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Es brodelt gewaltig!

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Es fehlt nicht an drastischen Umschreibungen, mit denen die Gesundheitspolitik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angeprangert wird. Sei es die geplante Krankenhausreform, die Reformierung der Notfallversorgung oder zuletzt auch der Referentenentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen mit dem geschmeidigen Namen Arzneimittel-Liefer­engpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) – keines dieser Vorhaben überzeugt. Im Gegenteil: Der Gastroenterologe und Präsident des Netzwerks gegen Darmkrebs, Dr. Berndt Birkner, bringt es in einem Interview auf den Punkt: „Unser Gesundheitssystem fährt mit 300 Stundenkilometern auf eine Betonwand zu!“ (Focus online, 20.02.2023)

Es formiert sich Widerstand auf breiter Front. So haben sich niedergelassene Ärzte aller Fachrichtungen schon 2018 in der Interessengemeinschaft Medizin (IG MED) zusammengeschlossen und offen Kritik an der Vertretung durch die „Zwangs“-Körperschaften Kassenärztliche Vereinigung und Landesärztekammern geäußert. Zu den wichtigsten Zielen der Interessengemeinschaft zählen eine leistungsgerechte Vergütung, unbürokratische Rahmenbedingungen für die freiberufliche ärztliche Tätigkeit und der Ersatz oder die Novellierung des SGB V im Sinne einer Wiederherstellung der Bürgerrechte für alle Medizinberufe.

Aktuell ruft die Interessengemeinschaft Medizin unter anderem zusammen mit der Freien Apothekerschaft alle Heilberufler dazu auf, im Monat März ihren „letzten Kittel“ an das Bundesgesundheitsministerium zu schicken. Eine Aktion, die auf den ersten Blick zwar symbolträchtig, aber wenig zielführend zu sein scheint, auf den zweiten Blick jedoch um so be­merkenswerter ist.

Denn es ist eine Aktion, die von der Basis verschiedener Heilberufe ausgeht. Die offiziellen Ärzte- und Apothekervertretungen sind hieran nicht beteiligt. Sie verharren in ihren Gräben und bekämpfen sich weiter. So hat sich gerade eben die Kassenärztliche Bundesvereinigung derart positioniert, dass sie erweiterte Austausch­regeln für die Apotheken strikt ablehnt. Damit verhindert sie, dass die ärztlichen Praxen, die sie doch eigentlich vertreten sollte, entlastet werden. Die ABDA hat immerhin erkannt, dass es an dieser Stelle sinnvoll ist, sich mit den niedergelassenen Ärzten zu solidarisieren (s. S. 9 und S. 10).

Ob sich nun Lauterbach von einem Kittelberg beeindrucken lässt, sei dahin­gestellt. Was ihn aber nicht ruhig schlafen lassen sollte ist die Tatsache, dass die Basis der Heilberufe sich organisiert und die nächsten Aktionen deutlich ungemütlicher ausfallen könnten. Es brodelt gewaltig!

Ein Schulterschluss aller Heilberufe ist jetzt dringend geboten. Denn die Patienten sind auf eine effektive Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Heilberufen angewiesen. Dafür ist es unerlässlich, dass jeder Berufsstand für sich auf soliden finanziellen Füßen steht und mit der notwendigen Beinfreiheit agieren kann. Dafür gilt es zu kämpfen! Der Politik muss klargemacht werden, dass die Leistungsträger im Gesundheitswesen nicht tatenlos zusehen werden, wie das Gesundheitssystem ungebremst gegen die Wand gefahren wird.

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