Arzneimittel und Therapie

Infobrief zu Acarizax stößt auf Kritik

Allergologen bemängeln falsche Darstellung des Allergie-Immuntherapeutikums

dab | Im März 2023 versendete die Barmer an zahlreiche Ärzte ein Infoschreiben zu Acarizax®. Darin wurde das Präparat, das bei Hausstaubmilben-induzierter allergischer Rhinitis und allergischem Asthma indiziert ist, „inhaltlich fehlerhaft“ dargestellt, wie aller­gologische Fachgesellschaften in einem offenen Brief an die Krankenkasse kritisieren.

„Einzigartig – Acarizax® bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma“ – so war ein Informationsschreiben nach § 73.8 SGB V überschrieben, das von der Barmer im März 2023 an viele Ärzte verschickt worden war. Wie es im SGB V heißt, soll ein solches Schreiben „zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise“ dienen und Vertragsärzten u. a. „nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Hinweise zu Indikation und therapeutischem Nutzen“ geben. Dass diese Ziele verfehlt wurden, kritisieren nun sechs allergo­logische Fachgesellschaften in einem offenen Brief an die Krankenkasse. Den Inhalt des Schreibens bewerten die Mediziner als „unsachlich, undifferenziert und in Teilen für Patienten gefährdend“.

Bevorzugung eines Herstellers

Das Präparat Acarizax® wird in dem Schreiben der Barmer mit Orylmyte® verglichen (Indikationen siehe Tab.). Mit Verweis auf die Anwendungsgebiete heißt es dort: „Für die orale Therapie von allergischer Rhinitis und/oder Asthma, die auf Hausstaubmilben zurückzuführen sind, steht unter den zugelassenen Allergenen nur Acarizax® zur Verfügung“. Acarizax® sei „demnach auch nicht austauschbar“. In diesen Aussagen sehen die Allergologen eine undifferenzierte Darstellung der Therapieoptionen bei Asthma, die Patienten gefährden könnte. Denn vor Therapiebeginn solle der Asthma-Status des Patienten sorgfältig geprüft werden. Andere Formen von Asthma könnten ausdrückliche Kontraindikationen für die Therapie mit Acarizax® sein. Die Behauptung eines Alleinstellungsmerkmals des Präparats sei falsch, weil nachweislich andere Produkte anderer Hersteller in diesen Indikationen zur Verfügung stehen. So könne auch Oralmyte® bei allergischer Rhinitis durch Hausstaubmilben eingesetzt werden, wenn diese mit einem Asthma kombiniert sei. Die Allergologen beobachteten mit Unverständnis „seit langer Zeit“, dass die Barmer einseitig „Präparate des identischen Therapie­allergene-Herstellers“ bevorzuge.

Tab.: Anwendungsgebiete von Acarizax und Orylmyte (Lauer-Taxe, Datenstand 15. März 2023)
Acarizax®(ALK-Abello)
Orylmyte®(Stallergenes)
1. Das Arzneimittel ist indiziert bei erwachsenen Patienten (18 - 65 Jahre), bei denen auf Basis von Anamnese und Nachweis einer Sensibilisierung (Prick-Test und/oder spezifisches IgE) eine Hausstaubmilbenallergie diagnostiziert wurde, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen besteht:
  • Hausstaubmilben-induzierte anhaltende mittelschwere bis schwere allergische Rhinitis trotz Verwendung symptomlindernder Medikamente
  • Hausstaubmilben-induziertes allergisches Asthma, welches mit inhalativen Corticosteroiden nicht gut kontrolliert ist und welches mit milder bis schwerer allergischer Rhinitis auf Hausstaubmilben assoziiert ist. Der Asthma-Status des Patienten sollte vor dem Beginn der Behandlung sorgfältig geprüft werden.
2. Das Arzneimittel ist indiziert bei Jugendlichen (12 - 17 Jahre), bei denen auf Basis von Anamnese und Nachweis einer Sensibilisierung (Prick-Test und/oder spezifisches IgE) eine Hausstaubmilbenallergie diagnostiziert wurde und bei denen eine Hausstaubmilben-induzierte anhaltende mittelschwere bis schwere allergische Rhinitis trotz Verwendung symptomlindernder Medikamente besteht.
Das Arzneimittel wird bei ­Jugendlichen (12 - 17 Jahre) und Erwachsenen zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Hausstaubmilben-induzierter allergischer Rhinitis oder Rhinokonjunktivitis angewendet, die auf Basis von Anamnese und Nachweis einer Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilbenallergenen (Hautprick-Test und/oder spezifisches IgE) diagnostiziert wurde.

Keine orale Therapie

Ein weiterer Kritikpunkt der allergologischen Fachgesellschaften ist, dass die Barmer von einer „oralen Therapie“ schreibt. Beide genannten Präparate sollen aber sublingual angewendet werden. Daher halte man diese Empfehlung für „höchst irritierend“. Sie sei wissenschaftlich nicht belegt und könne Patienten gefährden.

Weiterhin sorgt ein Preisvergleich beider Präparate für Aufregung. In der vorgenommenen Weise sei dieser „geeignet, die behandelnden Ärzte in die Irre zu führen“. Die Berechnung bewerten die Mediziner als „in höchstem Maße intransparent“.

Zusammenfassend fordern die Allergologen die Barmer auf, ihren Informationsbrief „zurückzunehmen, die fehlerhaften Darstellungen zu korrigieren und zukünftig das Versenden derartiger Schreiben zu unterlassen.“ |

Literatur

Einzigartig – Acarizax® bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma. Informationsschreiben nach § 73.8 SGB V der Barmer, März 2023

Offener Brief der allergologischen Fachgesellschaften zur Information der BARMER: Acarizax® – einzigartig bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma aus März 2023 (Information nach § 73.8 SGB-V). Pressemitteilung des Ärzteverbands Deutscher Allergologen e.V., 20. März 2023

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