Aus den Ländern

„pharmazie Deine Leidenschaft“

Im Fokus der Hermann-Hager-Tagung 2.0 standen pharmazeutische Dienstleistungen

jr/dab | Wer sein Wissen zu pharmazeutischen Dienstleistungen erweitern und sich wieder neu für Pharmazie begeistern lassen wollte, konnte am 25. und 26. Februar 2023 an der Hermann-Hager-Tagung 2.0 teilnehmen. Sie fand als Online-Veranstaltung der Landesapothekerkammer Brandenburg statt und stand gleich zweifach unter dem Motto „pDL“. Zum einen als Akronym für pharmazeutische Dienstleistungen, zum anderen auch neu interpretiert für „pharmazie Deine Leidenschaft“.

Warum pharmazeutische Dienst­leistungen (pDL) in der Apotheke anbieten? „Weil wir es können“, so die Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Brandenburg, Katrin Wolbring, in ihrer Eröffnungsrede zur Hermann-Hager-Tagung 2.0 am vergangenen Wochenende. Die Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie machte keinen Hehl daraus, dass es angesichts aktueller Herausforderungen wie Personalmangel und Lieferengpässen nicht unbedingt einfach ist, pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, dennoch machte sie Mut dazu. Um sich für die neuen Aufgaben in der Apotheke zu rüsten, bot die zweitägige Fortbildungsveranstaltung acht verschiedene Vorträge zur Beratung und pharmazeutischen Betreuung von Patienten an. An allen gebotenen Vorträgen nahmen insgesamt 1579 Zuhörer teil.

Foto: LAK Brandenburg

Katrin Wolbring, Vizepräsidentin der LAK Brandenburg, eröffnete die Hermann-Hager-Tagung 2.0

Selbstbewusst in der Beratung

„Der Kunde ist kein Arzneimittelexperte“ – diese Botschaft rief der Apotheker und Trainer Dr. Erol Yilmaz seinen Zuhörern zu Beginn seines Vortrags „Wie Vor-Ort-Apotheke Spaß machen kann? – mit Beratung!“ in Erinnerung. Anhand des Beispiels einer Verordnung über ein Kombinationspräparat aus L-Thyroxin und Kaliumiodid erläuterte er, wie man den Kunden Schritt für Schritt beraten kann. Dabei ging er insbesondere auf Wechselwirkungen ein, die z. B. durch Komplexbildung mit zwei- oder dreiwertigen Kationen, Enzyminduktion durch Carbamazepin oder Verdrängung aus der Plasmaprotein-Bindung von Phenprocoumon entstehen können. Yilmaz betonte auch, wie wichtig es sei, im Beratungsgespräch abzufragen, wie gut der Patient sein Arzneimittel verträgt und ob beispielsweise Symptome eines Selen-Mangels bestehen, wovon vor allem Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis betroffen seien. Hat der Kunde entsprechende Symptome, z. B. brüchige Nägel und Haare, Aphten, Herpes oder Warzen, so kann eine Kontrolle des Selen-Status beim Arzt empfohlen werden.

Der Apotheker und Trainer gab den Zuhörern noch ein paar generelle Tipps für die Beratung mit. Zeigt sich beispielsweise ein Kunde misstrauisch gegenüber den Fragen des Apothekers, können Sätze helfen, wie „Ich interessiere mich für Ihre Gesundheit“ oder „Ich möchte Sie optimal beraten“. Wichtig sei in jedem Fall, dass man in der Beratung selbstbewusst auftrete, insbesondere wenn man Empfehlungen ausspricht. Sätze im Konjunktiv wie „Ich würde Ihnen Präparat xy empfehlen“ wirkten unsicher und seien zu vermeiden.

Auf Nebenwirkungen bei oraler Tumortherapie hinweisen

Der Leiter der Krankenhausapotheke der Havelland Kliniken in Nauen, Dr. André Schäftlein, sprach in seinem Vortrag über die Betreuung von Patienten bei oraler Tumortherapie. Grundsätzlich sei es wichtig, Patienten über mögliche Nebenwirkungen der Behandlung gut zu informieren und zur Prophylaxe zu beraten, um die Therapietreue zu verbessern. Denn viele Patienten gehen davon aus, dass eine orale Zytostatika-Therapie im Vergleich zu einer intravenösen Gabe mit weniger Nebenwirkungen verbunden ist, was leider nicht der Fall ist.

Eine häufige Nebenwirkung von oralen Zytostatika und gleichzeitig ein häufiger Grund für einen Therapie­abbruch ist ihre Hauttoxizität. So unangenehm sie ist, sei sie aber auch ein Marker für ein gutes Therapieansprechen und nach der Behandlung reversibel, was man dem Patienten unbedingt vermitteln sollte, so Schäftlein. Man unterscheidet drei Phasen der Hauttoxizität, die man unterschiedlich behandelt: Etwa zwei Wochen nach Therapiebeginn, in Phase I, treten akneartige Veränderungen auf. Diese dürfen allerdings keinesfalls mit klassischen Aknetherapeutika wie Benzoylperoxid behandelt werden. Stattdessen sollte Reinigungsgele, nicht rückfettende Hautpflegeprodukte und Thermalwasser zum Einsatz kommen. Die Phase II nach etwa drei bis fünf Wochen gilt als Austrocknungsphase mit Juckreiz, in der milde Cremeseifen und Pflegelotionen an­gewendet werden sollten. Schließlich folgt die Phase III, in der sich ein trockener Hautzustand manifestiert. Dexpanthenol-haltige Cremes für das Gesicht und Harnstoff-haltige Wasser-in-Öl-Emulsionen für Brust und Rücken können empfohlen werden. Durch die gesteigerte Empfindlichkeit der Haut, insbesondere unter dem Zytostatikum Vemurafenib, sollte Sonnenexposition vermieden werden bzw. Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutzfaktor (mindestens 50) und UV-A und -B-Filter zum Einsatz kommen.

