modus ausdenken (lassen).

Was jetzt kommt, liebes Tagebuch, vergisst Du am besten gleich wieder: Von der Politik aufgefordert, über neue Honorarmodelle für Apotheker nachzudenken, ließ der ABDA-Präsident seine Gedanken spielen: ihm fiel ein Apothekenhonorar ein, das von der Packungsgröße abhängig sein könnte. Ein geringeres Honorar für N1 und N3 ohne pharmazeutische Begleitung, ein höheres Honorar für N2 mit pharmazeutischer Begleitung. Rate mal, liebes Tagebuch, was die Kassen in diesen Fällen den Ärzten für die Verordnung nahelegen würden! Am besten, ich streich solche Vorschläge schnell wieder durch, damit’s keiner mehr lesen kann.

Donnerstag, 25. Oktober 2012
Schier unglaublich, liebes Tagebuch, wie sich das Grippeimpfstoff-Drama zum Wochenende hin steigerte. Nicht nur, dass Kassen und Hersteller sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Zu allem Übel stellte man auch noch Ausflockungen in den Impfstoffen Begripal und Fluad fest – die Behörde rief zahlreiche Chargen dieser Impfstoffe zurück. Es würde mich nicht wundern, wenn in der Bevölkerung das Vertrauen in Grippe-Impfstoffe den Bach runter geht.

Freitag, 26. Oktober 2012
Heute mach ich ein dickes rotes Kreuz auf Deine Seite, liebes Tagebuch. Der Bonus-Spuk der ausländischen Versender hat nun ein Ende. Endlich! Es hat lang gedauert, bis sich die Politik durchringen konnte und ins AMG schrieb, dass auch ausländische Versandapotheken keine Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel geben dürfen. Ab heute ist Schluss mit den Gutscheinen, Boni und dem 15-Euro-pro-Rezept-Gedöns.

Der niederländische Versender DocMorris und Rewe-Märkte, die für DocMorris Rezepte einsammeln und mit solchen Vergünstigungen werben, wollten das bis zuletzt nicht akzeptieren. Das Landgericht Köln musste mit einer einstweiligen Verfügung nachhelfen, damit alle DocMorris-Angebotsflyer, die 2,50 Euro pro Arzneimittel anbieten, aus den Filialen verschwinden. Wir schauen am Montag mal bei Rewe rein, liebes Tagebuch. Sollte da noch Flyer liegen, dann sind 250.000 Euro von Rewe/DocMorris an die Staatskasse fällig.

Und heute gleich noch ein zweites dickes Kreuz, dieses Mal in Grün: Celesio hat die DocMorris-Versandapotheke verkauft zum Schnäppchen-Preis von 25 Millionen. Zugegriffen hat die schweizerische Zur Rose Pharma AG, die bereits mit der Zur Rose Pharma GmbH im Versandhandel tätig ist, allerdings mit wenig Erfolg. Rote Zahlen, fast pleite. Celesio hat da kräftig drauf gelegt, um das DocMorris-Abenteuer des Vorgängers los zu werden. Strich drunter: vielleicht hält das in Zukunft mögliche Abenteurer-Manager davon ab, Arzneimittel-Versender oder -Discounter zu spielen.

Liebes Tagebuch, jetzt fragen sich alle DocMorris-Franchise-Apotheker: wie geht’s weiter, was passiert mit uns? Dürfen, sollen, können sie noch ihre grün-weißen Läden unter dem Logo DocMorris weiterbetreiben? Oder sollten sie vielleicht lieber umflaggen auf Celesio-blau oder auf Lloyds-Pharmacy-mintgrün? Und wer zahlt das Umpinseln? Ach ja, das sind so die Sorgen eines Pharmazeuten von heute, gell?

Noch eine bunte Meldung zum Freitag: easy-Apotheker (grün-blau) geben ihren Kunden bei Rezepteinlösung einen Einkaufsgutschein im Wert von einem Euro. Die Apothekerkammern sind dagegen vorgegangen. Ein easy-Apotheker wurde nun in zweiter Instanz vom Landberufsgericht für Heilberufe beim Oberwaltungsgericht Rheinland-Pfalz verwarnt. Jetzt will er – mit Unterstützung der easyApotheke-Systemzentrale – Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen. Sag mal, liebes Tagebuch, wie bescheuert ist das denn alles? Da will eine Kooperation vorm höchsten Gericht kämpfen, damit ihre Mitglieder 1 Euro weniger von den Rezeptkunden verlangen dürfen – des Wettbewerbs wegen. Auf der anderen Seite kämpfen und ringen Becker, Wolf und alle anderen mit den Kassen und der Politik, 25 Cent mehr pro Packung zu bekommen, ein paar Euro mehr im Nachtdienst einzunehmen und den Kassenabschlag um ein paar Cent zu drücken. Hallo, easy, geht’s noch?

Liebes Tagebuch, es gibt auch noch Angenehmes in der Pharmazie: zum Beispiel der 20. Jahrestag der Wiedergründung des Pharmazeutischen Instituts in Jena. Als sich „Oeli“ aus Frankfurt 1992 zusammen mit Professor Reuter aus Jena für die Wiedergründung des zu DDR-Zeiten geschlossenen Instituts einsetzte, fragten sich manche, ob das denn nötig sei: noch ein Institut. Es war nötig! Die beiden hatten damals Weitblick. Wir brauchen den Nachwuchs in Deutschland. Und Jena trägt jährlich mit rund 60 frischgebackenen und hervorragend ausgebildeten Apothekerinnen und Apothekern dazu bei. Ein Dank an das tolle und engagierte Professorenteam in Jena: Jene ist bene.


Peter Ditzel, DAZ-Herausgeber


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