Gesundheitspolitik

ABDA fordert mehr Spielräume

Stellungnahme zum ALBVVG: ABDA hat andere Vorstellungen vom Engpass-Management

gbg/ks | Auch wenn die ABDA nur begrüßen kann, dass sich die Politik endlich den Lieferengpässen zuwendet – den Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hält sie nicht für geeignet, die Probleme verlässlich zu lösen. Das macht sie in ihrer Stellungnahme zum Entwurf für das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfung- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) deutlich. Zugleich zeigt sie konkret auf, wie es aus ihrer Sicht besser ginge.

Die ABDA fordert nicht nur 21 Euro zzgl. Umsatzsteuer je gemanagtem Engpass (siehe dazu S. 8), sie hat auch klare Vorstellungen, wie es mit den erleichterten Abgaberegeln weitergehen soll. Letztere will das BMG bekanntlich nicht so weit belassen, wie Apotheken sie in der Pandemie schätzen gelernt haben. U. a. will die ABDA § 129 Abs. 1 SGB V wie folgt ergänzen: „Apotheken wählen das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel aus den in der Apotheke vorrätigen Arzneimitteln aus. Wenn das abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, dürfen Apotheken an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben oder hergestellt und abgegeben werden.“

Für die Feststellung der Lieferbarkeit soll laut Stellungnahme die Nachfrage bei einem Großhändler erforderlich und ausreichend sein. Falls das Arzneimittel nicht über den Großhandel vertrieben wird, soll eine einmalige Anfrage bei dem pharmazeutischen Unternehmer reichen. Während der Notdienstzeiten will die ABDA diese Anfragepflichten ganz aussetzen.

Vorrätigkeit als Kriterium

Ohne Rücksprache mit dem Arzt sollen Apotheken nach Vorstellung der ABDA in folgenden Punkten von der Verordnung abweichen können, sofern dadurch die verschriebene Wirkstoffmenge nicht überschritten wird:

1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,

2. die Packungsanzahl,

3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und

4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.

„Ziel dieser Regelungen ist es, den Apotheken mehr Flexibilität zu verschaffen und damit die Versorgung der Versicherten ohne unnötigen Zeitverzug sicherzustellen“, begründet die ABDA ihre Forderungen. „Dies gelingt, indem statt auf die Lieferfähigkeit primär auf die Vorrätigkeit des abzugebenden Arzneimittels abgestellt wird.“

Die ABDA verweist darauf, dass die Wirtschaftlichkeit in Pandemiezeiten schließlich nicht unter den Erleichterungen bei der Rezept­belieferung gelitten habe. Mit diesem Argument können die Kassen also nicht punkten. Insbesondere für ältere oder körperlich eingeschränkte Versicherte sowie Betreuungspersonen von (kleinen) Kindern sollte eine Flexibilisierung der Abgabevorschriften verankert werden, um gerade diesen Gruppen das mehrfache Aufsuchen der Apotheke zu ersparen. Dies hätte den für die GKV auch positiven Nebeneffekt, dass deutlich weniger Botendienste abgerechnet werden müssten.

Schutz vor Nullretaxation

Apotheken, die von den genannten Regeln Gebrauch machen, sollen überdies per Gesetz vor Retaxationen geschützt werden. Und die ABDA geht noch weiter: Sie will Nullretaxationen wegen unbedeutender Formfehler gänzlich einen Riegel vorschieben. Dazu schlägt sie Umformulierungen in § 129 Abs. 4 SGB V vor. U. a. soll es dort heißen: „Vollständige Retaxationen sind unzulässig, wenn die Krankenkasse durch das abgegebene Arzneimittel von ihrer Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten befreit wurde. Die Höhe einer zulässigen Beanstandung darf die preisliche Differenz zwischen dem abgegebenen und dem nach Maßgabe des Rahmenvertrages abzugebenden Arzneimittel nicht überschreiten.“

Fehlen Angaben auf der Verschreibung oder sind diese fehlerhaft, sollen die Kassen dies nur beanstanden dürfen, wenn hierdurch eine „von der Krankenkasse nachzuweisende konkrete Gefährdung der Arzneimitteltherapiesicherheit des Versicherten aufgetreten ist“. Die erfolgsabhängige Vergütung von Beanstandungsverfahren seitens der Krankenkassen soll der Gesetzgeber darüber hinaus für unzulässig erklären.

Erleichterungen bei Defekturen und Importen

Mehr Spielraum will die ABDA zudem bei der Herstellung von Defekturen, wenn dies nötig ist, um einen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte festgestellten Lieferengpass zu überbrücken. „Von dem Erfordernis häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibungen in der Apotheke kann für Arzneimittel, die von einem Lieferengpass betroffen sind, durch eine gesetz­liche Fiktion eine Ausnahme verankert werden, die es der Apo­theke erlaubt, betroffene Arzneimittel auch ohne konkrete häufige Verschreibungen im Rahmen der Defektur herstellen zu können“, schreibt sie dazu. Ist ein Medikament über einen längeren Zeitraum nicht zu bekommen, sollen sich die Apotheken überdies mit Importen bevorraten dürfen. |

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