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So funktioniert das E-Rezept in Österreich

Viele Gemeinsamkeiten mit dem deutschen System, aber auch entscheidende Unterschiede

jb | Unser Nachbarland Österreich hat es bereits geschafft: Seit vergangenem Juli werden flächendeckend E-Rezepte ausgestellt. Über drei Viertel der Verordnungen liegen mittlerweile nur noch elektronisch vor. Was machen unsere Nachbarn anders? Im Rahmen einer Exkur­sion auf Initiative der E-Rezept-Enthusiasten gab es Einblicke in ein System, das dem deutschen auf den ersten Blick sehr ähnlich erscheint, bei genauerem Hinsehen aber doch Unterschiede aufweist.

E-Rezepte werden von Arztpraxen, die in Österreich Ordinationen heißen, in einem sicheren Netz zur Verfügung gestellt. Die Apotheke kann darauf zugreifen, indem sie einen Code scannt, auf Papier oder aus einer App heraus (die aber kaum jemand nutzt), oder indem sie die Versichertenkarte (eCard) in einen Kartenleser steckt. Das klingt zunächst tatsächlich, als ob die österreichische E-Rezept-Lösung der deutschen sehr ähnlich wäre. Allerdings gibt es ein paar, anscheinend erfolgskritische, Unterschiede. In Österreich läuft das E-Rezept bereits seit vergangenem Juli. Die flächendeckende Einführung hat nach einer Pilotphase in einem Bundesland bereits im ersten Anlauf geklappt. Etwa 5,7 Millionen E-Rezepte werden laut dem Dachverband der Sozialversicherungen derzeit pro Monat ausgestellt. Das sind mehr als drei Viertel aller Verordnungen, wobei die übrigen teils gar nicht elektronisch ausgestellt werden können. So wird zwar an E-Rezept-Lösungen für Betäubungsmittel – in Österreich Suchtgifte genannt – und Privatrezepte gearbeitet, sie stehen aber noch nicht zur Verfügung.

Was machen unsere Nachbarn in der Alpenrepublik also anders? Tatsächlich dürften mehrere Faktoren die Einführung des E-Rezepts begünstigt haben.

Die E-Rezept-Enthusiasten

Foto: Ärztekammer Niederösterreich

Die E-Rezept-Enthusiasten haben sich die österreichische E-Rezept-Lösung angeschaut. Lernen von den Nachbarn ...

Die Einblicke ins österreichische System stammen von einer Exkursion im Auftrag der E-Rezept-Enthusiasten, einem Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen, insbesondere das E-Rezept. Mitglieder sind neben Firmen wie Shop Apotheke, Zava, Noventi, die Zur-Rose-Tochter eHealth-Tec, gesund.de, ia.de, CGM, Wort & Bild Verlag, Pharmatechnik und Scanacs auch Privatpersonen wie der ehemalige BMG-Abteilungs­leiter Christian Klose. Im Rahmen des Besuchs in Wien wurde das E-Rezept aus drei verschiedenen Perspektiven beleuchtet: Kostenträger, Ärzte und Apotheker.

E-Rezept setzt auf bestehender Infrastruktur auf

So wird zum einen das sichere Netz (GIN=GesundheitsInformationsNetz), über das auf die E-Rezepte zugegriffen wird, von den Arztpraxen auch zur Abrechnung genutzt. Es war bereits flächendeckend ausgerollt. Seit 2019 werden zudem alle Verordnungen automatisiert gespeichert, die sogenannte eMedikation. Die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) mit Opt-out-Option, deren Teil die eMedikation ist, gibt es schon seit mehr als zehn Jahren. Und auch die Zugriffsmöglichkeit auf der Versichertenkarte war bereits etabliert (eCARD-System). Diese bestehende Infrastruktur erlaubte während der Pandemie von einem Tag auf den anderen auf kontaktlose Rezeptausstellung umzustellen und den Patienten so Besuche in der Arztpraxis zu ersparen: Ärztinnen und Ärzte konnten mittels der Sozialversicherungsnummer Verordnungen in der eMedikation hinterlegen, Apotheken konnten diese ebenfalls mit der Sozialver­sicherungsnummer abrufen – eine pragmatische, wenn auch nicht datenschutzkonforme Lösung, die zum Leidwesen der Apothekerschaft demnächst ausläuft. Von dort war der Weg zum echten E-Rezept dann nicht mehr weit.

