Karl Lauterbachs unvollendete Projekte
Der Deutsche Bundestag mit seinen bisherigen Kräfteverhältnissen wird nur noch kurze Zeit bestehen. Fällt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei der Vertrauensfrage durch, so löst der Bundespräsident den Bundestag binnen 21 Tagen auf. Insofern bleibt nur noch wenig Zeit für parlamentarische Arbeit, auch wenn diese Woche unverdrossen weitere Anhörungen im Gesundheitsausschuss des Bundestages stattfanden. Die Tagesordnung des Plenums sieht hingegen derzeit keine Gesetzesberatungen vor. Es ist ohnehin nicht nur die knappe Zeit: Die verbleibende Minderheitsregierung aus SPD und Grünen dürfte auch die nötigen Mehrheiten für ihre Gesetze kaum mehr zusammenbekommen. Sowohl Union als auch FDP zeigen kein Entgegenkommen. Und wenn es nicht weitergeht mit den offenen Gesetzesentwürfen und weiteren Vorlagen, gelten sie nach dem Ende der Wahlperiode als erledigt (Grundsatz der Diskontinuität). Das heißt: Nach der Bundestagswahl, die voraussichtlich Ende Februar stattfindet, steht ein echter Neustart an.
Was heißt das für die Apotheken? Regelungen, die sie betreffen, finden sich in zahlreichen Gesetzesvorhaben. Wir geben nachfolgend einen Überblick, was den Apotheken erspart bleibt – und was sie nicht bekommen, obwohl sie es sich möglicherweise gewünscht haben.
Apotheken-Reformgesetz
Für die Apotheken am wichtigsten und am dichtesten bepackt ist natürlich das Apotheken-Reformgesetz. Dieses ist nie über das Stadium eines Referentenentwurfs hinausgekommen, weil die FDP sich quergestellt hat. Nun ist es endgültig vom Tisch, sofern es nicht so weit kommt, dass Karl Lauterbach in einer möglichen neuen Großen Koalition wieder das nicht allzu beliebte Amt des Bundesgesundheitsministers übernimmt und die Union für seine Ideen gewinnen kann. Damit ist auch die „Apotheke ohne Apotheker“ erst einmal Geschichte. Ebenso die geplante kurzfristige Honorarumverteilung, die es im kommenden Frühjahr zu einem höheren Fixum bei Senkung des prozentualen Zuschlags gebracht hätte, sowie die mittelfristig angedachte Verhandlungslösung für das Honorar. Doch auch eine Regelung, die handelsübliche Skonti des Großhandels wieder erlaubt, ist in weite Ferne gerückt. Das Gleiche gilt für neue Bedingungen für Gründungen von Filialen und Zweigapotheken sowie die Idee, dass sich zwei Apotheker*innen die Leitung einer Apotheke teilen können. Und auch die Möglichkeit, künftig Betäubungsmittel mit anderen Arzneimitteln in einem Kommissionierautomaten lagern zu können, wird vorerst nicht geschaffen.
Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit
Teile der Apothekenreform hatte die Ampel bereits im Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit untergebracht: die Impfbefugnis, die sich auf alle Totimpfstoffe bezieht, und die Ausnahme vom Abspracheverbot bei der Rezeptzuweisung in der Heimversorgung. Überdies sollte mit dem Gesetz, das im parlamentarischen Verfahren schon relativ weit fortgeschritten war, eine Regelung zur Beschleunigung des Apotheken-Ident-Verfahrens kommen, aus der nun nichts mehr wird. Die hier zunächst per Änderungsantrag eingebrachte Regelung zu Favorisierten Apotheken war ohnehin schon nach der öffentlichen Anhörung wieder entfallen.
Notfallgesetz
Für die Apotheken von Bedeutung ist zudem die Notfallreform. Mit ihr sollten Rettungsdienste und Krankenhaus-Notaufnahmen entlastet werden. Im Zentrum standen Integrierte Notfallzentren (INZ), die aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) im oder am Krankenhausstandort und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle bestehen. Vorgesehen war, dass die KV und der Krankenhausträger eines solchen INZ künftig einen Versorgungsvertrag mit einer öffentlichen Apotheke schließen müssen. Diese Apotheke sollte sodann die Praxis mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten („notdienstpraxisversorgende Apotheke“) versorgen. Bis so ein Vertrag geschlossen ist, sollte den Notärzten ein begrenztes Dispensierrecht zustehen.
Gesundes-Herz-Gesetz
Verpasst ist auch Lauterbachs Ziel, die Vorsorge und Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern. Das Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit hatte am Tag des Ampel-Bruchs seine erste Lesung im Bundestag. Geplant waren neue Gesundheitschecks und auch Apotheken sollten dabei eine Rolle spielen: Ihnen waren drei neue pharmazeutische Dienstleistungen zugedacht, die Beratungen und Messungen, aber auch eine Kurzintervention zur Prävention tabakassoziierter Erkrankungen vorsehen.
Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz
Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG) gehört ebenfalls zu den Projekten, die auf der Strecke bleiben werden. Nachdem die Gesundheitskioske und -regionen aus dem Referentenentwurf herausgefallen waren, fanden sich darin in erster Linie noch Regelungen zur Entbudgetierung der Hausärzte. Für die Apotheken war noch interessant, dass mit dem GVSG die im Arzneimittelgesetz verankerte Verordnungsermächtigung für die Arzneimittelpreisverordnung geändert werden sollte: Sie sollte vom Bundeswirtschafts- aufs Bundesgesundheitsministerium übergehen. Diese Woche Mittwoch sollte zu diesem Gesetzentwurf die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss stattfinden. Doch auch die wird das Überleben des GVSG kaum sichern.
Arzneimittelpreisverordnung
Theoretisch könnte das Bundeswirtschaftsministerium auch in der Schwebezeit und bei einem aufgelösten Bundestag noch die Arzneimittelpreisverordnung ändern und damit für ein höheres Apothekenhonorar sorgen. Den Haushalt würde dies schließlich nicht belasten. Ebenso könnte es in der Verordnung noch klarstellen, dass Großhandelsskonti wieder zulässig sind. Der Wille für solche Änderungen in diesen Zeiten scheint allerdings nicht vorhanden.
Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz
Am vergangenen Montag fand noch die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss statt: Dennoch dürfte das Gesetz zur Schaffung einer Digitalagentur für Gesundheit (GDAG), mit dem die Gematik ausgebaut werden und ein gestärktes Mandat erhalten sollte, ebenfalls keine Chance auf Umsetzung mehr haben.
NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz
Nicht aus dem BMG, aber dennoch für große oder umsatzstarke Apotheken relevant ist zudem die Umsetzung der europäischen NIS-2-Richtlinie, die für mehr Cybersicherheit sorgen soll. Die Umsetzungsfrist ist bereits Mitte Oktober abgelaufen. Ob das aber reicht, um das Gesetzgebungsverfahren abzuschließen? Klar ist jedenfalls: Selbst, wenn es vor der Wahl nicht mehr klappt, die Umsetzung muss danach so rasch wie möglich erfolgen.
Abschließend lässt sich sagen: Lauterbach hatte eine der besseren Bilanzen der Bundesregierung, wenn es um die Anzahl durchgebrachter Gesetzesvorhaben geht, z. B. an das ALBVVG, MFG und das Digitalgesetz werden wir uns noch länger erinnern. Vorgenommen hatte er sich aber deutlich mehr. |