Neue Arzneimittel

Lang ersehnt: Impfung gegen Dengue-Virus

Neuer attenuierter Lebendimpfstoff auch für Reisende zugelassen

Erwachsene und Kinder ab vier Jahren können seit Mitte Februar 2023 mit dem Präparat Qdenga® eine vorbeugende Impfung gegen die von Stechmücken übertragene Dengue-Virus-Infektion erhalten. Nach zweimaliger Applikation im Abstand von drei Monaten wird ein nach derzeitigem Kenntnisstand über mindestens viereinhalb Jahre anhaltender Erkrankungsschutz erreicht. Endlich können sich nun auch Reisende effektiv gegen die sich immer schneller ausbreitende, potenziell lebensbedrohliche Infektion wappnen.

Im Jahr 2019 erklärte die WHO die Dengue-Virus-Infektion zu einer der zehn größten Bedrohungen der Weltgesundheit. Derzeit werden jährlich etwa 400 Millionen Erkrankungsfälle gemeldet, Tendenz stark steigend. Die Erkrankung kommt verstärkt in tropischen und subtropischen Feuchtgebieten Mittelamerikas und den Küsten­regionen Ostasiens vor, allerdings wurden auch bereits in Europa stattgehabte Infektionen berichtet. Das Virus wird durch die Stechmücken Aedes aegypti und A. albopictus übertragen und führt meist zu leichten, grippeähnlichen Symptomen. Aufgrund der vier Dengue-Virus-Sero­typen ist eine mehrfache Infektion möglich. Insbesondere bei wiederholter Erkrankung ist der Verlauf schwerer, es muss mit potenziell tödlichen Blutungen und Organschäden gerechnet werden. Die aktuell weltweit etwa 22.000 Todesfälle pro Jahr betreffen vor allem Kinder. Die Maßnahmen zur Abwehr einer Dengue-Virus-Infektion stützen sich vor allem auf die häufig insuffiziente Bekämpfung der Stechmücken und den persönlichen Schutz vor Mückenstichen. Bisher ist keine gezielte antivirale Therapie verfügbar. Seit 2018 ist der Impfstoff Dengvaxia® für Personen zwischen neun und 45 Jahren zugelassen. Allerdings ist die Zubereitung nur für in den Endemiegebieten lebende Menschen vor­gesehen, die bereits im Vorfeld eine Dengue-­Virus-Infektion erlitten hatten.

Foto: Science Photo Library/Science Source

Das Dengue-Virus ist ein einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Flaviviridae, das von Stechmücken übertragen wird und ein hämorrhagisches Fieber (Dengue-Fieber) auslösen kann. 2019 wurden dem RKI 1176 Dengue-Fieber-Erkrankungen übermittelt. Als Folge der SARS-CoV-2-Pandemie ist die Zahl der importierten vektorübertragbaren Krankheiten nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Deutschland stark zurück­gegangen, beim Dengue-Fieber um ca. 88% [4]. Mit Wiederaufnahme der Reisetätigkeit könnte dieser Trend allerdings rasch aufgehoben werden.

Zwei Impfungen innerhalb von drei Monaten

Nun wurde der Impfstoff Qdenga® auf dem deutschen Markt eingeführt. Er enthält lebende Dengue-Viren der vier auftretenden Sero­typen und ist im Gegensatz zu seinem Vorgänger nicht auf die Anwendung bei vorinfizierten Personen in Endemiegebieten begrenzt. Somit können sich auch Reisende ab dem Kleinkindalter schützen. Der Impfstoff wird in Vero-Zellen mittels rekombinanter DNA-Technologie hergestellt. Als Basis dient ein abgeschwächtes Lebendvirus des Dengue-Serotyps 2, das ein sogenanntes genetisches Rückgrat für die spezifischen Oberflächenproteine aller vier Sero­typen bildet. Erwachsene und Kinder ab vier Jahren erhalten im Abstand von drei Monaten zwei subkutane 0,5-ml-Dosen des Präparats Qdenga®, vorzugsweise in den Oberarm im Bereich des Deltamuskels. Bei den Geimpften kommt es zu einer lokalen viralen Replikation, die humorale und zelluläre Immunantworten und damit einen Impfschutz auslöst. Die Notwendigkeit einer Auffrischimpfung wurde bislang nicht nachgewiesen.

