Arzneimittel und Therapie

Mehr Sicherheit in der Rheuma­therapie

Interaktionen und Dosierungen synthetischer DMARD neu bewertet

Das Ziel der medikamentösen Behandlung der rheumatoiden Arthritis ist das Erreichen und die Erhaltung der klinischen Remission. Dafür steht derzeit eine breite Palette an Wirkstoffen zur Verfügung. Doch die Patienten sind oft multimorbide, sodass Organfunktionen eingeschränkt sein können und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln möglich sind. Mitglieder der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) haben kürzlich Wechselwirkungen und Dosierungen synthetischer krankheitsmodifizierender Antirheumatika (DMARD) neu bewertet.

Derzeit stehen für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) nicht­steroidale Antirheumatika, Coxibe, Glucocorticoide sowie krankheitsmodifizierende antirheumatische Arzneimittel (Disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD) zur Verfügung.

Letztere werden wie folgt untergliedert in:

  • konventionelle synthetische DMARD (csDMARD),
  • zielgerichtete synthetische DMARD (tsDMARD, t für targeted) und
  • biologische DMARD (bDMARD), wobei man weiter zwischen Originalpräparat (boDMARD) und Biosimilar (bsDMARD) unterscheidet.

Anliegen des Empfehlungs­papiers

Bei der Verordnung von konventionellen synthetischen DMARD (Methotrexat, Hydroxychloroquin, Leflunomid, Sulfasalazin) und zielgerichteten synthetischen DMARD (Baricitinib, Filgotinib, Tofacitinib, Udapacitinib) sind zahlreiche Interaktionen zu beachten. Wenn die Leber- und/oder Nierenfunktion der Patienten eingeschränkt ist, besteht teilweise eine geringe therapeutische Breite. Mit ihren Evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen wollten die Mitglieder der Kommission Pharmakotherapie dieser Problematik Rechnung tragen. Nach einer systematischen Literaturrecherche wurden 2756 wissenschaftliche Publikationen gescreent und 68 davon detailliert analysiert. Zusätzlich erfassten die Rheumatologen relevante Angaben aus den Fachinformationen der Präparate. Die gesammelten Informationen wurden hinsichtlich ihrer klinischen Bedeutung bewertet. Außerdem entwickelten die Autoren für jedes DMARD Dosierungsempfehlungen entsprechend der Nierenfunktion und dem Alter. Die erarbeiteten 11 Kernempfehlungen (s. Tab.) sollen Rheumatologen praktische Hilfestellung für therapeutische Entscheidungen geben und die Sicherheit der RA-Behandlung verbessern. Darüber hinaus wurden drei übergeordnete Empfehlungen ausgesprochen:

  • Vor und während der Gabe von synthetischen DMARD sollen Leber- und Nierenfunktion sowie das Blutbild überwacht werden.
  • Bei der Gabe von synthetischen DMARD sollen individuelle Faktoren wie Alter, Körpergewicht und spezifische Risikofaktoren wie Komorbiditäten beachtet werden.
  • Vor und während der Therapie mit synthetischen DMARD soll die Komedikation regelmäßig erfasst und auf mögliche Wechselwirkungen überprüft werden.

Ratschläge zu csDMARD

Methotrexat (MTX, z. B. Lantarel®) ist in der Therapie der rheumatoiden Arthritis das Basistherapeutikum der ersten Wahl. Wechselwirkungen mit gleichzeitig verordneten anderen Wirkstoffen können zu Panzytopenien führen, weshalb die in der Tabelle enthaltenen Empfehlungen 1 bis 3 gegeben werden. Relativ neu und bisher wenig bekannt ist, dass die Kombination von MTX mit Metamizol zu einer erhöhten Rate von Agranulozytosen führen kann, was die Autoren zur Empfehlung 5 bewegt hat. Nach oraler oder subkutaner Gabe wird MTX überwiegend renal und nur zu einem kleinen Teil biliär eliminiert. Die Empfehlung 4, die bei einer Nierenfunktion ≤ 45ml/min von MTX abrät, ist vorsichtiger als die Angaben in der Fachinformation, wo eine Halbierung der MTX-Dosis bei einer Creatinin-Clearance im Bereich von 30 bis 45 ml/min empfohlen wird. Die Autoren begründen dies unter anderem damit, dass die Bestimmung der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) abhängig von Alter, Körpergewicht und der Dynamik eines Nierenversagens zu Über- oder Unterschätzungen der Nierenfunktion führen kann. Unterhalb einer GFR von 30 ml/min ist MTX in jedem Fall kontraindiziert.