Welche Patienten profitieren von Nahrungsergänzung?

Dr. Markus Zieglmeier, Fachapotheker für Klinische Pharmazie, referierte über den evidenzbasierten Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln. Welche Arzneimittel oder Erkrankungen erhöhen das Risiko für Mangelernährung? Welche Patientenkreise von bestimmten supplementierten Vitaminen profitieren können, ist für die Beratung in der Apotheke relevant.

Zu Beginn hat Markus Zieglmeier die Problematik von Vitamin B12 unter Protonenpumpeninhibitoren (PPI) diskutiert: Werden PPI langanhaltend eingenommen, so wird die Bindung des Vitamins an den intrinsic factor verhindert, was zu reduzierter Aufnahme im terminalen Illeum führt. Daher sollte bei entsprechenden Patienten Cobalamin mittels Gesamtcobalamin-Spiegel (Holo-TC) gemessen werden, und ggf. substituiert werden. Auch bei mehrwertigen Kationen kann unter PPI ein Mangel entstehen. Da Magnesium-Ionen, Calcium-Ionen und andere zumeist als unlösliche Salze in der Nahrung vorliegen, können sie durch das veränderte Milieu im Magen nicht mehr gelöst und aufgenommen werden. Bei lang anhaltender Einnahme von PPI sollten Calcium in Brausetabletten und Magnesium als organisches Salz substituiert werden.

Bei Typ-2-Diabetes kann es zu mannigfaltigen Mikronährstoffdefiziten kommen, die von einem Arzt abgeklärt werden sollten. Die Resorption von Cobalamin kann unter Metformin durch dessen Anlagerung an biologische Membranen gestört sein. Ein Mangel an Cobalamin erhöht bei Typ-2-Diabetikern die Wahrscheinlichkeit einer Polyneuropathie. Unter dem Biguanid sollte der Vitamin-B12-Status überprüft und entsprechend supplementiert werden. Werden Metformin und ein PPI langfristig eingenommen, kann eine Cobalamin-Einnahme generell empfohlen werden.

Diuretika und Thiamin

Diuretika können zu einem Thiamin-Mangel führen, da das wasserlösliche Vitamin eine kurze Halbwertszeit im Organismus aufweist und leicht „ausgespült“ wird. Auch Diabetiker und Alkoholiker mit einer Polyurie sind gefährdet. Ein Mangel an Thiamin kann zu einem Wet-Beriberi-Syndrom führen, das zu einer Herzinsuffizienz führen kann. Bei einer Herzinsuffizienz wiederum werden häufig Diuretika verschrieben, die den unerkannten Vitamin-B1-Mangel noch verstärken, erklärte Zieglmeier den Teufelskreis. Durch Thiamin-Gabe könne dieser durchbrochen werden. Patienten mit Herzinsuffizienz sollten dazu ermuntert werden, mit ihrem Arzt über die Messung ihres Thiamin-Spiegels zu sprechen.

Vitamin-D-Derivate bei COPD

Beim Thema Einnahme von Vitamin-D-Derivaten betonte Markus Zieglmeier, dass Spiegelmessungen valide Werte liefern, auf deren Grundlage eine Supplementation erfolgen könne. Vor allem ältere Personen und Menschen, deren Haut auch im Sommer wenig Sonne abbekommt, sind (im Winter) häufig von einem Vitamin-D3-Mangel betroffen. Ohne Spiegelmessung sollte kein Colecalciferol supplementiert werden, so Zieglmeier. Bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist die Einstellung des Calcidiol-Spiegels relevant, da sich bei zu niedrigen und zu hohen Werten die Zahl der Exazerbationen erhöht. COPD-Patienten, die an einer generellen Mangelernährung leiden („Pink Puffer“) sollten unbedingt hochkalorische Trinknahrung, die alle Mikronährstoffe enthält, erhalten. Vitamin-D3 sollte zusätzlich gegeben werden. Bei adipösem Ernährungszustand („Blue Bloater“) ist keine Ernährungstherapie, jedoch aufgrund der eingeschränkten Mobilität eine Colecalciferol-Supplementation, angezeigt. COPD-Patienten kann also zu einem Vitamin-D-Präparat geraten werden.

Myrrhe zum Remissionserhalt

Auch komplementärmedizinische Ansätze haben zuweilen eine wissenschaftliche Evidenz, die in eine Be­ratungsempfehlung münden kann. So zeigt Myrrhinil-Intest® bei Colitis ulcerosa in der Remissionserhaltung ähnliche Ergebnisse wie Mesalazin und ist gut verträglich. Zieglmeier betonte, dass Myrrhe auch in der entsprechenden Leitlinie der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen erwähnt wird. Auch Flohsamen und Curcumin können zusätzlich zur Arzneimitteltherapie empfohlen werden. |

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