Rabattverträge

Pro Generika fordert vertragsfreie Wettbewerbsphase

Berlin - 18.10.2011, 13:41 Uhr


Der Branchenverband Pro Generika appelliert an den Gesetzgeber, Wettbewerbshemmnisse auf dem patentfreien Arzneimittelmarkt aus dem Weg zu räumen. Rabattverträge mit Originalherstellern müssten mit Patentablauf enden; anschließend müsse es eine zweijährige vertragsfreie Phase geben, damit ein fairer und nachhaltiger Wettbewerb entstehen kann.

Eine gänzliche Abschaffung von Rabattverträgen ist politisch nicht durchsetzbar – doch Pro Generika gibt nicht auf, zumindest an einigen Stellen die unliebsamen Wirkungen der Verträge zu minimieren. Ausgangspunkt der neuen Forderungen ist ein Gutachten des Berliner IGES-Instituts im Auftrag von Pro Generika. Dieses stellt zum einen die Bedeutung von Generika im Arzneimittelmarkt dar: In der Regel durchdringen sie den Markt rasch, fast 70 Prozent aller in der GKV verordneten Arzneimittel sind heute Generika. Dabei haben sie nur einen Umsatzanteil von 22 Prozent.

Betrachtet man allerdings einzelne Wirkstoffmärkte, so zeigen sich erhebliche Unterschiede, die darauf hindeuten, dass der Wettbewerb nicht überall gleich gut funktioniert. IGES geht von drei Gruppen von Substanzen aus: So gibt es Wirkstoffe wie Pantoprazol, Venlafaxin, Nebivolol oder Tamsulosin, bei denen generische Präparate zwei Jahre nach Patentablauf mehr als 85 Prozent des Marktes (nach Verbrauch) abdecken. Zuweilen ist der Markt sogar fast vollständig (knapp 97 Prozent) in generischer Hand. Bei anderen Substanzen – etwa Fluvastatin, Oxycodon, Clopidogrel oder Hydromorphon – liegt der Generikaanteil zu diesem Zeitpunkt nur bei 40 bis 85 Prozent. Zudem existieren generische Wirkstoffe, die selbst zwei Jahre nach Patentablauf noch keinen Verbrauchsanteil von 40 Prozent erzielen konnten. Hierzu zählen etwa Buprenorphin, Escitalopram, Leuprorelin und Octreotid.

Während in der ersten Substanzgruppe, in der der Generikawettbewerb sich voll entfalten kann, nach zwei Jahren Preisrückgänge um rund 57 Prozent bei Nachahmerpräparaten auszumachen sind (Originale: +2 Prozent), haben es Wirkstoffe der letzten Gruppe weitaus schwerer. Wenn Generika hier nur rund 5 Prozent des Marktes abdecken, ist auch der preisliche Spielraum begrenzt – dennoch sanken die Preise hier der Studie zufolge noch immer um fast 11 Prozent, während sie für Originale um 16 Prozent stiegen. IGES stellt die Rechnung auf, dass der eingeschränkte bzw. stark eingeschränkte Wettbewerb bei den zehn umsatzstärksten Wirkstoffen der zweiten und dritten Gruppe Einsparungen von rund 665 Millionen Euro verhindert.

Studienautor und IGES-Geschäftsführer Dr. Martin Albrecht nannte mehrere Gründe für den eingeschränkten Wettbewerb: Patentstreitigkeiten, fachliche Kontroversen über die vermeintliche Gleichwertigkeit von Generika bzw. Biosimilars oder Produktanpassungen der Erstanbieter kurz vor Patentablauf sowie Zulassungserweiterungen, mit denen Erstanbieter ihre Marktexklusivität zeitlich ausweiten. Die Studie nimmt jedoch Rabattvereinbarungen in den Fokus – speziell solche zwischen Krankenkassen und Erstanbietern. Albrecht warnt: „Es besteht das Risiko, dass anfängliche Einsparungen durch Rabattverträge mit Originalherstellern im Zeitverlauf zu Verlusten werden, vor allem wenn diese Verträge längerfristig Markteintritte von Generikaanbietern verhindern und den Preiswettbewerb schwächen“. Prominentes Beispiel sind derzeit die Rabattverträge für das Eli Lilly-Präparat Zyprexa. Für den Wirkstoff Olanzapin ist Ende September das Patent abgelaufen. Zuvor hat Lilly mit nahezu allen gesetzlichen Krankenkassen einen Rabattvertrag über sein Originalpräparat geschlossen. Die AOK-Gemeinschaft hat mangels ausreichenden Wettbewerbs jüngst einen Rückzieher bei der generischen Ausschreibung dieses Wirkstoffs gemacht, was von Pro Generika begrüßt wurde.

Der Pro Generika-Vorsitzende Wolfgang Späth sieht durch die Studie die Behauptung widerlegt, Rabattverträge hätten überhaupt erst Wettbewerb im Generikamarkt geschaffen. Die Verträge erhöhten nicht die Intensität des Wettbewerbs, sondern sorgten vielmehr für eine Marktkonzentration. Die bestehenden Wettbewerbshemmnisse, so Späth, schädigten nicht zuletzt Zukunftsmärkte, insbesondere den der Biosimilars.

Pro Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer leitete aus der IGES-Studie Maßnahmen für mehr Wettbewerb ab: So müsse es mit dem Patentablauf eine „Stunde Null“ geben. Das bedeutet, dass alle Krankenkassenmärkte für alle Generikaanbieter offen sein müssen – Rabattverträge von Anbietern patentgeschützter Arzneimittel dürfen nur bis zum Ablauf des Patents gelten. Aber auch das alleine reiche nicht aus, so Bretthauer weiter. Um nach Patentablauf faire und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Anbieter zu sichern und den Wettbewerb nachhaltig zu gestalten, müsse es zusätzlich eine zweijährige vertragsfreie Wettbewerbsphase geben. Denn sowohl die Untersuchungen des IGES wie auch eine jüngst vorgestellte Studie der EU-Kommission zu den Arzneimittelmärkten in Europa zeigten, dass es bis zu zwei Jahre brauche, bis sich der Generikawettbewerb voll entfaltet. Bretthauer: „Das sind zwei konkrete Maßnahmen, die den patentfreien Arzneimittelmarkt für alle Anbieter öffnen und damit den Generikawettbewerb nachhaltig gestalten können". Er forderte eine rasche politische Lösung – wenngleich er nicht erwartet, dass diese bereits im Versorgungsstrukturgesetz gefunden wird.


Kirsten Sucker-Sket