Vorsicht bei Allergieneigung

Wegen des Risikos einer anaphylaktischen Reaktion nach Verab­reichung des Dengue-Impfstoffs müssen die Behandelten über einen adäquaten Zeitraum überwacht und gegebenenfalls medizinisch versorgt werden. Als besonders gefährdet gelten Patienten mit bereits nach früheren Impfungen eingetretenen Überempfindlichkeitsreaktionen. Beim Vorliegen einer schweren akuten fiebrigen Erkrankung ist die Anwendung des Dengue-Virus-Impfstoffs auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Möglicherweise wird nicht bei allen Geimpften eine ausreichende Immun­antwort gegen alle Serotypen des Dengue-Virus hervorgerufen. Ebenso besteht die Gefahr, dass die Schutzwirkung mit der Zeit abnimmt. Daher empfiehlt es sich, auch nach der Impfung Schutzmaßnahmen gegen Mückenstiche zu ergreifen und bei potenziellen Symptomen einer Dengue-Infektion ärztlichen Rat einzuholen.

Nicht für Schwangere und Stillende

Während der Schwangerschaft und der Stillzeit ist Qdenga® wegen fehlender Erfahrungen derzeit kontraindiziert. Frauen im gebärfähigen Alter sollten eine Schwangerschaft für mindestens einen Monat nach der Impfung vermeiden. Auch bei symptomatischer HIV-Infektion, asymptomatischer HIV-Infektion mit Hinweisen auf eine eingeschränkte Immunfunktion sowie bei angeborener oder erworbener Immundefizienz darf das Dengue-Virus-Vakzin nicht angewendet werden. Zu immunsuppressiven Therapien wie Chemotherapien oder hochdosierten systemischen Corticosteroid-Gaben muss ein Abstand von vier Wochen eingehalten werden. Im Zusammenhang mit Immunglobulinen oder Immunglobulin-haltigen Blutprodukten wie Blut oder Plasma besteht die Gefahr einer Neutralisierung des Lebend­impfstoffs. Daher wird empfohlen, nach Ende einer entsprechenden Therapie mindestens sechs Wochen, besser drei Monate, abzuwarten, bevor der Dengue-Fieber-Impfstoff gegeben wird.

Qdenga® gilt im Allgemeinen als gut verträglich. Nach der Applikation kommt es sehr häufig zu Infektionen der oberen Atemwege, vermindertem Appetit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen, Somnolenz, Myalgien, Schmerzen bzw. Erythemen an der Injektionsstelle, Unwohlsein, Asthenie oder Fieber. Häufig treten Nasopharyngitis, Pharyngo­tonsillitis, Arthralgien, Schwellungen, blaue Flecken und Jucken an der Injektionsstelle oder eine grippeähnliche Erkrankung auf.

Zulassungsstudie TIDES

Die Zulassung des Dengue-Virus-Impfstoffs beruht auf der doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Phase-III-Studie TIDES an mehr als 20.000 gesunden Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen vier und 16 Jahren. Die Untersuchung fand in Lateinamerika und der Pazifikregion Ostasiens statt. Die Verum-Gruppe umfasste 12.700, die Placebo-Gruppe 6361 Teilnehmer. Die beiden erforderlichen Impfungen bzw. Placebo-Gaben erfolgten im Abstand von jeweils drei Monaten. Im Zeitraum von 30 Tagen bis zu zwölf Monaten nach Erhalt der zweiten Dosis kam es unter Qdenga®-Applikation zu 61 Fällen eines mittels PCR-Test bestätigten Dengue-Virus-assoziierten Fiebers, im Vergleich zu 149 Fällen unter Placebo-Gabe. Dieses Ergebnis ist mit p < 0,001 hochsignifikant und entspricht einer etwa 80%igen Risikoreduktion durch das Vakzin. Innerhalb von 18 Monaten nach der zweiten Impfung mussten 0,1 bzw. 1,0% der Teilnehmer aus den Verum- und Placebo-Gruppen aufgrund einer Dengue-Virus-Infektion ins Krankenhaus aufgenommen werden. Somit war aufgrund der Qdenga®-Gabe eine 90%ige Risikoreduktion für die Hospitalisierung nachweisbar. Die Effektivität der Impfung war unabhängig davon, ob vor Studienbeginn bereits eine Dengue-Virus-­Infektion aufgetreten war. Bei Probanden, die zum Ausgangszeitpunkt seronegativ waren, wurde für die Dengue-Virus-Serotypen 1 und 2 eine signifikante Wirksamkeit des tetra­valenten Impfstoffs im Vergleich zu Placebo nachgewiesen, nicht jedoch für Serotyp 3.Aufgrund geringer Fallzahlen war für Serotyp 4 keine Bewertung möglich. Die kumulierte Nebenwirkungsrate war in beiden Behandlungsarmen ähnlich (4,0 vs. 4,8%).

