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ABDA-Forderungskatalog – die Sichtweise der Politik

Dirk Heidenblut, Paula Piechotta und Lars Lindemann im DAZ-Gespräch

gbg/ral | Dirk Heidenblut (SPD), Paula Piechotta (Grüne) und Lars Lindemann (FDP) haben sich in den vergangenen Wochen mit der DAZ über den ABDA-Forderungskatalog unterhalten. Wie haben sie sich hinsichtlich Nullretaxationen, Apothekenhonorar, erleichterten Abgabe­regeln etc. positioniert?

Der Forderungskatalog an die Politik, den der ABDA-Gesamtvorstand Ende Februar beschlossen hat, erfährt innerhalb des Berufsstands viel Zuspruch. In Politikerkreisen sieht das etwas anders aus. Die DAZ hat sich die Aussagen der Apothekenexperten der Ampel-Koalition zu verschiedenen Punkten des Katalogs angeschaut:

Erleichterte Abgaberegeln

Die ABDA fordert eine Verstetigung der erleichterten Abgaberegelungen.

Heidenblut: Der SPD-Abgeordnete spricht sich dafür aus, den Apotheken weiterhin Beinfreiheit bei der Belieferung von GKV-Rezepten einzuräumen.

Piechotta: Die Apothekenexpertin der Grünen ist zurückhaltend. Grundsätzlich wolle man Bürokratie reduzieren, Priorität hätten aber zunächst andere Themen.

Lindemann: Die Haltung des FDP-Abgeordneten ist eindeutig: „Ich bin ganz klar für eine vollumfängliche Verstetigung der derzeit bestehenden Regelungen“, sagte er der DAZ.

Fazit: Inzwischen liegt der Regierungsentwurf des ALBVVG vor, wonach der Austausch nicht lieferbarer Arzneimittel in der Apotheke unabhängig von einer neu zu schaffenden Engpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) möglich gemacht werden soll. Ein Etappensieg für die Apothekerschaft – allerdings mit der Einschränkung, dass mit der BfArM-Liste auch der Retax-Schutz gefallen ist. Hier besteht Nachbesserungsbedarf!

Vergütung für das Lieferengpass-Management

Für den Aufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen muss ein angemessener finanzieller Ausgleich geschaffen werden, betont die ABDA. Sie beziffert ihn auf 21 Euro. Der ALBVVG-Entwurf sieht 50 Cent vor.

Heidenblut: 50 Cent für das Liefer­engpass-Management sind nach Heidenbluts Auffassung „ganz sicher zu wenig“. Welcher Betrag vernünftig wäre, lässt er aber offen.

Piechotta sieht in diesem Punkt Gesprächsbedarf – allerdings hält sie es „insbesondere mit Blick auf die GKV-Finanzen für zielführender, Bürokratie abzubauen, als neue Zuschläge für neue bürokratische Anforderungen einzuführen“.

Lindemann hält 50 Cent für das Lieferengpass-Management für indiskutabel. Er kündigte an, mit den Ampel-Partnern diskutieren zu wollen, ob man die Vergütung erhöhen kann. Doch auch eine Streichung schließt er nicht aus.

Fazit: Mit 50 Cent ist nichts gewonnen – da sind sich die Apothekenexperten einig. Nun bleibt abzuwarten, ob die Ampel diesen Betrag noch (deutlich) anheben wird – oder ob er nicht komplett gestrichen wird.

Nullretax

Die ABDA fordert ein Verbot für Null­retax, „wenn der/die Versicherte entsprechend der ärztlichen Verordnung versorgt wurde“.

Heidenblut ist ein erklärter Gegner der Nullretaxation. „Diese völlig fehlgeleitete Form der Retaxation gehört abgeschafft“, betonte er im DAZ-Interview.

Piechotta wollte sich gegenüber der DAZ in diesem Punkt nicht festlegen. Man müsse sehr genau hinschauen, was möglich sei und was man tun könne, damit unser Gesundheitssystem weiterhin so leistungsstark bleibe wie bisher.

Lindemann sprach sich im DAZ-Interview für einen weitgehenden Ausschluss von Retaxationen aus.

