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Fingolimod

05.05.2011, 11:34 Uhr


Fingolimod ist in Europa zur Zweitlinien-Behandlung der hochaktiven, schubförmig-remittierenden Multiplen Sklerose bei Patienten mit hoher Krankheitsaktivität zugelassen, wenn diese auf eine Behandlung mit Interferon beta nicht ausreichend ansprechen.

Fingolimod (Gilenya®) leitet sich von einem Pilzprodukt, dem Myriocin, ab. Ursprünglich wurde Fingolimod als Immunsuppressivum nach Nierentransplantationen entwickelt. Hier war es jedoch nicht besser wirksam als die bereits eingeführten Wirkstoffe.

Fingolimod wird nach Einnahme durch das Enzym Sphingosin-Kinase-2 zu Fingolimod-Phosphat metabolisiert. Dieses bindet an die Sphingosin-1-Phosphatrezeptoren auf den Lymphozyten. Dadurch hindert es die Lymphozyten daran, aus den Lymphknoten in das Blut überzutreten, im Gehirn die Myelinscheiden zu zerstören und damit die für Multiple Sklerose typischen entzündlichen Prozesse am Nervensystem auszulösen.

Fingolimod wird einmal täglich in einer Dosis von 0,5 mg in Kapselform eingenommen, unabhängig von den Mahlzeiten.

In den Zulassungsstudien wurden mehr als 2600 MS-Patienten mit Fingolimod im Vergleich zu Interferon beta-1a (z. B. Avonex®, Rebif®) behandelt. Hier reduzierte Fingolimod die Schubrate um 54 % und wirkte damit besser als Beta-Interferon. Außerdem verzögerte Fingolimod das Fortschreiten der Behinderung und verringerte die Zahl der entzündlichen Hirnschäden.

Fingolimod unterdrückt aber auch erwünschte Reaktionen der Immunabwehr, so dass es häufiger zu Infektionen kommt, zum Beispiel der Atemwege und Pilzinfektionen der Haut. In den klinischen Studien kam es außerdem unter der höheren Dosis von 1,25 mg zu zwei Todesfällen durch Infektionen mit Herpesviren: Ein Patient starb an Windpocken, ein anderer an einer Herpes-simplex-Enzephalitis.

Weitere Nebenwirkungen sind vor allem zu Beginn der Behandlung eine Senkung der Herzfrequenz und der Leitungsgeschwindigkeit am AV-Knoten. Aus diesem Grund sollten nach der ersten Dosis Puls und Blutdruck überwacht werden. Außerdem kann es zu erhöhten Leberenzymwerten und Makula-Ödemen kommen.

Kontraindiziert ist Fingolimod bei immungeschwächten Patienten, schweren aktiven Infektionen, aktiven chronischen Infektionen wie Hepatitis und Tuberkulose sowie aktiven malignen Erkrankungen und schweren Leberfunktionsstörungen (Child-Pugh-Klasse C).

Fingolimod wird phosphoryliert und über CYP4F2 abgebaut; pharmakokinetische Interaktionen mit CYP450-Inhibitoren wie Ketoconazol oder CYP450-Induktoren sind möglich. Außerdem sind Wechselwirkungen mit Antiarrhythmika, Betablockern, Zytostatika, Antineoplastika, Immunsuppressiva und anderen Immunmodulatoren zu beachten.

Wegen der möglichen schweren Nebenwirkungen ist Fingolimod in Europa nur zur Zweitlinientherapie der Multiplen Sklerose zugelassen, wenn Beta-Interferone nicht ausreichend wirken oder die Erkrankung sehr aktiv ist und rasch fortschreitet.

In der Schweiz und den USA ist Fingolimod dagegen zur Ersttherapie zugelassen, allerdings nur unter strengen Auflagen. Vor Therapiebeginn sind Labortests auf die Leberfunktion, Blutdruckkontrollen und eine Untersuchung der Augen erforderlich.

Quelle: Fachinformation von Gilenya®, Stand März 2011


Dr. Bettina Hellwig