Zwischen Hydroxychloroquin (z. B. Quensyl®) und Tamoxifen besteht eine Wechselwirkung mit Konsequenzen für die Augengesundheit. Tamoxifen selbst kann eine Retinopathie verursachen. Durch die gleichzeitige Gabe von Hydroxychloroquin wird dieses Risiko signifikant erhöht. Deshalb gibt es die starke Empfehlung, bei der Kombination von Hydroxychloroquin und Tamoxifen schon ab dem ersten Therapiejahr jährliche ophthalmologische Screeninguntersuchungen durchzuführen (Empfehlung 7).

Leflunomid

(z. B. Arava®) ist ein Inhibitor von CYP2C8, sodass Wirkstoffe, die über dieses Cytochrom P450-Isoenzym verstoffwechselt werden (z. B. Repaglinid, Paclitaxel, Pioglitazon oder Rosiglitazon) durch Leflunomid in ihrer Wirkung verstärkt werden können. Daher besteht ein erhöhter Überwachungsbedarf von Patienten unter Behandlung mit einer dieser Substanzen.

 

Tab.: Empfehlungen zur Anwendung von synthetischen DMARD. In den Grad der Empfehlung (↑↑ = starke Empfehlung, ↑ = Empfehlung) sind u. a. die Relevanz der Studienendpunkte und die Stärke der vorhandenen Evidenz sowie die Umsetzbarkeit im Alltag eingegangen (modifiziert nach [2]).
Kernempfehlung
Empf.-Grad
konventionell synthetische DMARD
1
Die Kombination von Methotrexat (MTX) mit höheren Dosen (≥ 2 g/Tag) Acetylsalicylsäure (ASS) soll nicht erfolgen; niedrig dosiertes ASS (80 bis 100 mg/Tag zur Thrombozytenaggregationshemmung) ist unbedenklich.
↑↑
2
Die Kombination von MTX mit therapeutischen Dosen Cotrimoxazol (2-mal 960 mg/Tag) soll nicht erfolgen, niedrig dosiertes Cotrimoxazol (3-mal 960 mg/Woche zur Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe) ist unbedenklich.
↑↑
3
Bei der gleichzeitigen Gabe von Penicillinen sollte MTX pausiert werden.
4
Von der Gabe von MTX bei einer Nierenfunktion von ≤ 45 ml/min ist abzuraten.
Unter 30 ml/min soll MTX nicht eingesetzt werden.
↑↑
5
Von der Kombination von MTX mit Metamizol bei erwachsenen Patienten bis 79 Jahre ist abzuraten.
Ab 80 Jahren soll diese Kombination nicht eingesetzt werden.
↑↑
6
Die Kombination von Hydroxychloroquin mit Azithromycin soll wegen möglicher QT-Zeit-Verlängerungen nicht ­erfolgen, bei weiteren Substanzen sind u. U. EKG-Kontrollen empfehlenswert.
↑↑
7
Die Kombination von Hydroxychloroquin mit Tamoxifen macht von Therapiebeginn an jährliche Retinopathie-­Kontrollen notwendig.
↑↑
8
Leflunomid kann in allen Stadien der Niereninsuffizienz in gleicher Dosis gegeben werden.
↑↑
zielgerichtete synthetische DMARD
9
Die Gabe von Tofacitinib und Upadacitinib sollte in Kombination mit CYP3A4-abhängigen Medikamenten wie ­Ketoconazol, Itraconazol nur unter besonderer Vorsicht und in reduzierter Dosis erfolgen; in Kombination mit ­Rifampicin muss eine Wirkabschwächung befürchtet werden.
10
Bei Niereninsuffizienz (NI) soll bei Tofacitinib (bei hochgradiger NI) sowie Baricitinib und Filgotinib (bei moderater NI) eine Dosisanpassung erfolgen.
↑↑
11
Baricitinib und Filgotinib sollten ab einem Alter ≥ 75 Jahren in der Anfangsdosis halbiert werden, Tofacitinib sollte ≥ 65 Jahren nur eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen.