Fazit: Die Regelung, dass der Vergütungsanspruch der Apotheken bei unbedeutenden Formfehlern nicht erlischt, findet sich schon im Rahmenvertrag. Dennoch gibt es immer wieder Retaxationen wegen Formfehler. Darum gibt es offenbar keinen anderen Weg, als dass der Gesetzgeber die Krankenkassen in ihre Schranken weist.

Apothekenhonorar

Die ABDA verlangt ein Anheben des Fixums auf zwölf Euro, eine jährliche automatische Anpassung sowie das Einführen einer zusätzlichen regelmäßigen Pauschale für alle Apotheken.

Heidenblut will das Fixum nach oben anpassen. Auch wenn er sich bei der Höhe nicht festlegen wollte. Gleich­zeitig deutet er aber auch an, einen neuen Verteilungsmechanismus etablieren zu wollen.

Piechotta räumte zwar ein, dass die Forderung der Apothekerschaft nachvollziehbar sei, machte dem Berufsstand allerdings nicht viel Hoffnung, dass es damit in Zeiten klammer Kassen etwas wird.

Lindemann: Die Forderung der Apothekerschaft, das Fixum zu erhöhen, sei berechtigt, sagte er im Gespräch mit der DAZ – und darüber müsse man sprechen. „Ob man sie dann erfüllen kann, ist eine zweite Sache.“

Fazit: Dass das Apothekenhonorar seit nunmehr einer Dekade nicht mehr angepasst wurde, kann wohl niemand schönreden. Offen ist allerdings, wie die Politik auf die Forderung des Berufsstands nach mehr Geld reagieren wird. Die jüngsten Signale aus der Politik zielen eher auf eine Förderung einzelner Apotheken und der Koalitionsvertrag lässt sich als Hinweis auf einen Umverteilungs­mechanismus auslegen. Ein heißes Eisen – mit ihrer angekündigten Eskalationsstrategie will die ABDA die Politik zwingen, die Honorierung noch in dieser Legislaturperiode anzufassen.

Stärkung der Arzneimittelversorgung

Ein konkreter Punkt zur Stärkung der Arzneimittelversorgung findet sich im Forderungskatalog der ABDA nicht, allerdings dienen praktisch alle Punkte auch diesem Zweck.

Heidenblut sagte der DAZ, er beobachte, dass es in bestimmten Gebieten Ballungen gebe, sich andernorts aber gar keine Apotheke mehr finde. Einen Hebel, dieses Problem anzugehen, sieht er in der Vergütung. „Wir müssen uns fragen, was es uns wert ist, weiterhin überall Apotheken verfügbar zu haben und wie man den unterschied­lichen Anforderungen und Voraussetzungen Rechnung tragen kann.“

Piechotta: Für sie steht im Vordergrund, die Flächendeckung zu erhalten, auch wenn man zunächst definieren müsse, was darunter zu verstehen sei. „Nicht in jeder Region in Deutschland mangelt es an Apotheken“, merkte sie an. „Es kann nicht die Aufgabe der Gesundheitspolitik sein, jede einzelne dieser Apotheken zu erhalten.“

Lindemann: Eine bedarfsangemessene Versorgung hat für Lindemann Priorität – allerdings müsse dafür nicht jeder Mensch in Deutschland eine Apotheke „in Sichtweite“ haben. Er hält es auch für denkbar, dass Patienten in eher dünn besiedelten Gebieten per Botendienst von einer Apotheke in 15 km Entfernung versorgt werden.

Fazit: Will der Gesetzgeber tatsächlich einzelne Apotheken fördern, die er als versorgungskritisch definiert, wird es eine Mammutaufgabe, dieses Vorhaben in ein konkretes Gesetz zu gießen. Was bedeutet Flächendeckung? Welche Apotheken sollen nach welchen Kriterien unterstützt werden? Wer überprüft, ob diese Kriterien erfüllt sind? Wie sollen die Fördergelder ausgeschüttet werden? Woher soll das Geld dafür stammen? Und beschränkt sich die Förderung auf finanzielle Aspekte oder kann man den Apotheken auch noch auf andere Weise unter die Arme greifen? Hier gibt es noch viele Fragen zu klären und jede Menge Konfliktpotenzial. |

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