Während der Nachbeobachtungszeit von viereinhalb Jahren konnten bei seropositiven und seronegativen Probanden durch Qdenga® 61% symptomatische Dengue-Virus-Infektionen und 84% der Fälle von Dengue-Fieber-assoziierten Hospitalisierungen verhindert werden.

Beruhigter Reisen

Gegen eine Malaria-Infektion kann man sich bereits seit geraumer Zeit durch eine geeignete Prophylaxe gut schützen. Das sich weltweit immer mehr ausbreitende Dengue-Fieber stellte bislang eine sehr schwer einschätzbare, mitunter tödliche Gefahr dar. Mit dem neuen Impfstoff tritt nun eine gewisse Entspannung ein. Von großem Vorteil ist, dass die Impfung, anders als mit dem älteren Präparat Deng­vaxia®, ohne Test auf eine Dengue-­Virus-Vorerkrankung durchgeführt werden darf und bereits für jüngere Kinder ab vier Jahren sowie für Erwachsene ohne Altersbegrenzung geeignet ist. Somit kann von einem großen Gewinn für Reisende, aber auch für Bewohner der endemischen Gebiete ausgegangen werden. Möglicherweise könnte der Impfschutz gegen das Dengue-Virus in nicht allzu ferner Zukunft sogar für nicht reisende Mitteleuropäer relevant werden, da sich die für die Infektion verantwort­liche Stechmücke aufgrund des Klimawandels auch außerhalb der Tropen und Subtropen ausbreitet. Zur besseren Einschätzung des Nutzens von Qdenga® sollte in weiteren Studien geprüft werden, ob ältere Personen im gleichen Ausmaß von der Impfung profitieren wie die Kinder und Jugendlichen in der TIDES-Studie. Zudem wäre zu klären, wie lange der Schutz anhält bzw. wann eine Wiederholungsgabe erforderlich werden könnte und ob eine Impfung jüngerer Kinder unter vier Jahren sinnvoll ist. Aussagen zu Impfempfehlungen für Reisende in Dengue-Endemiegebiete werden noch im ersten Halbjahr 2023 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut und der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. erwartet [5]. |

Neue Arzneimittel 2023

In der bisher monatlich erschienenen DAZ-Beilage „Neue Arzneimittel“ stellte Apothekerin Dr. Monika Neubeck neue Wirkstoffe ausführlich vor und ordnete sie in die bestehenden Therapie­optionen ein. Seit Januar 2023 finden Abonnentinnen und Abonnenten der DAZ die neuen Arzneistoffe auf DAZ.online unter www.deutsche-­apotheker-zeitung.de/­pharmazie/arzneimittel.

Dort steht ihnen auch ein Archiv mit allen seit 2000 eingeführten Wirkstoffen zur Verfügung.

Die für die Offizin bedeutsamen Wirkstoffe stellen wir in der Print-Ausgabe der DAZ regelmäßig in unserer Rubrik „Neue Arzneimittel“ vor.

Literatur

[1] Fachinformation zu Qdenga®, Stand Dezember 2022, Takeda GmbH

[2] Biswal S, Borja-Tabora C, Martinez Vargas L, Velásquez H et al. Efficacy of a tetravalent dengue vaccine in healthy children aged 4-16 years: a randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020;395(10234):1423-1433

[3] EPAR summary for the public. Qdenga® Dengue Tetravalent Vaccine (live, attenuated). EMA/861969/2022; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu

[4] Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2020. Stand: 1. März 2021, Robert Koch-Institut (RKI), www.rki.de, DOI 10.25646/8773

[5] Stellungnahme der STIKO zum neu-zugelassenen Lebendimpfstoff gegen Dengue (Qdenga®). Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 15. Februar 2023, www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Reiseimpfung/Lebendimpfstoff_gegen_Dengue_Qdenga.html

Autorin

Dr. Monika Neubeck hat in Frankfurt am Main Pharmazie studiert und ordnet für die DAZ regelmäßig die neuen Arzneimittel ein.

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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