Risiken bei tsDMARD

Bei den oralen Januskinase(JAK)-Inhibitoren Baricitinib (Olumiant®), Filgotinib (Jyseleca®), Tofacitinib (Xeljanz®) und Udapacitinib (Rinvoq®) ist eine ganze Reihe von Interaktionen bekannt, doch nicht alle haben die gleiche klinische Relevanz.

Von Bedeutung ist, dass beispielsweise Filgotinib und sein Metabolit Substrate des Wirkstofftransporters P-Glykoprotein (P-gp) sind, sodass bei Gabe von P-gp-Hemmern wie Itraconazol eine Erhöhung der Plasmakonzentrationen von Filgotinib und seines Metaboliten die Folge sein kann, während es bei gleichzeitiger Gabe mit Rifampicin als P-gp-Induktor zu einer mäßigen Reduktion kommt (Empfehlung 9).

Die Metabolisierung von Tofacitinib erfolgt in erster Linie durch CYP3A4 und in geringerem Ausmaß durch CYP2C19. Die gleichzeitige Einnahme der CYP3A4-Inhibitoren Fluconazol, Ketoconazol oder Ciclosporin A führt zu einem Anstieg der Konzentration von Tofacitinib. Bei gleichzeitiger Gabe mit Rifampicin, einem starken CYP­3A4-Induktor, nimmt die Tofacitinib-Exposition ab.

Neue Sicherheitsbewertung der EMA zu JAK-Inhibitoren

Das Konsensuspapier der DGRh-Arbeitsgruppe wurde Mitte Januar 2023 online publiziert. Daher konnte die aktuelle Sicherheitsbewertung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zu den JAK-Inhibitoren vom 23. Januar 2023 noch keinen Eingang finden. Diese beinhaltet, dass JAK-Inhibitoren bei Patienten über 65 Jahren sowie bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, bei Rauchern sowie früheren Langzeit-Rauchern und Patienten mit erhöhtem Krebsrisiko nur eingesetzt werden sollen, wenn es keine alternativen Therapiemöglichkeiten gibt. Diese Empfehlung folgte auf eine Auswertung von Studiendaten zu Tofacitinib und Baricitinib. Die EMA kam allerdings zu dem Schluss, dass sie für alle JAK-Inhibitoren gelten sollte, die gegen chronisch inflammatorische Erkrankungen zugelassen sind. Dies bestätigte nun der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA, nachdem der Ausschuss für Risiko­bewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) die Empfehlung bereits im Oktober 2022 ausgesprochen hatte. Dieses neue Risikosignal wird auch in die Fachinformationen der Präparate eingearbeitet werden.

Im Übrigen weisen auch die Autoren des Konsensuspapiers darauf hin, dass für den Arzt letztendlich die Fachinformation das rechtlich bindende Dokument darstellt. |

Literatur

[1] EMA confirms measures to minimise risk of serious side effects with Janus kinase inhibitors for chronic inflammatory disorders. Mitteilung der Europäischen Arzneimittel-Agentur, 27. Januar 2023

[2] Fiehn C et al. Bewertung von Wechselwirkungen und Dosierungsempfehlungen von synthetischen DMARDs – Evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen auf Basis einer systematischen Literatursuche. Z Rheumatol 2023;82:151-162, doi.org/10.1007/s00393-022-01308-z

[3] Management der frühen rheumatoiden Arthritis. S3-Leitlinie unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V., AWMF-Registernr. 060-002, Stand Dezember 2019

[4] Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten. S2e-Leitline unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V., AWMF-Registernr. 060-004, Stand April 2018

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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