Zufriedene Patienten, Ärzte und Apotheker

Ein Zurück zum Papier konnten sich weder Patienten noch Praxen vorstellen. Die Ärzte hatten laut eigener Aussage in der Pandemie die papierlosen Verordnungen schätzen gelernt: Sie sparen Papier und der Aufwand ist derselbe. Eine separate Signatur ist nicht erforderlich. Wird auf Speichern geklickt, ist das Rezept signiert. Somit gab es, anders als in Deutschland, von dieser Seite keinen Widerstand. Und auch die Apotheken sahen schnell die Vorteile: die Zahl der Falschabgaben wurde durch Vorladen der Verordnung massiv reduziert und der Aufwand für die Abrechnung halbierte sich. Zudem hatten sich die Patienten bereits daran gewöhnt, keine Verordnung mehr in der Hand zu haben. Ausgedruckte E-Rezepte spielen in Österreich tat­sächlich kaum noch eine Rolle, Haupteinlösemedium ist die eCard.

E-Rezept in Österreich

  • Ein E-Rezept besteht aus bis zu zehn Verordnungen, diese können nur gemeinsam in einer Apotheke eingelöst werden. (Deutschland jede Verordnung ein E-Rezept, separate Einlösung möglich)
  • Einlösung erfolgt durch:

– Stecken der eCard → Zugriff auf alle offenen Verordnungen

– E-Rezept-Code am Handy → Zugriff auf ein E-Rezept

– E-Rezept-Code am Ausdruck → Zugriff auf ein E-Rezept

– Eingabe der Rezept-ID → Zugriff auf ein E-Rezept

  • Stecken der eCard nicht zwingend notwendig
  • Datenübertragung per xml ans Rechenzentrum zur Abrechnung
  • Für Dialogfälle steht zudem ein elektronisches Beauskunftungstool (eCAdmin) zur Verfügung. Ermöglicht Zugriff auf abrechnungsrelevante Rezepte.
  • Zuschuss gab es für die Ärzte für die Umsetzung in der Software, bei den Apotheken erhielten dies die Softwarehäuser. Die übrigen Kosten tragen die Leistungserbringer

Ein weiterer Unterschied zu Deutschland: Maßgeblicher Treiber des E-Rezepts ist in Österreich der Dachverband der Sozialversicherungen. Entwickelt wurde es von einer 100-prozentigen Tochter, der SVC (Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Errichtungsgesellschaft m.b.H). Diese hat ihre Leistungserbringer zur elektronischen Abrechnung verpflichtet, um den Verwaltungs- und Lageraufwand für die Papierverordnungen zu reduzieren. Es besteht also ein gewisser wirtschaftlicher Zwang für die Leistungserbringer.

Noch nicht perfekt

Komplett rosarot ist die E-Rezept-Welt in Österreich aber doch nicht. So gibt es bislang noch keine Lösung für die Heimversorgung. In Deutschland wäre in diesem Fall die direkte Zuweisung an eine Apotheke ausnahmsweise erlaubt, das ist in Österreich nicht der Fall. Zudem ist eine Zuweisung von E-Rezepten über das sichere Netz nicht vorgesehen. Die App hat diese Funk­tionalität nicht. Wenn Patienten ihrer Apotheke das Rezept vorab schicken wollen, müssen sie den QR-Code oder die Rezept-ID per Whats-App, E-Mail etc. schicken. Viele Diskussionen, die in Deutschland auch seitens der Apothekerschaft um Rezeptweiterleitung etc. geführt werden, gibt es allerdings in Österreich nicht: Der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht erlaubt.

Ein weiteres Problem: Geht die eCard verloren oder kaputt und ist die betroffene Person nicht in der App angemeldet, ist demnächst kein Zugriff auf die E-Rezepte mehr möglich.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in Österreich gelungen ist, eine pragmatische E-Rezeptlösung aufzugleisen. Sie unterscheidet sich in einigen Details von der Lösung der Gematik, ist etwas einfacher. So gibt es beispielsweise keine qualifizierte elektronische Signatur oder eben eine App, die nur einen QR-Code anzeigen kann.

In den kommenden Jahren steht das europäische E-Rezept auf der Agenda, die ePrescription. Österreich ist Pilot­region. Da wird sich die Frage nach den Anforderungen erneut stellen und vielleicht ist die deutsche High-End-Lösung dann von Vorteil. |

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