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Grenze erreicht!

Dr. Thomas Müller-Bohn, DAZ-Redakteur

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat kürzlich betont: „Jede einzelne Apotheke ist uns wichtig“. Im DAZ-Interview (siehe DAZ 2023, Nr. 4, S. 10) erklärte sie, die ABDA setze alles daran, die Flächendeckung zu halten, und auch die Politik sehe das nicht anders. Overwiening trat damit Spekulationen entgegen, die Politik wolle die Apothekenzahl auf einen bestimmten Stand senken. Dass „die Politik“ gemeinschaftlich eine solche Zahl ins Visier nimmt, ohne dies öffentlich zu diskutieren, erscheint wirklich abwegig. Dass einige Politiker eine geringere Apothekenzahl – zumindest in Städten – nicht bedauern würden, ist hingegen durchaus vorstellbar. Denn schon vor zwanzig Jahren – bei weitaus höheren Apothekenzahlen – propagierten manche Apothekenkritiker weniger Apotheken als Sparrezept. Diese Idee mag noch in manchen Köpfen stecken. Sie beruht auf dem ökonomischen Effekt von Skalenerträgen. Größere Betriebe verteilen ihre Fixkosten auf mehr Umsatz und arbeiten dadurch sparsamer. Ein Beitrag in diesem Heft nimmt diese Skalenerträge unter die Lupe (siehe Seite 20). Dabei zeigt sich, dass es diesen Effekt bei Apotheken wirklich gibt. Er hat offenbar vielen Apotheken geholfen, die lange Zeit ohne Honoraranpassung zu überstehen. Doch der Beitrag zeigt vor allem die Grenzen dieses Effektes. Erstens sind die Skalenerträge viel geringer, als die Apothekenkritiker jahrelang behauptet haben. Denn bei den Personalkosten, der größten Kostenposition der Apotheken, können keine relevanten Skalenerträge erwirtschaftet werden. Und zweitens sind die vermeintlich fixen Kosten in Wahrheit sprungfixe Kosten, weil in den vorhandenen Apothekenräumen und mit der vorhandenen Ausstattung nicht beliebig viel mehr Patienten versorgt werden können. Darum enden die Skalenerträge an einem bestimmten Punkt. Vieles spricht dafür, dass dieser Punkt für viele Apo­theken erreicht ist. Kurz vor dieser Grenze erzielen die Apotheken ihre größten Effi­zienzgewinne. Damit liefert das Konzept der sprungfixen Kosten eine fundierte betriebswirtschaftliche Erklärung für viele gefühlte Wahrheiten, die in den Apotheken tag­täglich zu erleben sind, aber als „Gefühl“ Politikern und anderen Außenstehenden schwer zu vermitteln sind: Die Apotheken haben ihre Effizienzreserven längst gehoben. Das hat vielen Apotheken das Über­leben bis heute gesichert. Doch die Grenze ist offenbar erreicht.

Da die Skalenerträge wegen des sprungfixen Kostenverlaufs eine Grenze haben, lässt sich auch die Idee, mit weniger Apotheken zu sparen, nicht fortschreiben. Neben der Versorgungssicherheit, der Auswahl unter mehreren freien Heilberuflern und dem Schutz vor Monopolpreisen bei frei kalkulierbaren Arzneimitteln gibt es also auch noch ein rein betriebswirtschaftliches Argument gegen eine Senkung der Apothekenzahl. Das Apothekensterben bleibt damit zwar auf dem Land das größere Problem, aber es gibt auch in den Städten keine Gründe für die Politik, der schwindenden Apothekenzahl weiter tatenlos zuzusehen. Die bewährte Struktur muss gesichert werden, anstatt sie weiter zu schwächen. Die Erhöhung des Kassen­abschlags, die ab Mittwoch dieser Woche gilt (siehe Seite 10), ist daher der völlig falsche Weg.

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