Leserbriefe

Notdienst ja – aber nicht für Almosen: Was ist uns der Apotheken­notdienst wert?

Zum Thema Notdienst und Vergütung wird eine Diskussion und der Austausch angeregt. Der Leserbrief ging u. a. auch an die zuständige Landesapothekerkammer und den -verband.

Aktuell entspricht der Notdienst für die Diensthabenden gar keinem Wert, aufgrund fehlender Freizeit und Lebensqualität und das zu Bedingungen unter dem Mindestlohn!

Die Thematik Notdienste und deren Vergütung muss in Deutschland dringend reformiert werden und zwar so, dass es sich weiterhin lohnt, diesen Service anzubieten. Ansonsten werden wir weitere Vor-Ort-Apotheken in der Fläche verlieren.

In den meisten Fällen werden die Dienste von den Inhaberinnen und Inhabern selber mit Arbeitszeiten von 24 bis 36 Stunden am Stück und mehr durchgeführt. Die allerwenigsten angestellten Apotheker und Apothekerinnen/Filialleiter und Filialleiterinnen übernehmen diese Dienste ggf. zum Tarif. Und warum? Weil er einfach unterbezahlt ist. Auch nach der Tariferhöhung zum 01.01.2022 entspricht diese Vergütung in keinster Weise den gezahlten Löhnen einer/s Schichtarbeiters/Schichtarbeiterin in der Industrie oder Mitarbeitern/Mit­arbeiterinnen im Gesundheitswesen.

Die Notdienste sind in den letzten Jahren viel anspruchsvoller geworden, einmal durch die immer mehr zunehmende Bürokratie (Sonder-PZN zu sämtlichen Problemen zuzgl. handschriftlicher Vermerke, Dokumenta­tion Nichtlieferfähigkeit, längere Rückrufwartezeiten, wenn der Verordner/die Verordnerin nur über die 116 117 erreicht werden kann, Pille danach mit extra Dokumentation und Beratungsgespräch, etc.), aber auch die Ansprüche der Kunden (Febreeze, weil es in der Wohnung nach Zitrone riecht, homöopathische Mittel mit Potenzen jenseits der C200, Schwangerschaftstest um 1.30 Uhr, weil man gerade Verkehr hatte und eine Stunde später noch einen, weil der Test negativ anzeigt ...).

So unkompliziert wie es vor ein paar Jahren war, ist es längst nicht mehr.

Hinzu kommen die übermäßigen Anrufe. Erledigt man nicht alles gleichzeitig, gibt es schlechte Bewertungen über die digitalen Medien und even­tuell Strafen von der Kammer, wenn sich Patienten dort beschweren.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Notdienste für die Inhaberinnen und Inhaber aufzuwerten?

Die Vergütung pro Auftrag muss ­unbedingt von 2,50 Euro auf mind. 10 Euro besser sogar auf 20 Euro angehoben werden. Denn warum dürfen Schlüsseldienste, Versorger von Strom, Gas, Wasser und Abwasser, ­Abschleppdienste, Handwerker Feiertags- und Notdienstzuschläge von 50 Euro aufwärts verlangen und wir nicht? Für die Bevölkerung und die GKV sind die vorgeschlagenen Ge­bühren finanziell tragbar.

Denn auch Herrchen und Frauchen zahlen für ihren vierbeinigen oder ­gefiederten Liebling die Extrakosten zur tierärztlichen Behandlung am ­Wochenende, die weit über unserem Vorschlag liegen.

Weiterhin könnten die ganzen Telefonate, die eigentlich nur einer Beratung am Telefon bedürfen, über die 116 117 abgewickelt werden. Somit könnten die Diensthabenden entlastet werden. Auch wäre das eine Möglichkeit, die sexuellen Übergriffe am Telefon zu umgehen. Diese nehmen verstärkt zu und können äußerst unangenehm sein.

Es könnte die Möglichkeit geben, im Notdienst eine 0180 - 4... Nr. verwenden zu dürfen, um bei Anfragen wenigstens auch eine finanzielle Entschädigung zu erhalten.

Weiterhin ist eine Gebietsreform wichtig. Warum muss alle 10 km eine Apotheke Notdienst haben? Insbesondere in Bayern ist die Anzahl der Dienste enorm und die Abstände so gering, da könnte man ja fast zusammensitzen und diensten.

Kommen wir aber noch mal auf die Thematik der Schichtzulagen zurück. In allen anderen Berufen, außer bei uns, gibt es steuerliche Vergünstigungen. Warum müssen wir unsere Notdienstvergütung voll versteuern? Auch wir haben hohe Feiertage, die wir lieber mit unseren Familien und Freunden verbringen möchten. Man darf nicht vergessen, wie hoch die Frauenquote in unserer Branche ist. Viele junge Apothekerinnen haben auch Kinder, die dann von Familienangehörigen betreut werden müssen.

Nichts ist schlimmer, wenn das eigene Kind krank ist und die Pflicht Vorrang hat. Für ganz viele von uns sind das enorme psychische Belastungen, alles selbst erlebt. Und nein, man findet nicht so schnell eine Vertretung, wenn plötzlich ein Familienmitglied notärztlich versorgt werden muss.

Ebenso steigen die Ansprüche der Mitarbeiter, die Notdienste durchführen könnten. Verständlich, fehlende Freizeit ist fehlende Lebensqualität.

Ich selbst hatte approbierte Kandidaten, die pro Nacht mind. 500 Euro wollten. Nein danke, da beute ich mich lieber selber aus. Und an all die Kollegen und Kolleginnen, die meinen, der Betrag vom NNF wäre ausreichend: Nein, ist er eben nicht, denn es gibt auch Nebenkosten, wie Strom, PC-Anlage, Telefon, Beleuchtung, Heizung, Wasser, Versicherung und Beiträge, die wir für den Notdienst­umsatz bezahlen müssen, und eben auch die Steuern und Beiträge!

Und zum Abschluss noch das Argument des Arbeitsschutzes während des Notdienstes. Ich hatte jetzt wieder eine Arbeitsschutzbegehung und muss einen Fragebogen zur psychischen Belastung in meiner Apotheke ab­arbeiten. Wenn ich all die Anforderungen umsetze, anpasse, ändere und einhalte, dann muss der Notdienst und das Arbeiten in der Apotheke eigentlich verboten werden.

Denn ich gehe mal davon aus, dass wir als menschliche Wesen und Inhaber und Inhaberinnen doch auch einen Anspruch auf Gesundheit und Körperpflege am Arbeitsplatz, mit regelmäßigen Pausen zur Erholung haben, oder nicht?

Apotheken sollten einen Ermessensspielraum erhalten, zu welchen Zeiten sie am Wochenende erreichbar sind.

Je nach individueller Situation wäre es sinnvoll Kernzeiten anzubieten, um ein geringes Patientenaufkommen zu bündeln, oder bei stark frequentierten Apotheken eine durchgehende Versorgung zu gewährleisten.

Fakt ist, so kann es nicht weiter gehen. Es gibt viele Vorschläge und Möglichkeiten, das Thema Notdienst einschließlich Vergütung zu ändern, damit es für uns alle ein Mehrwert im Gesundheitswesen bleibt.

Für eine offene Diskussion bedanke ich mich.

Daniela Hänel, Linda Apotheke in der Nordvorstadt,SalzDom Zwickau, Zwickau

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